Bremen. . Unter Trainer Viktor Skripnik feiert das Bremer Team eine Wiederauferstehung in der Bundesliga. Der 20-jährige Davie Selke ist das größte Juwel.

Davie Selke, so viel steht fest, bringt ziemlich viel für einen mit, dem die Fußball-Welt die Arme ausbreitet. Er ist jung, gerade erst 20 Jahre. Er ist groß, genau 1,92 Meter. Er sieht blendend aus, sagen zumindest alle Bremer Mädchen seines Alters. Er ist U19-Europameister und Torschützenkönig dieses Turniers geworden, weil er mitbringt, was kaum noch Stürmer mit deutschem Pass besitzen: den direkten Zug zum Tor.

Das macht ihn begehrt. Wie im vergangenen Herbst, als sich bei seinem Berater die Angebote stapelten, und damals hat der im schwäbischen Schorndorf geborene Sohn einer Tschechin und eines Äthiopiers lange nachgedacht. Es ging um Summen mit siebenstelligen Beträgen.

Vertrag bis 2018 verlängert

Selke hat dann – nicht zuletzt auf Anraten seines mit nach Bremen gezogenen Vaters – trotzdem beim SV Werder seinen Vertrag bis 2018 verlängert, und wie wichtig diese Unterschrift war, hat jeder beim 2:1 gegen Bayer Leverkusen bei seinem fünften Saisontor sehen können. Wie ein Stein fiel ein hoher Ball herunter, aber der Mittelstürmer mit der Nummer 27 hat ihn wie selbstverständlich verwertet.

„Ich bin dafür da, so einen reinzumachen“, sagte der Vollstrecker hinterher und lächelte selig. Wenn der grün-weiße Hoffnungsträger wirklich so gut wird wie sein Vorbild Mario Gomez, dann kommt der Zeitpunkt, dass ordentliche Millionen aufs Bremer Konto für einen Stürmer fließen, der 2013 für läppische 50.000 Euro Aufwandsentschädigung von der TSG Hoffenheim geholt wurde.

Viele wundersame Werder-Fortschritte

Seine Wertsteigerung steht exemplarisch für all die wundersamen Werder-Fortschritte. Mit vier Siege sind die Bremer von Platz 18 auf acht geklettert, und das Team scheint auf einmal aus vielen Selkes zu bestehen, die binnen kürzester Zeit besser geworden sind. Sogar Clemens Fritz, den etliche Fans, Experten und Journalisten am liebsten persönlich aufs Altenteil abgeschoben hätten, weil er in der Bundesliga nicht mehr hinterher zu kommen schien, erlebt mitten im Winter seinen dritten Frühling. Mit 34 Jahren.

Wie geht das? Kapitän Fritz überlegt nicht lange: „Das Trainerteam lässt uns nicht in Ruhe.“ Der um Bodenhaftung bemühte Viktor Skripnik („Ich schaue nur nach unten“) holt ja bei jeder Gelegenheit seine Mitstreiter mit ins Boot: zum einen Torsten Frings, den prominenten, aber auch Florian Kohfeldt, den weniger prominenten Assistenten. Der eine Frontkämpfer in der Nationalmannschaft, der andere Ersatztorwart in der Bremen-Liga. Frings und Kohfeldt schrauben gerade an ihrem Fußballlehrer-Schein in Hennef, aber es heißt bereits, die beiden würden auf keinen Fall durch die Prüfung fallen, so viel habe ihnen ihr Chef am Osterdeich in der Praxis beigebracht.

„Wir sind alle Beckenbauer“

„Unser Trainerstab brennt ohne Ende“, versichert Skripnik, der es hasst, wenn allein ihm die Verdienste der 22 Punkte aus elf Spielen ans Revers geheftet werden. Stimmt es denn, dass er neben seinen Lehrmeistern Walerij Lobanowski und Thomas Schaaf auch ein bisschen was von Franz Beckenbauer habe, wie der „Weser-Kurier“ titelte? Weil er eben bisweilen auch mit der „Geht’s-raus-und-spielt’s-Fußball“-Rhetorik arbeite.

Skripniks Replik: „Wir sind alle Beckenbauer.“ Er mag solche Deutungen und Vergleiche nicht. Und wichtiger als ausgetüftelte Matchpläne am Schreibtisch sind ihm offene Türen zum Trainerzimmer. Der 45-Jährige appelliert dann ans Miteinander, das Skripnik am Fallbeispiel Selke so erläutert hat: „Er ist ein junger Star, aber er muss hier alles akzeptieren.“

Im nächsten Heimspiel geht es gegen den FC Augsburg. In der Hinrunde verlor Werder 2:4 und die Talfahrt begann. Obwohl Selke damals dort sein erstes Bundesligator schoss.