Gelsenkirchen. Der Ex-Nationalspieler blickt sorgenvoll Richtung S04. Der Beginn der Negativspirale setzte seiner Meinung nach schon 2009 ein: „Das war nicht Schalke-like“.
Christian Pander wird am Samstag live im Preußenstadion dabei sein, wenn der FC Schalke 04 um 20.30 Uhr bei Preußen Münster antritt. Der 41-Jährige hat für beide Vereine gespielt, für Schalke von 2001 bis 2011 sogar zehn Jahre lang. Der ehemalige Linksverteidiger gibt zu, dass er „sehr sorgenvoll“ Richtung Schalke blickt und spricht vor dem Duell seiner Ex-Klubs im Interview mit der WAZ über die Ausgangslage beider Teams, falsche Entscheidungen von Felix Magath und heiße Duelle im Mannschaftsbus.
Christian Pander, in Ihrer Brust schlagen am Samstagabend sicher zwei Herzen. Welches Herz schlägt denn etwas stärker?
Christian Pander: Okay, die schwierigste Frage gleich zu Beginn (lacht)! Ich drücke es mal so aus: Ich gehe mit dem großen Vorteil ins Spiel, mich bei einem Sieg für die siegreiche Mannschaft freuen zu können. Vor der Saison habe ich allerdings gesagt, dass mein Herz am 7. Spieltag etwas stärker für Münster schlagen darf, weil die Mannschaft die Punkte zu diesem Zeitpunkt vermutlich dringender benötigt.
Jetzt ist die Konstellation eine andere. Schalke steht auf dem Relegationsplatz. Es sieht also so aus, als bräuchte Schalke die Punkte noch dringender.
Einen Fehlstart dieser Art habe ich für unmöglich gehalten. Vor nicht langer Zeit hätte ich mir nicht mal vorstellen können, dass beide Vereine überhaupt ein Ligaspiel gegeneinander bestreiten. Für Münster ist 2. Bundesliga eine Riesengeschichte und wird wahrscheinlich erst 2028 nach dem Umbau des Stadions etwas, was Normalität werden könnte. Ein Klub wie Schalke gehört natürlich in die Bundesliga. Dass sie jetzt sogar hinter Münster auf dem Relegationsrang stehen, ist extrem bitter.
Sie waren bis Sommer anderthalb Jahre lang Präsidiumsmitglied von Preußen Münster, kennen die Mannschaft sehr gut. Auf was muss sich Schalke am Samstagabend gefasst machen?
Auf jeden Fall auf eine tolle Atmosphäre. Die Mannschaft hat ein starkes Umschaltspiel, ist sehr schnell mit vielen Spielern vor dem Tor. Wenn Münster noch ein bisschen kaltschnäuziger wäre, hätten sie sicher den ein oder anderen Punkt mehr. Generell spielen sie eine sehr solide Runde – mit Ausnahme der 1:4-Niederlage beim HSV. Ich erwarte ein packendes und enges Spiel.
Und was würden Sie einem Münsteraner antworten, wenn er Sie fragen würde, was seine Mannschaft erwartet?
Nach dem Heimdebakel gegen Darmstadt und den darauf folgenden Entlassungen des Trainers und des Sportdirektors trifft Münster natürlich auf eine hochverunsicherte Schalker Mannschaft. Aber genau das macht es nicht einfach: Denn Schalke ist vor dem Spiel kaum einschätzbar. Auch wenn Jakob Fimpel nicht viel Vorbereitungszeit hat, wird er eine andere Philosophie als Karel Geraerts haben und diese den Spielern schon am Samstagabend mit auf den Rasen geben.
Blicken Sie sorgenvoll zu Ihrem Ex-Klub Schalke?
Ja, sehr sorgenvoll sogar. Genauso wie viele Menschen in meinem Freundeskreis, denen Schalke etwas bedeutet. In der Saison 2020/21 habe ich immer noch lange daran geglaubt, dass die Mannschaft den Klassenhalt packen wird, die individuelle Qualität der Spieler war einfach zu hoch. Am Ende ging es trotzdem in die 2. Liga. Als es dann nach dem Wiederaufstieg direkt wieder runter ging, war die Qualität des Kaders schon nicht mehr so hoch. Der Verein schiebt dazu einen riesengroßen Schuldenberg vor sich her. Das Ausmaß eines weiteren Abstiegs will ich mir gar nicht vorstellen.
Wann ist der Verein in die falsche Richtung abgebogen?
Fragt man 100 Leute, bekommt man wahrscheinlich 100 verschiedene Antworten. Ich denke, dass der Stein schon in der Zeit von Felix Magath ins Rollen kam. Als Magath 2009 kam, hat sich auf Schalke einiges verändert – und das nicht zum Guten. Viele Spieler mit Schalker Herz mussten gehen, unheimlich viele neue Spieler sind gekommen. Hinzu kommt, dass Felix Magath auch auf der Geschäftsstelle einen gewaltigen Umbruch angestoßen hat. Das was sich hier abgespielt hat, war in vielerlei Hinsicht nicht Schalke-like.
Sie waren Publikumsliebling. Können Sie sich vorstellen, Schalke in offizieller Funktion zu unterstützen?
Ich möchte betonen, dass ich durch meine Jahre als Fußballprofi in der sehr glücklichen Lage bin, mein Leben nach der Karriere selbstbestimmt leben zu können. Dafür bin ich sehr dankbar. Vorstellen kann ich mir viel. Mich hat von Schalker Seite allerdings noch niemand angesprochen – und ehrlicherweise habe ich, bedingt durch die ganzen Personalrochaden, derzeit kaum Kontakt zum Verein. Ich würde mich auch nirgendwo selbst ins Gespräch bringen. Dass ich ein großes Herz für Schalke habe, ist aber doch klar. Ich kam als Jugendspieler in den Verein, bin auf Schalke Profi geworden und sogar Nationalspieler.
An welchen Moment erinnern Sie sich am liebsten zurück?
An meine Einwechslung im Heimspiel im November 2006 gegen Bayern München. Wegen eine Kreuzbandrisses war ich 19 Monate verletzt, in der Reha hat es immer wieder Rückschläge gegeben. Als ich dann an der Seitenlinie stand und auf die Einwechslung gewartet habe, sind 60.000 Zuschauer aufgestanden, haben applaudiert und meinen Namen gerufen. Meine Familie war im Stadion, auch viele Freunde waren da – alle hatten Tränen in den Augen. Das war die Belohnung dafür, dass ich durch die Hölle gegangen bin.
Was haben die Fans an Ihnen so sehr geschätzt?
Ich denke, dass ihnen gefallen hat, wie ich meine Linksverteidigerposition interpretiert habe – nämlich ziemlich offensiv mit vielen scharfen Flanken vors Tor. Und weil mein Schuss eindeutig meine größte Stärke war, war ich natürlich auch an vielen auffälligen Situationen beteiligt. Zudem war ich keiner, der sich in die Öffentlichkeit gedrängt hat. Außerdem hat man es als Spieler der Knappenschmiede sowie immer etwas leichter.
Haben Sie noch enge Kontakte zu ehemaligen Mitspielern?
Nein, enge Kontakte nicht. Dadurch, dass ich während meiner gesamten Zeit auf Schalke weiterhin in Münster gelebt habe, habe ich meinen engsten Freundeskreis behalten können und die freie Zeit sowieso am liebsten in meiner Heimatstadt verbracht. Aber na klar, es waren schon verrückte Typen dabei, mit denen ich eine gute Zeit hatte.
Wer war der Verrückteste?
Eindeutig Gerald Asamoah! Mit Asa habe ich fast die gesamte Zeit zusammengespielt, wir saßen im Bus nebeneinander. Ich kann gar nicht zählen, wie oft wir auf Auswärtsfahrten gegeneinander Bundesliga-Manager auf seinem alten Laptop gespielt haben. Mit etwas Abstand glaube ich, dass Asa geschummelt hat und zu Hause einfach weitergespielt hat. Ich kann es nur nicht beweisen (lacht).
Und wer war der beste Mitspieler?
Fußballerisch waren Lincoln und Raul schon die allerbesten. Es macht mich auch sehr stolz, dass ich mit solchen brillanten Spielern zusammenspielen durfte. Ach ja, wenn ich auch nur ein bisschen von deren Bewegungsablauf am Ball gehabt hätte. Das war sensationell.
Dafür haben Sie 2007 Geschichte geschrieben, als Sie die deutsche Nationalmannschaft im neuen Wembley-Stadion zum Sieg geschossen haben!
Danke, dass Sie es noch ansprechen. Das tut immer gut (lacht). Sonst erinnern sich viele bei Christian Pander an den, der immer verletzt war. Ernsthaft: Das Tor in Wembley war natürlich einer der großen Höhepunkte. Ich war vor ein paar Jahren tatsächlich nochmal im Stadion – als Zuschauer bei einem NFL-Spiel. Als ich von den Rängen so auf den Rasen geschaut habe und an das Tor gedacht habe - das war schon krass.
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