Mittersill. Schalke hat einen neuen starken Mann: Ben Manga spricht im Interview offen wie nie über seinen Weg nach oben und seine Vorstellung von Fußball.
Viel Zeit hat Ben Manga mitgebracht, als er eine Steintreppe hinuntergeht und den Garten des Mittersiller Schlosses betritt. Sein Handy hat der neue Chef-Kaderplaner des Zweitligisten FC Schalke 04 noch in der Hand, es ist sein wichtigstes Arbeitswerkzeug. Er setzt sich an einen Tisch, packt sein Handy weg und es beginnt ein langes Gespräch. Über seinen Werdegang. Darüber, was ihn antreibt. Und über seine eigene Karriere, die nun zu Schalke 04 geführt hat.
Herr Manga, bevor Sie sich als Kaderplaner einen Namen gemacht haben, waren Sie selbst Fußballprofi. Was war das Spiel Ihres Lebens?
Der 3:1-Sieg mit Fortuna Düsseldorf im DFB-Pokal gegen den FC Bayern, 1995. Es war erst mein zweites Spiel bei den Profis – und ich war nicht so schlecht, habe vor 60.000 Zuschauern im Rheinstadion ein Tor vorbereitet. (grinst)
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Danach mussten Sie jedoch einige Rückschläge einstecken.
Leider habe ich mich danach am Knie verletzt und musste operiert werden. Weil ich unbedingt wieder spielen wollte, habe ich nach meiner Operation zu früh wieder angefangen zu trainieren – dann ist die Verletzung wieder aufgebrochen. Mit 21 war meine Karriere fast schon wieder vorbei. Es war schrecklich, so etwas wünsche ich niemandem.
Schalke-Kaderplaner Manga: So bin ich zum Scouting gekommen
Wie hat Sie diese Erfahrung verändert?
Schnell musste ich mir Gedanken machen, wie ich künftig mein Geld verdienen kann. Schon nach der Schule hatte ich eine Ausbildung als Kfz-Mechaniker gemacht, aber ich wollte nicht in diesen Beruf zurück. Ich wollte nur Fußball spielen.
Nach Ihrer Zeit in Düsseldorf haben Sie noch einige Jahre im Amateurbereich gespielt. Wie wurden Sie vom Spieler zum Scout?
Dank Jörg Schmadtke. Er war Sportdirektor bei Alemannia Aachen, als ich als Routinier in der zweiten Mannschaft von Alemannia gespielt habe. Jörg hat etwas in mir gesehen und mir angeboten, die Scoutingabteilung in Aachen aufzubauen – aus dem Nichts, ohne Erfahrung, ohne Netzwerk, ohne Scouts, nur ich allein. Ich hatte keine Ahnung, was Scouting ist. Eigentlich wollte ich lieber Trainer werden, weiter auf dem Platz stehen, aber Jörg hat mich überzeugt.
Schalke-Kaderplaner Ben Manga: „Vorurteile haben mich extrem motiviert“
Was waren die ersten Erfolge Ihrer Scouting-Karriere?
Simon Rolfes haben wir von den Bremer Amateuren nach Aachen geholt, Jan Schlaudraff haben wir in Bingen entdeckt, Sergio Pinto bei den Schalker Amateuren. In Aachen wurden sie dann zu sehr guten Spielern.
Sie waren in Aachen, dann in Hoffenheim, Stuttgart und Frankfurt als Scout und Kaderplaner erfolgreich, gelten als jemand, der für den Job brennt. Was treibt Sie an?
Meine Eltern sind mit mir aus Afrika nach Deutschland gekommen, als ich zwei Jahre alt war, und wir mussten uns alles hart erarbeiten. Oft wurde ich unterschätzt und darauf reduziert, dass ich in gewissen Punkten anders bin als viele Deutsche. Ich bin schwarz, klein, habe einen Sprachfehler (er stottert, Anmerkung der Redaktion) und oft gehört: „Ben Manga wird nie bei den Großen mitspielen.“ Diese Vorurteile haben mich extrem motiviert. Ich wollte es allen beweisen und bin jetzt der erste Schwarze, der im deutschen Profifußball in solch einer wichtigen Position arbeiten darf. Auf dem Weg dorthin war mir kein Meter zu weit. Jahrelang habe ich auf Urlaub verzichtet und gearbeitet wie ein Wahnsinniger, um besser zu werden.
Sie sind seit einigen Wochen auf Schalke und bekannt dafür, immer wieder Top-Talente zu finden. Was ist Ihr Geheimnis?
Mein Scouting-Team! Ohne eine richtig gute Mannschaft hinter mir bin ich nichts. Ich kann nicht überall auf der Welt sein, daher brauche ich meine Vertrauten – und die habe ich seit rund zehn Jahren. Nur dank meiner Scouts konnten wir auf Schalke in sechs Wochen zehn Neuzugänge holen. Viele dieser Spieler hatten wir schon im Auge, als wir noch in Frankfurt oder Watford waren. Ich kann meine Scouts nicht genug loben. Anerkennung fördert den Zusammenhalt, Menschen werden nicht nur durch Geld glücklich. Liest der Scout in Argentinien, dass ich ihn für seine Entdeckung gelobt habe, zeigt das Wertschätzung.
Statistiken sind in Ihrem Scouting-Ansatz weniger entscheidend als die Charaktere der Spieler. Welche Charaktereigenschaften sind für Schalke 04 unverzichtbar?
Meinen Scouts habe ich gesagt: Auf Schalke wollen wir vom Ansatz her einen Fußball sehen wie bei Atlético. Hinten kompromisslos agieren und vorne Show, aber effektive Show. Atlético Madrid hat in der Abwehr gnadenlose Typen wie Godín, Giménez, vorne Spieler wie Griezmann, Saúl und Morata, die kicken können. Auch wenn wir in der Zweiten Liga und nicht in der Champions League spielen: Für solch eine Idee braucht es die richtigen Spieler mit der passenden Mentalität. Daten ergänzen unser Scouting.
Schalke: Ben Manga will Spieler mit Mentalität
Und Mentalität ist nicht in Zahlen messbar.
Völlig richtig. Wenn meine Scouts oder ich den Spieler dreimal gesehen und mit ihm gesprochen haben, analysieren wir auch seinen Charakter. Ein Beispiel: Wenn wir uns gegenübersitzen und er mir beim Gespräch nicht in die Augen schaut, werde ich skeptisch. Ich stelle Spielern oft auch Testfragen, bei denen die Antworten entscheidend sind.
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Testfragen?
Oft frage ich, was in einer Mannschaft das Wichtigste ist. Es gibt tatsächlich Spieler, die sagen, ihnen sei am wichtigsten, dass sie selbst glänzen. Manchen Spielern ist auch ein Abstieg egal, solange sie 18 Tore schießen. Für mich ist klar: Solche Jungs kann ich nicht gebrauchen. Viel kann man auch am Verhalten der Spieler nach Niederlagen lesen.
Ben Manga erklärt: So sehen Scouting-Berichte auf Schalke aus
Was meinen Sie da konkret?
Nach einem 0:3 schauen manche Spieler zuerst auf die Tribüne, suchen ihre Freunde und werfen ihnen Küsschen zu. Da denke ich: ‚Bist du noch ganz wach? Du hast gerade 0:3 verloren.‘ Solche Dinge wollen wir schon im Scouting erkennen – das geht nicht durch Daten.
Wie sieht ein Scouting-Bericht auf Schalke aus?
Die Scouts schreiben zum Beispiel Texte zum Defensiv- und Offensivverhalten sowie zur Mentalität der Spieler. Wir versuchen auf alles zu achten, zum Beispiel, wie sich ein Spieler beim Warmmachen verhält. Kommt ein Spieler immer als Letztes raus und jongliert am liebsten nur den Ball, werde ich skeptisch. Ist ein Spieler der Erste, der rauskommt, derjenige, der seine Kollegen heiß macht, dann denke ich mir: ‚Er hat Bock und will nicht verlieren.‘ Wir wollen Verhaltensmuster erkennen. Deshalb sind wir schon eine Stunde vor dem Anpfiff auf der Tribüne.
Gibt es weitere Geheimnisse?
Ich war bei fast allen Spielern zu Hause, auch in Brasilien und Argentinien. Bei ablösefreien Spielern geht es nicht immer nur um Geld. Randal Kolo Muani ist zu Eintracht Frankfurt gewechselt wegen der Wertschätzung, die ich seiner Familie und ihm jahrelang entgegengebracht habe. Deshalb hat er lukrativere Angebote abgelehnt.
Schalke-Kaderplaner Ben Manga erklärt, warum er Watford schnell verlassen hat
Vor Ihrer Schalke-Zeit haben Sie auch für den FC Watford in England gearbeitet. Sie wollten den Klub in die Premier League führen, haben für fünf Jahre unterschrieben. Was ist schief gelaufen?
Der Besitzer von Watford hat abgesegnet, dass ich mein Team mitbringe, damit ich etwas verändern kann. Als ich kam, war aber der vorherige Sportdirektor noch da – gegen unsere Absprache. Das hat nicht geklappt. Da ist es nur konsequent zu sagen: Dann bringt es nichts. Wir sind nicht im Streit gegangen.
Was haben Sie in England gelernt?
England war nie mein Markt, aber jetzt habe ich Kontakte zu allen Klubs. Ich habe die Premier League, die Klubs, die Sportdirektoren, die CEOs kennengelernt.
Ben Manga: Das hat mich auf Schalke überrascht
Als Sie nach Schalke gekommen sind, haben Sie auch einen Sportdirektor vorgefunden. Wie haben Sie Marc Wilmots in Ihre Strukturen eingebaut?
Marc hat seine Rolle, ich habe meine. Die sind vorab klar definiert worden, das ist der Unterschied
Gibt es etwas, was Sie auf Schalke bisher überrascht hat?
Die Arbeit ist etwas anders, da praktisch jeder Transfer vom Aufsichtsrat abgesegnet sein muss. Bei ehemaligen Vereinen hatten wir ein fixes Budget, das abgesegnet war und wir frei verteilen konnten. Sonst machen wir den gleichen Job, er geht immer noch um Fußball.
Wie Manga über Schalke-Trainer Karel Geraerts denkt
Sie wollen auf Schalke den Atlético-Madrid-Fußball sehen. Hat Trainer Karel Geraerts da Mitsprachrecht?
Natürlich sind wir mit unserem Trainer dazu im Austausch. Grundsätzlich ist es so, wenn es nicht um Pep Guardiola und zwei, drei andere Größen des Fußballs geht, die ihr System mitbringen, dass der Verein die Philosophie vorgibt. Und der Verein sucht den Trainer nach dieser Philosophie aus.
Der Fußball, der zum Klassenerhalt geführt hat, war simpel: Mann-gegen-Mann-Verteidigung, viele lange Bälle, Einzelleistungen. Trauen Sie Karel Geraerts zu, dass er der Mannschaft Ihren Wunschfußball näherbringt?
Wir arbeiten seit einigen Wochen zusammen und man sieht, dass wir nicht nur lange Bälle spielen, sondern unterschiedliche Spielzüge probieren. Die alte Taktik war den Umständen der vergangenen Saison geschuldet, das war gar nicht sein Ansatz. Ich habe Karel nach der Ausrichtung mit den langen Bällen gefragt und er hat es mir erklärt. Ich habe ihm gesagt, wie ich mir Fußball vorstelle, und er sieht es genauso. Karel lässt anders trainieren als in der vergangenen Saison. Das sagen mir auch die Spieler.
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Schalke: Ben Manga scoutet auch Trainer
Scouten Sie auch Trainer?
Das gehört zu meiner Aufgabe, ja. Man weiß im Fußball nie, was passiert. Was wäre gewesen, wenn Karel ein Top-Angebot eines anderen Vereins bekommen hätte? Es ist mein Job, mich mit möglichen Kandidaten zu treffen, ohne ihnen direkt etwas anzubieten. Ich frage sie, wie sie über Fußball denken. Aktuell ist Karel unser Trainer, wir sind zufrieden und arbeiten gut miteinander.
Die Strukturen bei Schalke 04 sind voll auf Sie ausgerichtet, das Vertrauen des Vorstands riesig. Das ist auch mit Risiko verbunden…
Ich spüre das Vertrauen der Fans, des gesamten Vereins. Meine Truppe und ich werden alles, was wir haben, reinhauen, damit Schalke 04 wieder erfolgreich wird. Ob es ein Risiko ist, auf mich zu setzen, müssen andere entscheiden. Ich glaube, dass ich in meiner Karriere das Vertrauen, das man mir entgegengebracht hat, immer zurückgegeben habe.
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