Gelsenkirchen. So ganz kann sich auch Horst Heldt nicht dem olympischen Geist entziehen: Schalkes Manager überlegt, in den nächsten Tagen mal für einen Kurztrip nach London zu fliegen, um sich dort Sportarten wie Badminton, Tischtennis oder Rudern anzusehen. Im Interview erklärt er, warum der Klub nicht groß eingekauft hat, es sich aber auch leisten kann, Stars nicht verkaufen zu müssen.

Herr Heldt, können Sie sich vorstellen, was auf Schalke los wäre, wenn Sie sich einen Transfer von Rafael van der Vaart geleistet hätten? Dann wäre der Trubel viel größer – die Erwartungshaltung aber auch.

Horst Heldt: Oh ja. Aber wir sind ganz froh, dass es im Moment bei uns ziemlich ruhig ist. Eine Verpflichtung von van der Vaart wäre für uns nicht machbar und auch nicht sinnvoll gewesen.

Wenn ein Verein wie Schalke sich auf dem Transfermarkt so zurückhält, drängt sich die Frage auf: Wollten Sie nicht mehr tun, oder konnten sie es nicht?

Heldt: Wir haben uns gemeinsam mit dem Aufsichtsrat dafür entschieden, ein wichtiges Augenmerk auf die Konsolidierung zu legen. Es ist unsere Verantwortung, den Verein so aufzustellen, dass es ihm auch in zehn Jahren noch gut geht. Außerdem nehmen wir ständig Geld in die Hand, um uns besser aufzustellen. Das fängt ja schon mit der Vertragsverlängerung von Jefferson Farfan an. Nachdem Jeff zwischendurch schon fast weg zu sein schien, ist er für uns wie ein Neuzugang. Und jetzt wollen wir unbedingt mit Klaas-Jan Huntelaar verlängern. Wir spielen mit ihm diese Saison und gehen dabei auch das Risiko ein, dass uns so ein wertvoller Spieler in einem Jahr ablösefrei verlassen könnte. Vor ein paar Jahren hätte es bei Schalke wahrscheinlich noch geheißen: Wenn er den Vertrag jetzt nicht verlängert, müssen wir ihn eben verkaufen. Das müssen wir nicht mehr tun, diese Freiheit haben wir uns erarbeitet. Deswegen interessiert uns auch das Werben des AC Mailand um Kyriakos Papadopoulos nicht.

Gespräche mit Huntelaar laufen

Wie weit sind Sie denn derzeit bei Huntelaar?

Heldt: Wir haben uns am vergangenen Wochenende mit ihm und mit seinem Berater zusammengesetzt und die Gespräche fortgeführt, die wir vor der EM begonnen hatten.

Und wie geht es jetzt weiter?

Heldt: Wir werden uns demnächst wieder treffen und dann noch konkreter über die Vertragsinhalte sprechen. Klar ist, dass sich Klaas-Jan hier ausgesprochen wohl fühlt, aber wenn er noch Zeit braucht für seine Entscheidung, dann geben wir ihm die. Für uns ist es wichtig, dass er aus Überzeugung verlängert. Wir als Verein können ihm sehr vieles bieten.

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Hat Huntelaar Bedenken wegen der bisherigen Transferpolitik Bedenken geäußert, da er mit Schalke ja um Titel spielen will?

Heldt: Überhaupt nicht. Sein Ziel ist es, dass Schalke vorwärts kommt, und das ist positiv, denn das wollen wir auch.

Frage nach Kapitän noch unbeantwortet

Wird Huntelaar der neue Schalke-Kapitän?

Heldt: Die Entscheidung, wer in der kommenden Saison der Kapitän ist, wird der Trainer treffen. Stand jetzt ist aber Benedikt Höwedes unser Kapitän. Er hat diese Aufgabe bei unserem großen Verein sehr gut gemacht. Abgesehen davon genügt es ohnehin nicht, wenn nur der Kapitän Verantwortung übernimmt. Das müssen viele Spieler tun, ob mit oder ohne Binde.

Warum wird überhaupt über den Kapitän diskutiert? Sie könnten sagen: Wir haben mit Höwedes einen deutschen Nationalspieler. Der ist Kapitän, und der will und wird es auch bleiben.

Heldt: Bene hat zwar eine durchwachsene Saison hinter sich, das war jedoch hauptsächlich durch Verletzungen bedingt. Er hat einen einwandfreien Charakter. Jetzt geht es darum, gemeinsam zu ergründen, wie es für ihn in der kommenden Saison wieder besser laufen kann.

Ist sein Stammplatz in Gefahr?

Heldt: Wer Benedikt Höwedes hier auf Schalke in Frage stellt, versteht den Mythos dieses Vereins nicht. Wir stellen Eigengewächse mit großem Potenzial nicht in Frage, nur weil eine Saison nicht optimal gelaufen ist. Bene ist hier nicht wegzudenken. Dass er in einem Konkurrenzkampf steht, ist doch selbstverständlich – das trifft auf unsere Torhüter oder Mittelfeldspieler doch genauso zu. Trotzdem ist und bleibt er eine Führungsfigur.

Harter Kampf um die Stammplätze

Horst Heldt will noch Spieler abgeben - und mit anderen verlängern.
Horst Heldt will noch Spieler abgeben - und mit anderen verlängern. © Unbekannt | Unbekannt

Die Torwart-Situation ist die spannendste der Bundesliga: Drei Mann wollen die Nummer eins werden. Darin steckt auch Potenzial für schlechte Laune…

Heldt: Auch dieser Konkurrenzkampf ist normal für einen ambitionierten Verein. Aber alle drei empfinden die Situation eher als Ansporn und gehen respektvoll miteinander um. Deswegen glaube ich nicht, dass es da zu atmosphärischen Störungen kommen wird.

Sie wollen Lars Unnerstall langfristig an Schalke binden…

Heldt: Das ist richtig. Mit Unnerstall und auch mit Atsuto Uchida werden wir die Verträge noch in dieser Woche verlängern.

Was tut sich bei den Spielern, die Sie noch abgeben wollen?

Heldt: Philipp Hofmann haben wir für ein Jahr an den SC Paderborn ausgeliehen – dort soll er Spielpraxis in der 2. Liga sammeln und sich weiterentwickeln. Hinter ihm war die halbe 2. Liga her – von Duisburg über Kaiserslautern bis Sandhausen. Für Vasileios Pliatsikas gibt es Anfragen von Genk und Wiener Neustadt. Bei Anthony Annan glaube ich nicht mehr, dass ein Transfer nach Arnheim klappt. Nach meinen Informationen liegt es daran, dass der neue Trainer Fred Rutten nicht im Guten von Schalke geschieden ist und anscheinend den Spieler nur aus dem Grund nicht will, weil er Schalke nicht helfen möchte – dabei braucht er dringend jemanden wie Annan. Anderlecht möchte den Spieler auch haben, aber die müssen erst andere Profis abgeben. Der Markt wird immer schwieriger.

Viele Vereine sind "mehr oder weniger pleite"

Sind das die Auswirkungen der wirtschaftlichen Krise in Europa?

Heldt: Fakt ist, dass viele Länder weg brechen. In Spanien können nur Barcelona, Real Madrid und vielleicht Malaga noch etwas tun – alle anderen Vereine sind mehr oder weniger pleite. Die Situation in Italien sieht auch nicht viel anders aus. Mit China tut sich zwar ein neuer Markt auf, aber die brauchen Namen – deswegen geht da ein Drogba hin, aber für Spieler aus der zweiten oder dritten Reihe wird es immer schwieriger.

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Das Paradebeispiel für den schwierigen Markt ist Jose Manuel Jurado, den Sie gerne abgeben wollten, für den sich aber kein Verein findet.

Heldt: Zunächst einmal ist Jose ein Spieler mit enormer Qualität. Nachdem sein Wunsch, zurück in die Heimat zu gehen, nicht geklappt hat, haben wir ihm in aller Deutlichkeit gesagt, was wir von ihm erwarten. Und ich habe das Gefühl, dass es bei ihm klick gemacht hat – dass er eingesehen hat, dass seine Zukunft nicht in Spanien liegt, weil es die wirtschaftliche Situation der Vereine dort nicht hergibt, und dass er sich nun in Deutschland durchbeißen muss. Auf jeden Fall ist er lockerer geworden und zeigt in den Spielen eine viel bessere Präsenz. Vielleicht war der geplatzte Wechsel sogar eine glücklicher Fügung für uns, denn inzwischen haben wir die Hoffnung, dass er uns mit seinen Qualitäten doch noch glücklich machen kann.

Heldt fordert positive Arroganz

Was erwarten Sie von dieser Saison? Philipp Lahm hat Schalke gerade in den Kreis der Mitfavoriten in der Bundesliga erhoben…

Heldt (lacht): Philipp hat ja auch Ahnung vom Fußball…

Heißt das, dass Sie um den Titel mitspielen wollen?

Heldt: Wir wollen uns da behaupten, wo wir in der vergangenen Saison waren, als wir mit einer jungen Mannschaft völlig verdient Dritter geworden sind. Aber manchmal habe ich bei unseren Spielern auf dem Platz ein Stück positive Arroganz vermisst. Dieses Auftreten, dem Gegner einmal zu zeigen: „Was wollt ihr eigentlich – wir sind Schalke!“ Ich erinnere an das Spiel der vergangenen Saison bei einem damals noch verunsicherten Tabellenletzten SC Freiburg. Natürlich ist das ein schmaler Grat zwischen positiver Arroganz und Überheblichkeit, dahin darf das nicht umschlagen. Genauso muss man auch manchmal demütig sein, aber nicht ängstlich. Wenn man hier die richtige Balance findet – dann ist schon vieles gewonnen.