Gelsenkirchen. Schalkes Sportvorstand Peter Knäbel hat die Scouting-Abteilung in 15 Monaten umgebaut. Mit dem Konzept grenzt er sich von seinen Vorgängern ab.
Deftige Sätze fielen bei der Mitgliederversammlung des Bundesliga-Aufsteigers Schalke 04 am Sonntag selten. Ausgerechnet Sportvorstand Peter Knäbel, der stets mit viel Bedacht formuliert und selten aus dem Bauch heraus, sagte dann: „Der Scouting-Bereich war eine Ruine, als ich ihn übernommen habe. Jetzt ist er ein Haus.“
Seit knapp 15 Monaten ist Knäbel im Amt, diese Zeit hat er zum Beispiel genutzt, um das Scouting komplett umzubauen. Der gebürtige Wittener ist keiner für die Öffentlichkeit – Interviews gibt er selten, Zu- und Abgänge verkündet Sportdirektor Rouven Schröder. Knäbel arbeitet lieber im Hintergrund. Strukturen umkrempeln, Konzepte erstellen, Projekte planen, das ist sein Ding. Und so ging er auch den Umbau der Scouting-Abteilung an.
Schalke mit Flop-Transfers unter Heidel
Auf diese Idee waren auch Knäbels Vorgänger Christian Heidel und Jochen Schneider gekommen, nachdem sie die Verantwortung übernommen hatten. Heidel stellte Sportstudenten ein, die 27 große Fußball-Ligen per Video beobachteten. Er sagte 2017 stolz über das Team von Chefscout Fabio Casalnuovo: „In jedem Land gibt es eine Schalker Schattenmannschaft.“ Besonders erfolgreich war das Team nicht – Transfers wie die von Rabbi Matondo (10 Millionen Euro Ablöse) und Hamza Mendyl (7 Millionen Euro) floppten. Ein Manko: Wer nur per TV und Video beobachtet, lernt die Spieler nicht kennen.
Schneider kam im März 2019, das Scouting rückte auf seiner Agenda unter die Top-Themen. Er stellte Michael Reschke ein, „Europas besten Kaderplaner“, wie er sagte. Adrian Babic wurde zwar neuer Chefscout – aber am wichtigsten waren die Nummern in Reschkes Telefonbuch, der ein umfangreiches Netzwerk hat. Schneider und Reschke funkten schnell nicht mehr auf einer Wellenlänge, schon im November 2020 wurde Reschke freigestellt. Auch für Babic kam das Aus.
Drei S04-Chefscouts in vier Jahren
„Aufgrund der zahlreichen Wechsel in der Vergangenheit war das, was wir vorgefunden haben, ein Sammelsurium von Themen. Ich würde das Wort Ruine deshalb nicht als Angriff auf meine Vorgänger bezeichnen wollen“, erklärte Knäbel. Er plante ein Konzept, das nicht nur die Profis, sondern auch die Knappenschmiede mit einbezog – dort hatte er zuvor gearbeitet.
Knäbels erste Idee: Er holte Rouven Schröder und dessen langjährigen Vertrauen André Hechelmann. Beide arbeiteten zuvor für Mainz 05. Hechelmann wurde der dritte Chefscout in vier Jahren, er bekam aber keine Eingewöhnungszeit. „Er musste aufnehmen, was in den vergangenen Jahren passiert ist, wer verpflichtet, wer abgegeben worden ist, was das für finanzielle Folgen nach sich zieht“, sagte Knäbel.
Schalkes Kaderwert soll steigen
Ein gutes Auge und ein großes Netzwerk sind nach wie vor wichtig – aber auch ausreichend Personal und Präsenz vor Ort. Hechelmann bekam vier Video- und acht Live-Scouts. „In den Stadien in Europa haben wir wieder die Präsenz, die ein Verein wie Schalke haben muss“, sagte Knäbel. Spieler wie Thomas Ouwejan (kam 2021 von Udine) und Ko Itakura (Manchester City) waren in Deutschland unbekannt – Hechelmann kannte sie.
Knäbel formulierte als Ziel Kaderwert-Entwicklung: „Wenn unsere Spieler besser werden, sind sie mehr wert. Dadurch erhöht sich automatisch der Wert des gesamten Kaders.“ Sportlicher Erfolg und Transfer-Einnahmen sind die Folge.
Knäbel: „Zentraler Baustein ist die Datenanalyse“
Eine Abgrenzung von der Zeit, als Schalke meist gestandene, teure Profis kaufte und mit Beratern paktierte. „Die Kaderwert-Entwicklung ist leichter zu beeinflussen als das Spiel-Ergebnis. Zentraler Baustein ist die Datenanalyse. Ich würde sagen, wir gehören da zu den innovativsten im Land“, sagte Knäbel. Besondere Beachtung schenke Schalke Daten zu Werten, die „wir für uns eingeordnet haben: für Mut, für Spielfreude, für Dynamik, für Körperlichkeit, für Siegeswillen“.
Die schon eingeführte Daten-Software setzt Schalke auch für die Bewertung von Spielen ein. Knäbel: „Eine gewonnene Partie darf nicht unsere Entscheidung beeinflussen, ob ein Schalker Spiel gut war oder nicht. Nur wenn die Werte auf Top-Niveau sind, ist ein Schalker Spiel für uns ein gutes.“ Enger verzahnt mit den Profis hat er die Knappenschmiede-Abteilung Scouting/Sichtung: „Wir haben jemanden gefunden, der sich um das Top-Talente-Scouting kümmert.“ Damit internationale Top-Jugendspieler nicht stets die Konkurrenz vorziehen.
Schalke ist erfolgreich in Nischen unterwegs
Außerdem sucht sich Schalke Nischen – zum Beispiel Drittliga- oder Regionalligaspieler, die kein Nachwuchsleistungszentrum durchlaufen haben. So wurden Blendi Idrizi (Fortuna Köln), Florian Flick (Waldhof Mannheim) und Henning Matriciani (SV Lippstadt) entdeckt. Alle sind heute Profis. „Auch in den Spielern aus diesen Vereinen kann enorm viel Potenzial stecken“, sagte Knäbel. Schalke engagierte für diesen Bereich zwei Scouts. Idrizi ist inzwischen Nationalspieler des Kosovo, Flick feierte sein U21-Debüt.
Knäbels Fazit: „Ich würde mich auf gar keinen Fall hinstellen und sagen: Wir sind um Quantensprünge besser geworden. Aber wir haben Tempo in die Sache bekommen.“ Funktioniert das neue Scouting? Erste Ziele sind klar: Klassenerhalt und Wertsteigerung des Kaders.