Essen/Chicago. Was für ein Jahr für Eishockey-Nationalspieler Dominik Kahun: Erst wurde er mit Olympia-Silber dekoriert, dann setzte er sich in der NHL durch.

In der windigen Stadt am riesengroßen Michigan-See gehört die Straßenbahn zu den Sehenswürdigkeiten. Eine der acht silber-metallic schimmernden Wagon-Linien Chicagos umrundet auf Schienen in acht Metern Höhe die City, kurz Loop genannt. Dominik Kahun ist mit der Bahn, die schon zur Zeit des legendären Gangsters Al Capone in den 1920er- und 30er-Jahren unterwegs war, durch die Häuserschluchten gerattert. „Das ist cool“, versichert der 23-jährige deutsche Eishockey-Nationalspieler im Gespräch mit dieser Redaktion. Es gibt allerdings nicht allzu viele Dinge, die für Kahun, einen der deutschen Olympia-Silberhelden von Pyeongchang, im Moment nicht cool wären.

Nur einer kam durch

Einsätze in der ersten Angriffsreihe der Chicago Blackhawks (benannt nach dem Indianerhäuptling Schwarzer Falke) in der National Hockey League (NHL) toppen selbst die Loop-Hochbahn. Da wird die windige, im Winter kalte, graue Großstadt automatisch zu einem strahlenden, aufregenden Pflaster. Seit September ist der pfeilschnelle Angreifer als einer von vier neuen deutschen Spielern in der besten Eishockey-Liga der Welt unterwegs. Im Gegensatz zum früheren Nürnberger Yasin Ehliz (löste seinen Vertrag in Calgary nach nur drei Monaten auf), zum Düsseldorfer Maximilian Kammerer (Washington, spielt aber im Farmteam) und zum ehemaligen Iserlohner Brooks Macek (Las Vegas, spielt ebenfalls im Farmteam) ist der Ex-Spieler von Meister EHC München in der NHL angekommen. Er spielt. Bis jetzt. Immer. Reihe eins. Höher geht es für einen Frischling kaum.

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Das ist selbst Bastian Schwein­steiger nicht entgangen. Der Fußball-Weltmeister von 2014, der in der Major League Soccer für Chicago Fire aufläuft, hat sich schon bei Dominik Kahun in der Umkleide blicken lassen. „Wenn Basti zur neuen Fußballsaison wieder hier ist, werden wir uns natürlich treffen. Das ist schon verabredet“, versichert Kahun. Münchener halten schließlich zusammen. Egal wo.

In Chicago wird kaum jemand Notiz vom deutschen Profi-Duo beim gemeinsamen Pizza-Mahl nehmen. Eishockey und Fußball stehen in Chicago nur punktuell im Blickpunkt. Bei Play-offs oder Finalspielen etwa. Das Football-Team der Bears in der NFL, die Basketballer der Bulls in der NBA, mit denen sich die Eishockeycracks das United Center als Spielstätte teilen, und auch die Baseball-Teams Cubs und White Sox lenken je nach Saisonzeit die mediale Aufmerksamkeit weit weg von Schweinsteiger und von Kahun.

Das große Vorbild: Jaromir Jagr

Ein Nachteil ist das nicht für den gebürtigen Tschechen, der im Alter von fünf Jahren nach der Scheidung seiner Eltern ins bayerische Weiden übersiedelte. „Ich lebe in Chicago meinen Traum“, sagt der Außenangreifer, „und das ist mehr als nur ein Spruch.“ In jungen Jahren, bevor Kahun mit 13 zu den Jungadlern nach Mannheim wechselte, hing ein Poster von Jaromir Jagr in seinem Kinderzimmer. Jagr verkörpert mit seinen 1941 NHL-Spielen den tschechischen Eishockey-Star schlechthin. „Als ich ein Junge war, wollte jeder Jagr sein“, sagt Dominik Kahun.

„Je älter ich wurde, desto klarer habe ich aber gesehen, dass ich ein ganz anderer Spieler werden würde als Jagr“, betont er. Der Außenstürmer ist mit 79 Kilogramm verteilt auf 1,78 Meter Körpergröße das Gegenteil des Olympiasiegers und Weltmeisters. Der kommt mit 1,91 Meter und 104 Kilogramm eher als Angriffsbulldozer daher. Die Chicago Blackhawks haben den leichtfüßigen, eleganten Kahun wegen seiner Schnelligkeit und seiner Technik verpflichtet.

Beides brachte den Deutsch-Tschechen durch die Auslese des Sommercamps, bei dem sich 30, 40 Talente um einen Kaderplatz bei den Blackhawks gebalgt hatten. „Niemand nimmt Rücksicht. Egal, ob auf oder neben dem Eis. Darauf muss man sich einstellen. Es macht einen natürlich mental stärker, wenn man das Camp schafft“, versichert Kahun.

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Sein Fokus liegt voll auf Eishockey, auf seiner Position in der ersten Reihe als Außenspieler. Neben Kapitän Jonathan Toews, einem dreimaligen Stanley-Cup-Gewinner. Bis zum höchsten Ruhm in der NHL ist der Weg allerdings weit. „Wir sind ein junges Team und brauchen Zeit“, betont Kahun mit Blick auf die Tabelle. Chicago läuft einem der 16 Play-off-Plätze derzeit weit hinterher.

Treffen mit Ex-Bundestrainer Sturm

Da hat Kahun etwas mit seinem ehemaligen Bundestrainer gemeinsam. Marco Sturm, seit Mitte November Co-Trainer der Los Angeles Kings, sieht eine mögliche Play-off-Teilnahme auch nur aus der Ferne. Das verbindet. Am Morgen vor dem Duell zwischen Chicago und LA neulich trafen sich Trainer und Leistungsträger. Zur gemeinsamen Straßenbahn-Runde reichte es nicht. Dafür zu einem kurzen Kaffee unter Freunden, die ihre Riesenchance in der besten Eishockeyliga der Welt nutzen.