Herning. Das enttäuschende Abschneiden Deutschlands bei der Eishockey-WM in Herning war eines mit Ansage. Zu sehr musste Bundestrainer Marco Sturm nach einer Flut von Absagen improvisieren. Und dennoch: Zum Verjüngungsprozess gibt es keine Alternative. Ein Kommentar.
Nimmt man es faktisch, dann steuert Deutschland bei der Eishockey-WM in Herning auf die schwächste Bilanz zu, seit der Internationale Eishockey-Verband IIHF die alljährliche Weltmeisterschaft in zwei Achter-Gruppen austragen lässt, also seit 2012.
Die Minusbilanz stammt bisher aus dem Mai 2014, als es in Minsk/Weißrussland ebenfalls nur fünf Pluspunkte zu verbuchen gab. Damals besiegte die DEB-Auswahl den Absteiger Kasachstan im Penaltyentscheid mit 2:1 und kam gegen Lettland zu einem 3:2.
In diesem Jahr reicht es nur zu einem Sieg. Über Südkorea. Jenen Außenseiter, der gegen die USA ein 1:13 und gegen Kanada ein 0:10 einstecken musste. Selten in den vergangenen Jahren war ein A-WM-Aufsteiger so chancenlos.
Die WM ist nach dem olympischen Sensations-Silber keine Blamage
Was das über Deutschland aussagt? Die WM ist nach dem olympischen Sensations-Silber keine Blamage. Das Minimalziel Klassenerhalt glückte. Dennoch muss man von einer Enttäuschung sprechen, wenn der Weltranglistensiebte gegen Dänemark, Norwegen und Lettland den Kürzeren zieht.
Es lag nicht nur am Scheibenglück, nicht nur an acht versiebten Penaltys in zwei Spielen, nicht nur an einer Strafenflut im Mitteldrittel gegen die USA. Dem neuen, verjüngten Team von Bundestrainer Marco Sturm mit gleich sieben Spielern aus den Jahrgängen 1995 und 1996 fehlte es an Zielstrebigkeit vor dem gegnerischen Tor, an Cleverness in der Rückwärtsbewegung, auch an der nötigen Energie.
Die lange Saison steckte einigen Akteuren mehr in den Knochen als gedacht. Die kaum eingespielte Mannschaft stand nach dem 2:3 gegen Dänemark umgehend unter Druck, konnte sich davon selbst gegen Südkorea ein Drittel lang kaum befreien.
Und dennoch gibt es bei Verbandspräsident Franz Reindl und Bundestrainer Marco Sturm keinen Gram. Weil die Alternative fehlt. Der Verjüngungsprozess nach zahlreichen Rücktritten und Absagen muss sein, um auch in den nächsten sechs, acht Jahren wettbewerbsfähig zu bleiben.
Eishockey-Talente hat Deutschland. Sie müssen Herausforderungen annehmen und Erfahrung sammeln. Wie nun in Dänemark.
Die nach-olympische Eishockey-Euphorie ebbt ab
Die nach-olympische Eishockey-Euphorie ebbt natürlich ab. Was schade ist. Aber vorhersehbar. Bundestrainer Sturm wirft zurecht ein, dass nur ein Halbfinale oder Endspiel den Boom befeuert hätte. Das war unter schwierigen Bedingungen mit zahlreichen Absagen, vielen neuen, wenig erfahrenen Cracks nicht drin.