Düsseldorf. . Dem Center reicht die überraschende Playoff-Teilnahme nicht. Jetzt will der Eishockey-Crack in der DEL auch den Titel mit der DEG holen.
Am Anfang stand ein Wort. Oktoberfest. „Das war alles, was ich über Deutschland wusste“, sagt Travis Turnbull. Nun ist mit dem Oktoberfest in Düsseldorf wenig Staat zu machen, deshalb hat sich der Wortschatz des 28-jährigen Amerikaners um alles erweitert, was man als Eishockeyspieler in Düsseldorf so braucht: Karneval, zum Beispiel. Die Fans der Düsseldorfer EG haben für ihren Liebling längst eine eigene Gesellschaft gegründet, die „KG Turnbull 71“. Man ahnt es: Turnbull schießt seine Tore mit der Nummer 71 auf dem Rücken. Und dann ist da noch ein Wort, dass der Düsseldorfer Torjäger drauf hat: Meisterschaft.
Meisterschaft?
Ja spinnt denn der?
Zwei Jahre lang krebste die Düsseldorfer EG als Letzter durch die Deutsche Eishockey Liga. Kanonenfutter. Nun ist sie in der Hauptrunde urplötzlich Fünfter geworden, steht endlich wieder in den Playoffs und tritt an diesem Mittwoch zum ersten von maximal sieben Viertelfinal-Spielen gegen die Hamburg Freezers an. So weit, so gut. Aber Meisterschaft?
Das Schöne daran ist: Travis Turnbull weiß ja, wie’s geht. Das mit der Meisterschaft.
Junge Profis aus den USA und Kanada gibt es in der DEL fast so viele wie Maschen im Tornetz. Sie kommen, sie gehen. Die meisten hinterlassen wenig, jedenfalls keinen bleibenden Eindruck. Anders Turnbull.
Turnbull ist Publikumsliebling bei der DEG
Vor drei Jahren kam der Center aus Buffalo nach Düsseldorf. Turnbull war 25 und er traf auf eine DEG, die am Boden lag und für die jeder Spieltag ein Existenzkampf war. Weniger auf dem Eis, das Team war nur selten konkurrenzfähig. Aber wirtschaftlich hing alles an einem Sponsor mehr oder weniger, Düsseldorf hangelte sich von Monat zu Monat. Existenzangst: ein treuer Begleiter.
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„Keine leichte Zeit“, erinnert sich Turnbull. Und damit doch eine Zeit wie für ihn gemacht: Turnbull ist einer, der voran geht, der anführt. In seinem ersten Jahr in Düsseldorf schoss er für das schlechteste Team der Liga zwölf Treffer, gab 34 Vorlagen. Das weckte Begehrlichkeiten. Düsseldorfs Publikumsliebling wechselte zum ERC Ingolstadt, und das ein bisschen notgedrungen. „Ich wollte nicht weg“, sagt Turnbull heute, „aber damals wusste niemand, ob die DEG überhaupt noch mal eine Lizenz bekommen würde.“
Turnbulls Frau erwartet Nachwuchs
Sie bekam. Aber während der Verein weiter im Keller herumkrebste, wurde Turnbull mit Ingolstadt überraschend Deutscher Meister. Ein Playoff-Lauf wie ein Rausch: Als Außenseiter gestartet, am Ende in einem dramatischen Finale gegen Köln im siebten Spiel Deutscher Meister. Was damals kaum einer wusste: Turnbull hatte längst seine Rückkehr nach Düsseldorf eingefädelt. „Ingolstadt war keine schlechte Zeit“, sagt er heute, und das klingt angesichts des Titels wie die Untertreibung des Jahres. „Aber Ingolstadt ist nicht Düsseldorf. I’m crazy about it.“ Crazy, verrückt nach Düsseldorf.
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Mit seiner Frau Kasey lebt er in Kaiserswerth, und seine Rückkehr hat er keine Sekunde lang bereut. Seine Frau erwartet Nachwuchs, es wird eine Tochter, die Fortsetzung der Familientradition Eishockey – Turnbulls Vater galt als einer der härtesten NHL-Spieler – wird noch etwas warten müssen. Auf dem Eis ist Publikumsliebling Turnbull der Anführer und Torjäger, den die DEG haben wollte. Das Team sprang in der regulären Saison vom letzten Platz auf Rang fünf, es trifft jetzt in den Playoffs auf die Hamburg Freezers. „Von außen mag unsere Entwicklung überraschen“, sagt Turnbull, „ich wusste es vorher.“ Das Team, sagt er, sei sinnvoll verstärkt worden, und Trainer Christof Kreutzer ist einer nach Turnbulls Geschmack: „Sehr emotional. Besessen davon, hier etwas zu erreichen. Nicht irgendwo, sondern hier in Düsseldorf.“
Der letzte Schritt
Was die DEG jetzt braucht? „Großes Herz und klaren Kopf“, sagt Turnbull, „in den Playoffs ist alles Kopfsache. Der Kopf entscheidet, ob du am Ende den letzten Schritt machst oder nicht.“ Diesen letzten Schritt will er. Den Titel. Turnbull, der Anführer. Turnbull, der Bulle.
Dafür haben sie ihn geholt. Weg vom Oktoberfest. Zurück zum Karneval.