Mönchengladbach. In der aktuellen Saison läuft Gladbach den Erwartungen weit hinterher. Bei der Borussia gibt es Verlierer – aber auch Gewinner. Eine Bilanz.

Max Eberl sehnt sich nach dem Jahreswechsel. „Ich kann auf jeden Fall feststellen, dass ich froh bin, wenn bald Silvester ist und 2021 dann endlich vorbei ist.“, sagt der Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach. Der 48-Jährige erlebte mit dem Fußball-Bundesligisten ein turbulentes, mit vielen Enttäuschungen verbundenes Jahr. Der Abgang von Trainer Marco Rose zu Borussia Dortmund, das Verpassen eines internationalen Wettbewerbs, der Absturz zum Ende der Hinrunde – die Gladbacher werden sich nur ungerne an 2021 zurückerinnern. Dennoch gab es auch Lichtblicke, wie unsere Bilanz zeigt.

Gladbach-Coach Adi Hütter (links) ist fassungslos. Max Eberl (3. von links) guckt, als hätte er ein Gespenst gesehen.
Gladbach-Coach Adi Hütter (links) ist fassungslos. Max Eberl (3. von links) guckt, als hätte er ein Gespenst gesehen. © firo | Unbekannt

Gewinner der Hinrunde

Joe Scally wurde unerwartet in der Abwehr zum Dauerbrenner. Der 18-jährige US-Amerikaner bestritt alle 17. Liga-Spiele und die beiden Pokal-Partien in der Startelf. Eberl hatte den Rechtsverteidiger vom FC New York City bereits im November 2019 verpflichtet, Gladbach-Profi wurde Scally aber erst am 1. Januar 2021. Zunächst sammelte er in der Regionalliga-Mannschaft Spielpraxis, ein überzeugendes Bundesliga-Debüt feierte er im August beim Eröffnungsspiel gegen den FC Bayern München (1:1). Scally wurde auch aufgrund der Verletzung von Stefan Lainer (28) in der Hinrunde zur Stammkraft. Das Gladbach-Talent überzeugte in vielen Partien mit einer erfrischenden Spielweise. Scally agierte mutig, zweikampfstark und mit viel Übersicht. Er ist ein Spieler, dem bei der Borussia schon jetzt die Zukunft gehört.

Im defensiven Gladbacher Mittelfeld gesetzt: Manu Koné.
Im defensiven Gladbacher Mittelfeld gesetzt: Manu Koné. © AFP | Unbekannt

Das gilt auch für Manu Koné, für den Gladbach eine Ablösesumme von 9 Millionen Euro an den französischen Zweitligisten FC Toulouse überwiesen hatte. Der 20-Jährige hatte zunächst großes Pech: Er verletzte sich in seiner ersten Trainingswoche bei der Borussia. Am 25. September gab er aber beim Spiel gegen Borussia Dortmund sein Bundesliga-Debüt in der Startelf. Der Franzose ist im zentralen defensiven Mittelfeld seitdem gesetzt. Wie Scally ist auch Koné ungeachtet der aktuell bedrohlichen Lage, in der sich Gladbach als Tabellen-14. befindet, ein Gewinner der Hinrunde.

Verlierer der Hinrunde

Die Karriere des Florian Neuhaus kannte lange Zeit nur eine Richtung: nach oben. Unter Marco Rose zählte er noch zu den großen Gewinnern. Der Trainer hatte ihn vor einer eher offensiv ausgerichteten Position im Mittelfeld etwas weiter nach hinten beordert. Dort konnte Neuhaus seine Kreativität und Passstärke besser ausspielen. Er wurde Nationalspieler, machte einen großen Leistungssprung, wurde mit etlichen anderen Klubs in Verbindung gebracht. Unter Roses Nachfolger Adi Hütter jedoch änderte sich die Situation für den 24-Jährigen. Der österreichische Trainer bildete im September zur Partie gegen den BVB eine neue Mittelfeldachse mit Manu Koné, Denis Zakaria und Jonas Hofmann. Neuhaus fand sich plötzlich auf der Bank wieder. Er wurde zum Reservisten, beklagte im November fehlenden Rückhalt im Verein. Hütter berichtete später von einem „guten und fruchtbaren Gespräch“ mit Neuhaus, dessen Karriere dennoch erstmals einen Knick erfahren hat.

Auch Adi Hütter hatte sich das vergangene halbe Jahr anders vorstellt. Drei Jahre lang hatte er erfolgreich als Trainer bei Eintracht Frankfurt gearbeitet, Gladbach zahlte für ihn eine Ablösesumme von 7,5 Millionen Euro an den Liga-Konkurrenten. Die Borussia blieb unter dem 51-Jährigen bislang allerdings weit hinter den eigenen Ansprüchen zurück. Der Mannschaft fehlt die Konstanz, spielerische Fortschritte sind nicht zu erkennen. Der Offensivfußball, den Frankfurt unter Hütters Regie gespielt hatte, war in Gladbach bislang nur ganz selten zu sehen.  

Höhepunkt des Jahres

27. Oktober im Borussia-Park: Gladbach-Stürmer Breel Embolo feiert seinen Treffer bei der 5:0-Gala gegen den FC Bayern im DFB-Pokal.
27. Oktober im Borussia-Park: Gladbach-Stürmer Breel Embolo feiert seinen Treffer bei der 5:0-Gala gegen den FC Bayern im DFB-Pokal. © Getty Images | Unbekannt

48.500 Zuschauer im Borussia-Park sahen am 27. Oktober ein denkwürdiges Pokalspiel. Gladbach fegte in der zweiten Runde über den FC Bayern hinweg. Der 5:0-Sieg gegen den Serienmeister und Rekord-Pokalsieger war ein fast schon unwirklich anmutendes Spektakel, die Münchener kassierten die höchste Niederlage ihrer Pokal-Historie. „Wir genießen das sehr, aber das ist jetzt auch ein Maßstab. Wir haben gesehen, was unsere Mannschaft imstande ist zu leisten“, sagte Eberl nach der Partie. Und Stürmer Breel Embolo betonte: „Wir haben eine Riesen-Qualität, das müssen wir bestätigen.“

Tiefpunkt des Jahres

Am 5. Dezember ging Gladbach dann auf denkwürdige Weise im eigenen Stadion unter: Beim 0:6-Debakel gegen den SC Freiburg fielen alle Tore in der ersten Halbzeit. Die Borussen legten eine Woche nach dem 1:4 im rheinischen Derby beim 1. FC Köln einen desaströsen Auftritt hin, die vollkommen indisponierte Defensive kassierte vier Treffer nach Standardsituationen. Das Spiel sei „ein echter Einschnitt gewesen“, sagte Eberl wenige Tage später. Es war der sportliche Tiefpunkt des Jahres. Anschließend verlor Gladbach auch bei RB Leipzig (1:4), gegen Eintracht Frankfurt (2:3) und verbuchte einen schmeichelhaften Punkt bei der TSG Hoffenheim (1:1). Nur drei Zähler trennen Gladbach nach der Hinrunde von einem direkten Abstiegsplatz. Die Borussia ist in Not geraten.