Mönchengladbach. Auch einen Tag nach dem sensationellen 5:0-Sieg der Gladbacher über den FC Bayern fühlt es sich für viele Fohlen noch an wie ein Traum.
Der Tross des FC Bayern konnte dem Ort der Schmach nicht so schnell entkommen. Noch um Mitternacht staute sich der Verkehr rund um den Borussia-Park, die beiden roten Münchener Teambusse quälten sich im Schneckentempo vom Stadiongelände auf die Hauptstraße. Es herrschte Ausnahmezustand in Mönchengladbach nach diesem geschichtsträchtigen Spiel, das den Rekordmeister in seinen Grundfesten erschütterte, ihn in eine regelrechte Schockstarre versetzte. Der 0:5-Untergang war die höchste Niederlage in der Pokal-Historie der Bayern.
Als Ausrutscher lässt sich diese Pleite – auch wenn die Münchener dies vermutlich gerne so hätten – nicht so schnell abhaken. „Wir müssen in den nächsten ein, zwei Tagen sicher mit Häme und Spott leben“, sagte der Münchener Ersatztrainer Dino Toppmöller. Ein vergleichbares Desaster hatte der Klub zuletzt vor 43 Jahren in der Bundesliga beim 1:7 gegen Fortuna Düsseldorf hinnehmen müssen. Nationalspieler Thomas Müller war konsterniert: „So ein kollektives Versagen in so einem wichtigen Spiel habe ich noch nicht erlebt.“ Seine Mannschaft sei „in der ersten Halbzeit von A bis Z zerpflückt worden“. Mit düsterer Miene fügt er an: „Wir müssen uns bei unseren Fans entschuldigen.“
Gladbacher twittern: "Nein, das war kein Traum"
Auch interessant
Für die Bayern-Anhänger unter den 48.500 Zuschauern im Stadion muss dieses Zweitrunden-Duell eine Qual gewesen sein. Zumal die Münchener nach zuvor drei Pflichtspiel-Siegen in Serie mit insgesamt 13 erzielten Toren schon wieder den Eindruck erweckt hatten, unbezwingbar zu sein. Trainer Julian Nagelsmann, der sich nach einer Corona-Infektion noch in häuslicher Isolation befindet, konnte das Debakel diesmal von seiner Kommandostation in der Küche nicht abwenden. Gladbach zerlegte die desolaten Bayern mit einer wahren Demonstration an attraktivem Offensivfußball: spielerisch eindrucksvoll, überaus ideenreich, mit großer Wucht vorgetragen. Am Donnerstagmorgen schrieb die Borussia auf Twitter: „Nein, das war kein Traum.“ Darunter war ein Foto der Anzeigetafel zu sehen: „5:0“. Rund 100 Gladbacher Fans bejubelten die Mannschaft am Tag nach dem Triumph beim Training.
Erstmals hatten die Gladbacher ein Pokalspiel gegen die Bayern gewonnen. Die wie entfesselt aufspielenden Borussen verpassten den Gästen einen Nackenschlag nach dem anderen. „Ich kann mich nicht erinnern, so etwas Gutes von einer eigenen Mannschaft schon einmal gesehen zu haben“, lobte Trainer Adi Hütter: „Wie wir die Tore rausgespielt haben, das war absolute Weltklasse.“ Durch die Treffer von Manu Koné (2. Minute), Ramy Bensebaini (15./21., Foulelfmeter) und Breel Embolo (51./57.) siegten die Borussen, die vier Tage zuvor noch in der Liga mit 0:1 bei Hertha BSC verloren hatten, auch in der Höhe verdient und zogen mit einem Torrausch ins Achtelfinale ein.
Der Branchen-Primus aus München, der auch in der Vorsaison bereits in der zweiten Pokalrunde bei Holstein Kiel nach Elfmeterschießen ausgeschieden war, erlebte derweil ein Debakel, das seinesgleichen sucht. Bei dem ganz schwachen Auftritt der Münchener erwies sich der sonst zuvor meist so stark verteidigende Dayot Upamecano als Totalausfall. An drei Gegentoren trug er eine Mitschuld. Auch sein Partner in der Innenverteidigung, Lucas Hernández, schien von der Rolle. Dabei hatte der französische Weltmeister vor dem Spiel noch aufatmen dürfen. Der 25-Jährige muss nicht ins Gefängnis, die spanische Justiz gab einer Berufungsklage statt. Die sechsmonatige Haftstrafe wegen häuslicher Gewalt war schon 2019 von einem Strafgericht in Madrid verhängt worden.
Gladbach will "Selbstvertrauen mitnehmen"
Toppmöller sagte mit Blick auf die Leistungen von Upamecano und Hernández: „Sie können deutlich besser Fußball spielen. Wir sollten aber nicht über einzelne Spieler sprechen.“ Eine heftige Debatte gab es zuletzt auch um den nicht gegen das Coronavirus geimpften Joshua Kimmich. Dieses Thema mochte Hasan Salihamidzic aber „nicht damit verbinden, dass wir nicht in die Zweikämpfe gehen und umschalten“, sagte der Bayern-Sportdirektor: „Das hat damit nichts zu tun.“
Auch interessant
Um einer drohenden sportlichen Krise entgegenzuwirken, wollen die Bayern bei Union Berlin am Samstag (15.30 Uhr/Sky) wieder in die Spur finden. Toppmöller forderte: „Wir müssen uns schütteln, wollen eine Reaktion zeigen, und die wird mit Sicherheit auch kommen“. Die Gladbacher empfangen am Sonntag (17.30 Uhr/DAZN) den VfL Bochum. „Wir müssen das Selbstvertrauen mitnehmen und auch gegen vermeintlich schwächere Teams diese Konsequenz vor dem Tor zeigen“, sagte Embolo. Kapitän Lars Stindl blickte gestern schon voller Vorfreude auf die Achtelfinal-Auslosung am Sonntagabend: „Wir wollen unabhängig vom Gegner mal so weit kommen wie möglich und vielleicht was Besonderes schaffen.“ Die Gala gegen den FC Bayern könnte Borussia Mönchengladbach weit tragen.