Altach/Bad Ragaz. Der BVB hat Raphael Guerreiro für 12 Millionen Euro verpflichtet. Ein Schnäppchen. Jetzt will der Europameister von Marcel Schmelzer lernen.

Der Applaus schwoll an im Stadion des österreichischen Bundesligisten SCR Altach, das den üblichen Gepflogenheiten im Fußball folgend nach einem Glücksspielunternehmen benannt ist. Eine gute Stunde war gespielt im Test zwischen Borussia Dortmund und dem Premier-League-Klub AFC Sunderland, da schickten sich die Weltmeister Mario Götze und André Schürrle an, den Platz zu betreten – jene Spieler, für die der BVB im Sommer zusammen über 50 Millionen Euro ausgegeben hat.

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Da ging fast unter, das im gleichen Zuge auch ein frischgebackener Europameister eingewechselt wurde: Raphael Adelino Jose Guerreiro, Linksverteidiger der portugiesischen Nationalmannschaft, der sich zur Überraschung aller Beobachter nicht auf dem linken Flügel, sondern deutlich zentraler im Mittelfeld einsortierte.

„Das war auch für mich eine Überraschung“, sagte der 22-Jährige, nachdem die Partie mit 1:1 zu Ende gegangen war. „Ich hoffe, ich habe es ordentlich gemacht.“ Thomas Tuchel wollte erst die Videoaufzeichnungen der Partie ansehen, bevor er sich festlegte – erklärte aber, was er sich bei dieser Einwechslung gedacht hatte. „Er ist ein sehr spielstarker Spieler, einer, der es liebt, viele Balkontakte zu haben“, sagte der BVB-Trainer. „Deswegen haben wir das heute mal ausprobiert.“

In der Mannschaft des EM-Turniers

Dass er im sich im Zentrum zurechtfindet, hatte Guerreiro schon während der Europameisterschaft bewiesen. Statt nur die linke Seite entlang zu wetzen, zog er immer wieder ins Zentrum, bot sich als Kombinationsspieler an und war mit seinen gut abgestimmten Bewegungen immer wieder ein belebendes Element der portugiesischen Offensive – und so überzeugend, dass die Uefa ihn in die Mannschaft des Turniers wählte.

Diese taktische Intelligenz, dazu Guerreiros technische Fähigkeiten und seine Vielseitigkeit bewogen den BVB, ihn für rund zwölf Millionen Euro beim FC Lorient auszulösen. Eine Summe, die heutzutage fast als Schnäppchen gelten muss und nur deshalb möglich war, weil die Dortmunder den Portugiesen früh auf dem Zettel hatten und die Verpflichtung noch vor der EM abschließen konnten.

Guerreiro soll gleichermaßen Entlastung wie Alternative für Marcel Schmelzer sein, der seit Jahren konkurrenzlos die linke Seite beackert. Der neue Mann sieht sich erst einmal als Herausforderer: „Klar, ich komme als Europameister, aber das ist nichts im Vergleich, zu dem, was Marcel hier geleistet hat“, sagt Guerreiro. „ Marcel ist schon lange hier, hat viel Erfahrung, viele Spiele gemacht. Ich will von ihm lernen, viele Tipps bekommen, um dann der Mannschaft zu helfen.“

Erst einmal aber muss die Mannschaft ihm helfen: „Ich wurde sehr gut aufgenommen“, sagt der 22-Jährige. „Die anderen Spieler sprechen viel mit mir: Französisch, Englisch und ein bisschen Spanisch.“ Mit Portugiesisch brauchen sie es gar nicht erst versuchen, das spricht Guerreiro selber kaum: Zwar ist er selbst wie sein Vater Portugiese, aufgewachsen ist er aber im Heimatland seiner Mutter, in Frankreich. Hier wurde er auch fußballerisch ausgebildet, erst am berühmten Leistungszentrum in Clairefontaine, dann bei SM Caen und zuletzt beim FC Lorient.

Aubameyang ist ein wichtiger Ansprechpartner

Bei der EM halfen ihm die anderen Franco-Portugiesen im Team, Ersatztorwart Anthony Lopes und Mittelfeldspieler Adrien Silva. Beim BVB ist Pierre-Emerick Aubameyang ein wichtiger Ansprechpartner, im Trainingslager im Schweizer Kurort Bad Ragaz steht ihm zudem Ex-Profi Massimo Mariotti als Übersetzer zur Seite. Der aber soll bald überflüssig werden: „Ich bekomme Deutschunterricht und hoffe, das sehr schnell zu lernen“, sagt Guerreiro.

Aber dass es im Zweifel auch ohne allzu große Sprachkenntnisse geht, hat er bei der EM ja bereits bewiesen.