München. Klar, deutlich und verdient war der 3:0-Erfolg von Borussia Dortmund beim FC Bayern München. Und er kam nicht nur zustande, weil dem März-Meister im April ein paar Prozent fehlten. Vor allem der Matchplan von BVB-Trainer Jürgen Klopp stellte die Elf von Pep Guardiola vor unlösbare Probleme.

Am Ende gab sich Jürgen Klopp als Gentleman. Das unerwartet klare 3:0 seines BVB beim FC Bayern sei auch damit zu begründen, dass es nun mal "kein Kindergeburtstag" sei, als feststehender Meister in der Bundesliga um Punkte zu kämpfen - "besonders gegen einen Gegner wie uns, der sich viel vorgenommen hat", ergänzte Klopp.

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Von Bastian Angenendt (aufgezeichnet in der Mixed Zone)

Dortmunder Understatement. Aber nicht einmal die Hälfte der Wahrheit, die die Ursachen des Auswärtssiegs beim Über-Super-Triplesieger verrät. Dortmunds Erfolg hatte viele Gründe. Allerdings waren die wenigen Prozentpünktchen an Leistungseinbußen, die ein März-Meister im April mit auf den Rasen nimmt, beileibe nicht der gewichtigste.

Da war Henrikh Mkhitaryan, der sich, aus dem Kreativ-Zentrum auf die linke Außenbahn beordert, die miese Madrid-Laune schon in den ersten Minuten aus den Knochen spielte. Und sollte er nach 20 Minuten noch einen Schubs in Richtung Vollpower-Modus gebraucht haben, dann war ihm dabei ganz sicher sein Treffer zum 1:0 behilflich. Mit links cool eins lange Eck, an Manuel Neuer vorbei, und nicht etwa vor dem leeren Tor an den Pfosten. Ballkontakte, angekommene Pässe, Laufdistanz - in beinahe allen Statistiken gehörte Mkhitaryan am Ende zu den Besten beim BVB. "Nach dem Spiel gegen Real Madrid habe ich mich sehr über die vergebenen Chancen geärgert. Aber jetzt ist der Kopf wieder oben", sagte der Armenier nach der Partie in den Katakomben der Münchner Arena - sichtlich erleichtert.

Hinzu kam, dass auf der anderen Seite des Platzes ein Jonas Hofmann stand, dem das Laufen an der bayerischen Luft so viel Spaß machte, dass er im Duett mit Kevin Großkreutz den Münchner Tempodribbler Franck Ribery weitgehend aus dem Spiel nahm und nebenbei nicht gerade selten Luft hatte für Offensiv-Akzente. Sein kluger Einwurf in die Box leitete das 1:0 ein. Als er nach gut 62 Minuten vom Platz durfte, hatte kein anderer Akteur auf dem Rasen auch nur annähernd so viele Kilometer gemacht (9,03) wie Hofmann.

Hoppla - Lewandowski gibt's ja auch noch...

A propos Auswechslung von Hofmann: Der Mann, der ihn ersetzte, hört auf den Namen Robert Lewandowski und ist einer der besten Stürmer auf diesem Planeten. Und man war in dieser 63. Minute fast geneigt zu denken: "Hoppla, den gibt's ja auch noch." Schließlich hatten Marco Reus und Pierre-Emerick Aubameyang im Dortmunder Angriff ihre Sache so gut gemacht, dass es zu dieser Zeit schon 3:0 stand. Reus, weil er einfach so weitermachte wie in den letzten Wochen: trickreich, effektiv, beweglich, torgefährlich - Assist vor dem 1:0, Torschütze des 2:0 und ab auf den Top-Platz der Bundesliga-Scorerliste. Aubameyang rannte und rannte wie gewohnt. Aber diesmal hauptsächlich in den Räumen, in denen er auch anspielbar und befähigt war, sein irres Tempo gewinnbringend einzubringen. 1:0 eingeleitet, 2:0 direkt vorgelegt - ein Sahnetag (DerWesten-Note 1).

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 Das sehenswerte BVB-Bild komplettierten: eine über weite Strecken perfekt abgestimmte Defensive, ein griechischer Innenverteidiger, der ungeahnt gute 50-Meter-Pässe schlagen kann, wie es Sokratis bei seiner Torvorlage vor dem 3:0 machte, und auch das nötige Glück, dass Schiri Zwayer Mandzukic einmal zu Unrecht zurückpfiff. Was wäre, was hätte, wenn der Kroate nach gut zehn Minuten nicht die Abseits-Entscheidung hätte hinnehmen und einfach nur noch auf Roman Weidenfeller zulaufen müssen? Achtung, Floskel: Fußball ist halt kein Sport der Konjunktive.

Den Löwenanteil am Dortmunder Erfolg jedoch hatte wohl der Mann, der sich nach Abpfiff so Gentlemen-like in Understatement übte: Nach der geglückten Rochade zum 4-1-4-1 gegen Madrid offenbar in Experimentierlaune, bot Jürgen Klopp auf dem Papier zwar das gewohnte 4-2-3-1 auf, gönnte Bayern das Gros des Ballbesitzes, ließ Reus und Aubameyang aber über beinahe 70 Minuten so weit vorne pressen und Ballgewinne erzwingen, dass sich Martinez sich schon nach elf Minuten Gelb abholen musste und auf Münchner Seite generell kaum ein Aufbauspiel möglich war. Marco Reus: "Nur in der Art und Weise, wie wir es heute getan haben, kann man hier bestehen. Es war wichtig, dass wir früh attackiert haben, weit vorne die Ballgewinne hatten. Dann ist es nicht mehr so weit vor dem Tor, das war, glaube ich, heute der Schlüssel zum Erfolg."

Latenter Hang zum 4-4-2?

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Mkhitaryan und Hofmann flankierten Reus und Sahin im defensiven Mittelfeld-Zentrum. Waren die Bayern einmal etwas tiefer in die Dortmunder Hälfte vorgestoßen, sahen sie sich zwei kompakten und beweglichen Viererketten gegenüber. Ein 4-2-3-1 mit latentem Hang zum 4-4-2. Oder so ähnlich. Aber auf jeden Fall erfolgreich, weil das alles zusammen mit sichtbarem Einsatzwillen auf den Rasen kam. In Zahlen: Dortmund (113,26) lief als Mannschaft fast acht Kilometer mehr als München (105,81).

Die Königlichen besiegt, die Über-Bayern auch - "Diese Woche hat uns absolut nach vorne gebracht", meinte Marco Reus, wohl wissend, dass die Stimmungslage nur etwas mehr als eine Woche zuvor nach der gruseligen ersten Halbzeit gegen Wolfsburg noch eine gänzlich andere war. Allerdings soll aus dieser guten Woche noch eine perfekte entspringen. Das jüngste 3:0 sei nämlich auch deshalb "sehr wichtig" gewesen, urteilte BVB-Kapitän Sebastian Kehl, weil es einen Schub für den kommenden Dienstag gebe. Dann ist Pokal. "Und wir wollen unbedingt nach Berlin."