Hagen. . Nach der bitteren 70:83-Niederlage gegen Jena gab es ein Pfeifkonzert. Das Team von Phoenix Hagen ließ Erstliga-Tauglichkeit vermissen.

Der Stimmungswechsel vollzog sich innerhalb von wenigen Momenten. „Kämpfen, Hagen, kämpfen“, intonierten die Stehplatz-Fans von Basketball-Bundesligist Phoenix Hagen unermüdlich noch drei Minuten vor der Pausensirene, auch wenn ihr Team gegen Science City Jena mit 24:31 zurücklag. Sechs Punkte der Gäste später hieß es schon „Wir wollen euch kämpfen sehen“ - und nach sechs weiteren Zählern des Aufsteigers schlug die Laune endgültig um. „Wir haben die Schnauze voll“, schallte es vom „Heuboden“, mit einem gellenden Pfeifkonzert wurden die Gastgeber in die Kabinen geschickt. Pfiffe ertönten auch zwei Spielviertel später, den hohen Pausenrückstand hatte Phoenix beim 70:83 (24:43) nicht mehr aufholen können. Und Geschäftsführer Patrick Seidel bedauerte nach der dritten Pleite: „Das war das extrem falsche Signal an die Fans, die uns so unterstützen.“

Phoenix Hagen droht Abwärtsspirale

Es sollte ein Befreiungsschlag werden nach verpatztem Bundesliga-Start, es wurde das komplette Gegenteil: Beim 70:83 gegen Aufsteiger Jena offenbarte Phoenix Hagen - zumindest in der derzeitigen Verfassung - fehlendes Bundesliga-Niveau. Und vergraulte vor der Negativkulisse am Ischeland in acht Erstliga-Jahren - nur 2445 Besucher, so wenige kamen noch nie - seine Fans. Werbung für einen Besuch bei einem sanierungsbedürftigen Klub, der jeden Eintritts-Euro dringend braucht, sieht anders aus. So droht Phoenix die Abwärtsspirale.

Dass Phoenix das angesichts des notorisch schmalen Etats erstaunliche Glück vergangener Jahre bei der Schnäppchen-Akquise auf dem Spielermarkt diesmal nicht hatte, wird jetzt schon deutlich. Gut, Jeremy Dunbar konnte verletzungsbedingt sein Können noch nicht zeigen, Profi-Neuling Chris Hass deutet immerhin Potential an. Aber Yannick Anzuluni trotz der schwachen Leistung anderer Akteure nicht einzusetzen, ist Indiz dafür, dass die Mannschaftsführung bei ihm keine Erstliga-Tauglichkeit sieht. Auch Richie Williams ist von der erhofften Verstärkung auf der Spielmacher-Position weit entfernt.

In betuchteren Klubs hätte es wohl schon personelle Konsequenzen im Kader gegeben, Phoenix fehlen dazu die finanziellen Möglichkeiten, falls nicht - wie in der Vergangenheit schon häufiger - Sponsoren mit Extra-Geldern einspringen. Doch zügiger Handlungsbedarf besteht durchaus, damit man nicht in den Duellen gegen die vermeintlich direkte Konkurrenz schon den Anschluss verliert. Und in der Folge die Zuschauerzahlen weiter sinken, was ein zusätzliches Loch in die Kasse reißen würde. Wobei hier auch die Abkehr vom wilden, aber lange erfolgreichen Phoenix-Stil hin zum langsameren Spiel über die Center der Stimmung abträglich ist. Ohne Tempo auf dem Feld weniger Temperament auf den Rängen. „Wir sind das Feuer“ trifft momentan überhaupt nicht zu. (Axel Gaiser)

Schon nur noch 2445 Besucher konnten sich für den zweiten Heimauftritt der Hagener erwärmen, Anlass für Beifall bot sich ihnen nur vor dem Hochball. Ein riesiges Transparent mit der Aufschrift „Siege, Tränen Niederlagen - seit 50 Jahren die Festung von Hagen“ hatte der Fanclub „Tornados“ über die gesamte Hallen-Breite gespannt, ein noch größeres Banner mit dem Logo der Arena wurde über die gesamte Haupttribüne gezogen. Anlass war der Bundesliga-Start in der Ischelandhalle vor einem halben Jahrhundert, am 1. Oktober 1966 hatte der SSV Hagen das Derby gegen den TSV 1860 mit 83:76 gewonnen. An den Tag fast genau 50 Jahre später werden sich die Basketball-Freunde der Stadt dagegen nicht gern zurückerinnern. Denn vom Eindruck von Erstliga-Tauglichkeit war das Phoenix-Team der Generation 2016/17 noch weiter entfernt als an den ersten beiden Spieltagen.

Anzuluni bleibt auf Bank

Ohne Jeremy Dunbar, dessen Rückenverletzung in Bremerhaven wieder aufgebrochen war, starteten die Gastgeber. Und Yannick Anzuluni machte sich zwar warm, blieb indes die ganze Partie auf der Bank, auch wenn sich Teamkollegen für Auswechslungen durchaus aufdrängten. „Alle anderen haben im Training mehr Einsatz und Tough-ness bewiesen als Yannick“, erklärte Trainer Ingo Freyer später, „er kann sich im Training wieder beweisen, vielleicht spielt er dann wieder.“ Auch ohne Anzuluni hatte Phoenix körperlich vermeintlich klare Vorteile, zumal Jena in der Startformation neben dem massigen Center Kenny Frease vier Guards aufbot. Die Marschroute von Phoenix wurde schnell klar, der Ball sollte nach innen zu Trent Plaisted und Owen Klassen kommen. Das 2:0 besorgte Klassen, gegen den der 14 Zentimeter kleinere Immanuel McElroy verteidigte, auch noch. Danach aber vergaben die in Bremerhaven noch treffsicheren Hagener Center Wurfchancen aus dem Nahbereich in großer Fülle, am Ende hatten sie 15 ausgelassene Korbleger aufaddiert. Und eine zweite Option schien es nicht zu geben, für die Distanzschützen wurden keine Systeme gelaufen, das Tempo nahm Spielmacher Richie Williams immer wieder heraus.

Die routinierten Gäste um Kraftprotz Marcos Knight nutzten es, zumal sie sich mit großer Entschlossenheit trotz Längennachteilen die Reboundhoheit sichern konnten. Klassens 8:6 (6. Minute) war die letzte Phoenix-Führung, eine Jenaer 12:0-Serie in den letzten drei Minuten vor der Pause bedeutete schon eine sehr frühe Vorentscheidung. Nach dem Wechsel legten die Gastgeber zwar mit kleinerer Aufstellung an defensiver Intensität zu, Chris Hass trug mit acht Punkten maßgeblich zur Verkürzung auf 34:45 (23.) bei. Ein bisschen Kredit war zurückerobert, die Kulisse nun da. Doch schnell stoppten die routinierten Gäste die vermeintliche Aufholjagd, auch wenn Phoenix-Kapitän David Bell nun die ersten Punkte gelangen. Dessen Teamkollegen dagegen vergaben auch einfachste Korbleger zum Teil slapstick-reif, beim 39:59 (27.) war der Zwischenspurt längst verpufft. Und den Phoenix-Fans blieb nur noch Galgenhumor. „Jetzt geht’s los“, sangen sie, als Williams mal auf 49:66 (33.) „verkürzte“.

Aber ernsthaft herankommen konnte ein völlig verunsichertes Hagener Team an diesem bitteren Nachmittag nicht mehr, auch wenn Bell noch Ergebniskosmetik betrieb. „Wie in Bremerhaven im vierten Viertel haben wir jetzt im zweiten Viertel die Kontrolle verloren“, bedauerte Coach Freyer. Die Wende aus der Negativspirale erhofft er jetzt vom Ausflug zur fachfremden Sportart: „Am Montag und Dienstag gibt es Box-Einheiten, um an Toughness zu gewinnen. Die Boxer spannen wir immer ein, wenn bei uns die Not groß ist.“ Und das, so der Eindruck vom Sonntag, ist sie.

Phoenix Hagen - Science City Jena 70:83 (24:43)

Phoenix Hagen: Williams (9, 1/5 Dreier), Bell (20, 2 /5 Dreier, 10/10 Freiwürfe), Klassen (13, 11 Rebounds, 2 Blocks), Plaisted (2, 0/6 aus dem Feld, 9 Rebounds, 4 Assists, 6 Ballverluste), Grof (2), Hass (14, 2 /5 Dreier, 5 Rebounds), Hess (6, 0/4 Dreier, 4 Steals), Jasinski, Keßen (4).

Science City Jena: Knight (17, 8 Rebounds, 5 Assists), McElroy (11, 10 Rebounds), Jenkins (10, 4 Assists), Bernard, Frease (8), Clay (11, 7 Rebounds, 3 Ballverluste), Reyes-Napoles (4), Haukohl (8), Schmidtz (6), Mackeldanz (8).

Spielviertel: 15:17, 9:26, 21:21, 25:19.

Teamstatistik: 33:48% Wurfquote, 6/22:3/15 Dreier, 20/26:14/20 Freiwürfe, 40:46 Rebounds, 11:19 Assists, 6:9 Steals, 18:17 Ballverluste, 2:5 Blocks.

Zuschauer: 2445.