Danzig. Der Absage von NBA-Star Dirk Nowitzki zum Trotz fährt die deutsche Basketball-Nationalmannschaft mit einer großen Portion jugendlichem Elan und Selbstbewusstsein zur EM nach Polen.
Unbekümmert, ehrgeizig und frech: Die stark verjüngte deutsche Basketball-Nationalmannschaft hat die Absage von NBA-Star Dirk Nowitzki offenbar verkraftet und geht mit einer großen Portion jugendlichen Elan in die Europameisterschaft in Polen (7. bis 20. September). "Ich glaube, es ist sehr viel drin. Wir wollen einige Kritiker überraschen", sagte Demond Greene vor dem insgesamt 36. EM-Turnier.
Der 30 Jahre alte Routinier ist neben dem reaktivierten Rekordnationalspieler Patrick Femerling und Flügelspieler Sven Schultze einer von nur noch drei Verbliebenen der "silbernen Generation", die 2005 in Belgrad Vize-Europameister wurde. Denn nach den Absagen von Galionsfigur Nowitzki, dem Dallas-Mavericks-Besitzer Mark Cuban erstmals seit zehn Jahren keine Freigabe für ein großes Turnier erteilte, und NBA-Center Chris Kaman (Los Angeles Clippers) machte Bundestrainer Dirk Bauermann aus der Not eine Tugend und gab der Jugend eine Chance: Im zwölfköpfigen EM-Kader stehen gleich fünf Spieler, die 21 Jahre oder jünger sind.
Nowitzki-Absage als Chance
"Die Absage von Dirk Nowitzki war natürlich ein Schock. Aber sie birgt auch eine Chance. Der aktuelle Kader hat Qualität und Perspektive. Die EM ist eine echte Herausforderung", meinte Bauermann vor dem heutigen Vorrunden-Auftakt (19.15 Uhr) in Danzig gegen Frankreich. Die weiteren Gruppengegner sind Titelverteidiger Russland (Dienstag/16.30 Uhr) und Lettland (Mittwoch/19.15 Uhr, alle live im DSF).
"Ich habe immer gesagt, dass das eine oder andere Spiel bei der EM ein Höllenritt werden könnte. Wir haben radikal verjüngt. Die Franzosen sind haushoher Favorit. Vom Papier her ist es der schwerste Gruppengegner", sagt Bundestrainer Dirk Bauermann vor dem Start der 36. Basketball-EM und dämpft ganz bewusst die Erwartungen. Dennoch sieht der 51-Jährige sein umgebautes Team nicht chancenlos: "Die Franzosen neigen zu übertriebenem Selbstvertrauen. Vielleicht denken sie sich: Ohne Nowitzki und Kaman sind die Deutschen nicht so stark. Schließlich kennen sie nur die Hälfte unserer Mannschaft. Dieser Überraschungsmoment ist für gut uns."
EM-Vorbereitung gibt Hoffnung
Die Auftritte der deutschen Youngster, darunter in Elias Harris, Robin Benzing und Lucca Staiger sogar drei Spieler ohne Bundesliga-Erfahrung, in der EM-Vorbereitung machen leise Hoffnung. Die erfolgshungrigen Korbjäger machten fehlende Routine und spielerische Defizite durch harte Verteidigung sowie enormen Einsatz wett, so dass in zwölf Testspielen immerhin fünf Siege gegen EM-Teilnehmer raussprangen.
Selbst Nowitzki ist von der neuen Frische des umstrukturierten Nationalteams überzeugt. "Insgesamt ist die Mannschaft jung aufgestellt, aber dank erfahrener Spieler wie Demond Greene, Steffen Hamann, Sven Schultze oder Jan-Hendrik Jagla stimmt die Mischung. Wenn die Verteidigung steht, wird das Team gut mitspielen", sagte der gebürtige Würzburger, der seit der EM 1999 bei jedem großen Turnier für Deutschland aktiv war, dem Internetportal Spox.
Doch bei aller Leichtigkeit und Zuversicht, die Bauermanns Rasselbande ausstrahlt: Der Substanzverlust im DBB-Team ohne Nowitzki, Kaman, den zurückgetretenen Pascal Roller, Mithat Demirel und Robert Garrett sowie Ademola Okulaja (Absage nach überstandener Krebserkrankung) ist enorm. Daher ist das von Bundestrainer Bauermann ausgegebene Ziel, die am 11. September startende Zwischenrunde in Bromberg zu erreichen, bereits hoch angesetzt.
Bauermann dämpft Euphorie
"Keine Mannschaft der Welt kann den Verlust ihres Superstars kompensieren. Jeder Sieg bei der EM ist ein großer Erfolg für uns", sagte Bauermann und dämpfte die Erwartungen. Ein fünfter Platz, wie bei der EM in Spanien vor zwei Jahren, wäre eine große Überraschung wie auch die Qualifikation für die WM 2010 in der Türkei.
Um an der Weltmeisterschaft teilzunehmen, müsste die Auswahl des Deutschen Basketball Bundes (DBB) in Polen zu den besten Sechs gehören. Der siebte Rang würde reichen, wenn die bereits als Gastgeber gesetzte Türkei am Ende besser platziert wäre. Sollte die direkte Qualifikation nicht gelingen, müssten die deutschen "Riesen" auf eine von vier WM-Wildcards hoffen, die der Weltverband FIBA im Dezember vergibt.
Während für das DBB-Team bei der EM in Polen bereits das Erreichen der Zwischenrunde ein Erfolg wäre, zählen Weltmeister Spanien, Ex-Europameister Griechenland und Titelverteidiger Russland zu den Turnierfavoriten. Aber auch Frankreich, dem Olympia-Vierten Litauen und Slowenien werden Titelchancen eingeräumt.