Herne. . Hernes Basketballerinnen sind als Team gewachsen und die Überraschung der Bundesliga. Am Wochenende greifen sie in eigener Halle nach dem Pokal.
Marek Piotrowski kann nicht loslassen. Er sitzt in einem Hinterzimmer der Mont-Cenis-Halle in Herne, seine Hände liegen auf einem Basketball. Er dreht ihn hin und her, aber er lässt ihn nicht los. Als könnte er ihn beschwören, als wäre sein Schicksal mit dem des Balls unmittelbar verknüpft. Irgendwie stimmt das auch.
Piotrowski ist seit mehr als zehn Jahren Trainer der Basketball-Frauen des Herner TC. Nach dem Bundesliga-Wiederaufstieg 2012 formte er ein Team, das zur Überraschung der aktuellen Saison wurde: Am Wochenende greift Herne nun als Ausrichter des Final-Four-Turniers in eigener Halle auch noch nach dem deutschen Pokal.
Keine Zickereien mehr
Emina Karic erinnert sich aber auch an andere Zeiten. An 2011 zum Beispiel: „Da sind wir abgestiegen. Das war keine leichte Zeit“, sagt sie. Doch die 23-Jährige, die alle Jugendmannschaften in Herne durchlief, blieb dem Verein treu. Heute ist die deutsche Nationalspielerin Hernes Kapitän. „Klar, es gab Höhen und Tiefen, manchmal auch Zickereien. Aber in den letzten drei Jahren haben wir uns als Team gefunden, kämpfen gemeinsam“, sagt sie.
Leben kann die Blondine von dem Sport allein allerdings nicht. Zwar zahlt ihr der Verein ein Gehalt, nebenher studiert sie aber Sport an der Ruhr-Universität Bochum. Es ist ihre Vorsorge für die Karriere nach der Karriere.
Der Herner TC hat einen Jahresetat von rund 200 000 Euro. Ligaprimus TSV Wasserburg, auch der Halbfinalgegner am Samstag (17 Uhr), verfügt über mehr als eine Million Euro. Den Unterschied machen die Sponsoren. Wasserburg hat große Konzerne im Rücken. Herne setzt hauptsächlich auf regionale Sponsoren. Natürlich sei der Anspruch auch ein anderer: „Wasserburg will in Europa mitmischen, wir wollen ihnen auf lange Sicht gefährlich werden“, sagt Coach Marek Piotrowski.
Sechs Spielerinnen aus dem Ausland
Finanziert werden aus dem Etat vor allem die ausländischen Spielerinnen. Herne leistet sich drei Amerikanerinnen, eine Bulgarin, eine Finnin und eine Montenegrinerin. Sie sind nur für den Basketball in Deutschland, trainieren häufiger als Kräfte wie Karic. Wie sie den Weg ins kleine Herne finden? „Über eine Agentur“, erklärt Pressesprecher Lars Winkelmann. „die Coaches wählen per Videoanalyse aus.“ Der Verein zahlt Gehalt, eine Wohnung und ein Auto. Nach der Saison geht es für die Spielerinnen in die Heimat – und zur neuen Saison wieder zurück.
Eine der Auserwählten ist Quenice Davis. Die Amerikanerin spielt ihre dritte Saison in Herne und ist für das Team unverzichtbar. Ihr Coach hält sie für „die beste Aufbauspielerin der Liga“ und er steht mit seiner Meinung nicht allein. „Ich mag es in Herne“, sagt Davis, „es ist zwar alles kleiner, aber ich fühle mich wohl. Deshalb bin ich immer wieder gekommen.“
Im Gefüge von Piotrowski spielt sie neben Karic eine wichtige Rolle. Genau wie Neuzugang Ireti Amojo. Die 24-jährige Nationalspielerin war fünf Jahre für die College-Mannschaft der Washington State University in den USA am Basketball. Sie mag das Revier: „Die Atmosphäre bei den Heimspielen ist einfach stark.“
400 Fans im Schnitt
600 bis 800 Menschen passen in die Mont-Cenis-Halle, die mehr nach Schul- als nach Spitzensport riecht. Im Schnitt kommen aber nur 400 Zuschauer. Deutlich weniger als in den USA. Doch genau das sei es, was die Spielerinnen schätzten. „Nach dem Spiel klatschen sie mit den Fans ab – das ist ein intimer Rahmen“, sagt Winkelmann.
Beim Final Four rechnet Herne mit vollem Haus. „Wir wissen, dass wir Außenseiter sind, aber wir haben Wasserburg schon einmal geschlagen“, sagt Piotrowski. Und dann kann er doch loslassen. Er spielt den Ball ab. Sein Schicksal, sein Erfolg liegen nun in den Händen seiner Spielerinnen.