Washington. In der Autostadt Cleveland hatten sie sich von der Rückkehr von LeBron James den Meistertitel in der NBA versprochen, jetzt läuft das Team der Spitze hinterher.

In Cleveland erkennt man den Unterschied zwischen einer nassen Zündkerze und einem Kolbenfresser schneller als in anderen Teilen Amerikas. Die Stadt im Norden Ohios ist groß geworden durch die Auto-Industrie. Und beinahe pleitegegangen. Cleveland lässt sich nicht so leicht etwas vormachen. Auch nicht von LeBron James. Keine drei Monate nach der Rückkehr des Basketball-Stars aus Miami ist am Eriesee von Euphorie nichts mehr zu spüren. Die mit allerhöchsten Erwartungen befrachteten Cleveland Cavaliers werden in der nordamerikanischen Profiliga NBA nicht mehr zu den Titelanwärtern gezählt.

Die jüngste Niederlagenserie, der nach einem blamablen 90:109 gegen Dirk Nowitzkis Dallas Mavericks jetzt in Philadelphia eine 92:95-Schlappe folgte, lässt die Lokalzeitung „Plain Dealer“ bereits zaghaft über ein frühes Aus in den Playoffs sinnieren. Alteingesessene Basketball-Fans gehen sogar noch weiter. Sie sehen in der Mannschaft, die um den heimlichen Chef LeBron James (30) gebastelt wurde und heute eine Bilanz von 19 Siegen und 16 Niederlagen aufweist, eine Luftnummer. Im Autosprech: Fehlkonstruktion ab Werk.

„Der Auserwählte wird alt“, schreibt ein Leser in Anspielung auf James‘ Schulter-Breitband-Tätowierung („Chosen 1“). Ein anderer Fan mokiert sich darüber, dass die Ein-Mann-Show, die just wegen diverser Blessuren für zwei Wochen krankgeschrieben ist, bereits seit Saisonbeginn über Knie-Probleme klagte. „Warum macht er nun ausgerechnet gegen Liga-Riesen wie Dallas, Houston und Phoenix Pause? Zu feige?

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Spekulationen um den Trainer

In der auf den Millimeter vermessenen NBA-Korbjägerzunft belegt die Statistik den Eindruck, dass der weltbeste Spieler trotz 25 Punkten im Schnitt bei weitem nicht die „tödliche Gewalt“ darstellt (Sports Illustrated), die er bei seinem früheren Klub Miami Heat verkörpert hat. Dazu kommt ein wenig homogener Kader, der insbesondere in der Verteidigung nicht mehr als Fliegenfängerformat besitzt. Steht James nicht auf dem Feld, verschlechtern sich die Werte noch mal erheblich.

Weil neben ihm auch Schlüsselspieler wie Kyrie Irving (Rücken), Shawn Marion (Knöchel), Anderson Varejao (Achillessehnen-Riss) oder Kevin Love (Rücken) schwächeln oder wochenlang ausfallen, steht dem Team von Versicherungs-Milliardär Dan Gilbert ein harter Winter bevor.

Zudem ist der Misserfolg bereits Thema psychologischer Studien. Medien haben das Verhältnis zwischen Trainer und Star anhand der Körpersprache ausgedeutet. Ergebnis: König James kann nicht mit David Blatt. Dem 55-Jährigen wird in Cleveland kein Kredit dafür gewährt, dass er in Europa Mannschaften zur Meisterschaft (Maccabi Tel-Aviv/Euro League) und das russische Nationalteam zu Olympia-Bronze geführt hat. In der NBA gilt der Coach als Grünschnabel. Und James als Veteran. Kollision programmiert.

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„Ich bin hier, um etwas aufzubauen“

Auf Fragen zum Status Blatts reagiert James gereizt. „Er ist unser Trainer. Welchen anderen Trainer haben wir denn?“

Wie wär‘s mit Tyronn Lue? Weil sich dessen Name als Nachfolger zuletzt hartnäckig hielt, schritt Manager David Griffin ein und nannte alle Spekulationen über einen Trainer-Rauswurf „lächerlich“. Genauso lächerlich wie das Video, mit dem LeBron James den Fans Schrecksekunden bereitete? In der Sequenz, die ihn mit seinem früheren Spielpartner Dwayne Wade zeigt, sagte James: „Und wenn sich die Dinge nicht verbessern, kommen wir wieder zusammen und machen eine paar große, bessere Sachen, okay?“ Klare Ansage, kommentierten US-Medien – „der will weg, wenn‘s nicht besser wird“. James findet die Interpretation hanebüchen. „Ich bin hier, um etwas aufzubauen, in der Gegenwart und in der Zukunft“, kontert der Star, „ich bin hier und bleibe hier.“ Aha.