Paris. Er galt als einer der möglichen Herausforderer von Titelverteidiger Rafael Nadal und Mitfavorit Novak Djokovic in Paris. Doch schon in der ersten Runde flog Australian-Open-Sieger Stan Wawrinka aus dem Turnier. Es könnte eine späte Folge des Triumphs von Melbourne sein.
Stan Wawrinka trug schwarz, dem sportlichen Begräbnis erster Klasse bei den French Open angemessen. In seinem dunklen Trainingsanzug grübelte der Schweizer über Gründe dafür, was ihn vier Monate nach dem Triumph bei den Australian Open aus der höchsten Höhe seiner Tennis-Karriere in die tiefste Tiefe gerissen hatte. Einen "Sturz aus den Wolken" nannte die "Basler Zeitung" die 4:6, 7:5, 2:6, 0:6-Pleite des Weltranglisten-Dritten gegen den Spanier Guillermo Garcia-Lopez im Abend-Zwielicht des zu Ende gehenden Montags.
"Ich bin sehr traurig. Das ist eine schwere Niederlage. Ich habe mich gut gefühlt und dachte, dass ich alles habe, um in Roland Garros gut zu spielen", erklärte Wawrinka. Beim Versuch seiner Analyse wirkte der 29-Jährige schon erstaunlich gefasst. Sogar ein bisschen lächeln konnte Wawrinka, nachdem er eine Stunde vorher beim Verlassen des Court Philippe Chatrier ratlos die Mundwinkel nach unten gezogen hatte. Mit 62 leichten Fehlern trug er selbst am meisten dazu bei, dass er als erster Australian-Open-Sieger seit dem Tschechen Petr Korda 1998 gleich zum Auftakt in Paris die Taschen packen musste.
Kritik nach Erstrunden-Aus
"Bonjour Tristesse. (...) Er wirkte phasenweise wie ein Cursor auf einem Bildschirm, der jede Steuerung verloren hat", meinte die Neue Zürcher Zeitung und stellte fest: "Paris zeigt nun auf, dass Wawrinka das Gewicht der Bürde kennenlernt, und welchen Druck die Erfolge auf der höchsten Plattform bringen."
Der sympathische West-Schweizer weiß inzwischen zwar, wie man ein Grand-Slam-Turnier gewinnt, beim Umgang mit dem folgenden Wirbel muss er noch dazulernen. "Alles hat sich nach Australien geändert", bekannte Wawrinka. Die eigenen Erwartungen sind gestiegen, aus dem guten Tennisprofi ist ein Star geworden, der in der Weltrangliste sogar Roger Federer als besten Schweizer ablöste.
Favoriten setzen sich durch
Rekord-Grand-Slam-Champion Federer schaffte es zuvor in Paris ebenso problemlos in die zweite Runde wie der achtmalige Sieger Rafael Nadal und Rivale Novak Djokovic. Obwohl er sie alle schlagen könne, habe er nicht das Niveau dieses großen Trios, bekannte Wawrinka anerkennend: "Was sie über die Jahre geschafft haben, ist unglaublich."
Schon bei den Masters-Turnieren in Indian Wells und Miami habe er im März eine schwierige Zeit gehabt, räumte "Stan the man" ein, der die in der Szene seit Jahren gebräuchliche Kurzform seines Vornamens Stanislas inzwischen offiziell von der Profi-Organisation ATP führen lässt. In den USA war jeweils im Achtelfinale Schluss, doch danach gewann er im Finale gegen Federer das prestigeträchtige Sandplatz-Turnier in Monte Carlo, und alles schien wieder gut. Nun scheiterte er als erster Monte-Carlo-Sieger seit 28 Jahren gleich beim ersten Auftritt in Paris und sieht sich an einer Weggabelung.
"Noch habe ich nicht alle Teile gefunden"
"Ich erwarte viel von mir. Ich muss das Puzzle jetzt wieder zusammensetzen. Nicht wie früher, sondern als Grand-Slam-Champion und Nummer drei der Welt. Noch habe ich nicht alle Teile gefunden", sagte Wawrinka. Federer will er nicht um Rat fragen. "Roger ist nicht mein Trainer", sagte er über seinen Gold-Partner beim Olympia-Doppel 2008, "er hat viel zu tun mit seiner Familie." Umso bemerkenswerter ist es, dass der nun vierfache Vater Federer nebenher noch immer sehr beachtliche Leistungen auf den Tennisplätzen dieser Welt bringt. (dpa)