Essen. Bundestrainer Joachim Löw hat vor dem Testspiel der deutschen Fußball-Nationalmannschaft gegen Chile mit seinen Nominierungen überrascht. 100 Tage vor dem Turnier in Brasilien haben wir die WM-Chancen der DFB-Spieler analysiert.
Ein alter Bekannter und vier Neue: Bundestrainer Joachim Löw überraschte bei der Bekanntgabe seines Aufgebots für das Testspiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Chile (Mittwoch, 20.45 Uhr / live in unserem Ticker). Neben Allrounder Kevin Großkreutz von Borussia Dortmund, der zuletzt im Februar 2011 gegen Italien für das DFB-Team aufgelaufen war, nominierte der 54-Jährige die Innenverteidiger Matthias Ginter (SC Freiburg) und Shkodran Mustafi (FC Genua) sowie Flügelstürmer Andre Hahn (FC Augsburg) und Torjäger Pierre-Michel Lasogga (HSV/Hertha BSC).
Echte Hoffnungen auf ein WM-Ticket darf sich wohl nur einer machen: Kevin Großkreutz.
Ginter und Mustafi gelten als Nachwuchs-Hoffnungen im Defensivbereich, spielen in ihren Klubs bereits Schlüsselrollen. Allerdings dürfte ihr Abstecher ins DFB-Lager nicht mehr werden als eine Gelegenheit, hereinzuschnuppern. Eine reelle Chance, die seit Jahren bewährten Manndecker Jerome Boateng, Mats Hummels, Per Mertesacker und Benedikt Höwedes zu verdrängen, dürften sie nicht haben. Viel mehr geht es für das Defensiv-Duo darum, erste Gehversuche in diesem elitären Kreis zu machen.
Große Konkurrenz in der Offensive
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Gleiches gilt für Hahn und Lasogga. Klar, beide spielen eine überragende Saison – Hahn hat mit 14 Scorer-Punkten (10 Tore/4 Vorlagen) erheblichen Anteil am Augsburger Höhenflug, Lasogga (11/1) ist effektivster HSV-Akteur dieser Spielzeit. Zu groß ist aber die namhafte Konkurrenz in der Offensive, als dass es für ein WM-Ticket reichen dürfte. Zumal im Fall Lasogga auch noch eine Verletzung im Abschlusstraining das Vorspielen gegen Chile verhindert. Nach längeren Ausfallzeiten sind die Italien-Legionäre Miroslav Klose und Mario Gomez wieder fit. Zudem stehen Löw mit Mario Götze, Thomas Müller, Mesut Özil und Lukas Podolski gleich vier Spieler zur Verfügung, die als "falsche Neun" auflaufen können. Und dann ist da noch Max Kruse. Der Gladbacher stürmte im letzten Länderspiel gegen Italien. Zuvor hatte Götze gegen England in vorderster Front gespielt. Löw bevorzugt offenbar den spielenden Stürmer. Selbst als sich Gomez im September vergangenen Jahres schwer verletzt hatte, verzichtete Löw auf die Nominierung eines "klassischen" Stürmers", wie er in Person des Bundesliga-Torschützenkönigs Stefan Kießling zur Verfügung gestanden hätte.
Drei Spieler nehmen Einfluss auf Löws Kaderplanung
Mit welchem Personal der Fußballlehrer schlussendlich nach Brasilien reist, dürfte zudem von zwei Faktoren abhängen: erstens vom Heilungsprozess der DFB-Sorgenkinder Sami Khedira und Ilkay Gündogan, zweitens von der Rolle Philipp Lahms.
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In Bezug auf Gündogans Genesung sei er selbst überfragt, gestand Löw auf der Pressekonferenz am Montag ein: "Die Rückmeldungen von Ilkay waren teilweise positiv, aber dann musste er den einen oder anderen Rückschlag hinnehmen. Wir müssen abwarten.“ Der Mittefeldstratege pausiert seit Saisonbeginn wegen anhaltender Rückenprobleme. Derzeit scheint es nicht sehr wahrscheinlich, dass der 23-Jährige mit dabei ist, wenn die DFB-Delegation im Juni ihr Quartier „Campo Bahia“ an der Küste des Bundesstaates Bahia bezieht. Zu hartnäckig ist seine Verletzung. Besser stehen die Chancen von Khedira: Der defensive Mittelfeldspieler von Real Madrid sei nach seinem Kreuzbandriss im Aufbautraining „sehr weit“, so Löw. Zudem hob der Bundestrainer Khedrias Persönlichkeit hervor, die für das DFB-Team "einen Mehrwert" liefere.
Bleibt noch die Frage nach der Lahm-Rolle. Plant Löw mit seinem Kapitän im Mittefeld, steigen die WM-Chancen für Großkreutz und Marcell Jansen als Außenverteidiger. Verteidigt Lahm aber rechts, wird wohl nur einer der beiden mit im Flieger sitzen. Großkreutz dürfte dann aufgrund seiner Vielseitigkeit und Champions-League-Erfahrung die Nase vorn haben.
Bender oder Bender?
Um seine WM-Teilnahme bangen muss indes Sven Bender, der wegen einer Schambeinentzündung noch lange ausfällt. Gut möglich, dass sich Löw gegen den Dortmunder und für dessen Bruder Lars von Bayer Leverkusen entscheidet. Letzterer war nicht nur seltener verletzt, er hat auch mehr Erfahrung im DFB-Team und kann zudem als Rechtsverteidiger eingesetzt werden.
Auf der Torhüter-Position dürfte Löw neben Manuel Neuer als unumstrittene Nummer eins nicht um den seit Jahren konstanten Roman Weidenfeller herum kommen. Der BVB-Keeper debütierte Ende des vergangenen Jahres beim Sieg gegen England. Komplettieren dürfte das Torhüter-Trio ein junger Keeper - Ron-Robert Zieler oder Marc-Andre ter Stegen.
- Das mögliche WM-Aufgebot der deutschen Nationalmannschaft:
- Tor: Manuel Neuer, Roman Weidenfeller, Ron-Robert Zieler
- Abwehr: Jerome Boateng, Mats Hummels, Marcel Schmelzer, Kevin Großkreutz, Benedikt Höwedes, Per Mertesacker, Marcell Jansen
- Mittelfeld: Bastian Schweinsteiger, Philipp Lahm, Toni Kroos, Mario Götze, Thomas Müller, Marco Reus, Andre Schürrle, Mesut Özil, Lukas Podolski, Lars Bender, Julian Draxler (Ilkay Gündogan)
- Angriff: Miroslav Klose, Mario Gomez