Leverkusen. Erneut ließ sich Leverkusen von einem europäischen Schwergewicht in der Champions League überrollen. Das 0:4 gegen Paris Saint-Germain setzt der aktuellen Formkrise die Krone auf. Binnen weniger Tage hat die Hyypiä-Elf den Lohn einer guten Hinrunde verspielt. Wolfsburg wird zum Schicksalsspiel.

Stefan Reinartz sprach von einem "Deja-vu-Erlebnis", als ihn ein Reporter fragte, ob die Profis von Bayer 04 Leverkusen zu großen Respekt vor dem PSG-Starensemble hatten, dass sie mit 4:0 daheim überrollte. Der Defensivakteur schwieg für einen Augenblick und dachte nach. Schließlich war es nicht das erste Mal in jüngerer Vergangenheit, dass die "Werkself" als Bundesliga-Vertreter international unter die Räder kam.

Vor zwei Jahren hagelte es gegen Barcelona erst ein 1:3, dann ein 1:7. In der Gruppenphase der laufenden Champions-League-Saison, die mit dem Rückspiel in Paris in drei Wochen für Bayer beendet sein wird, kassierte man in zwei Spielen neun Gegentore gegen Manchester United - die nach dem Renteneintritt von Sir Alex Ferguson wohlgemerkt in ihrer größten Krise seit Dekaden stecken. "Die Frage ist durchaus berechtigt", seufzte Reinartz, "nur habe ich leider keine gute Antwort darauf."

Kein würdiger internationaler Repräsentant deutschen Fußballs

Das beste am Dienstagabend für Bayer 04 war, dass das Spiel nicht im Free-TV übertragen wurde, scherzte ein anderer Journalist in den Katakomben der BayArena. Mit aller Macht wollte Cheftrainer Sami Hyypiä vermeiden, dass seine Mannschaft - derzeit tabellarisch das zweitbeste Team der boomenden Bundesliga - erneut zur Lachnummer auf internationaler Bühne wurde und forderte Leistung am Limit, doch wieder stellte sich Bayer 04 Leverkusen als kein würdiger internationaler Repräsentant des deutschen Fußballs heraus.

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Das Achtelfinal-Hinspiel der Königsklasse wurde am Ende doch zur großen Zlatan-Show. Superstürmer Ibrahimovic krönte sich mit zwei Toren zum Mann des Abends und vor allem das 3:0 vor der Pause, der ultimative Bayer-Genickschlag, hatte es in sich. Obwohl der überragende französische Nationalspieler Blaise Matuidi im Strafraum gehalten wurde, konnte der 26-Jährige das Leder dem Schweden noch auflegen, der einen Schuss mit 105 km/h ins lange Toreck und Bayer-Herz versenkte - mit seinem eher schwächeren, linken Fuß. Doch ein Zlatan Ibrahimovic "hat keinen schwächeren Fuß", merkte der skandinavische Superstar zum Abschied an, ehe er nach ein paar erfüllten Autogramm- und Fotowünschen in den PSG-Bus stieg.

Selbst mit Fouls nicht zu stoppen

Gewissermaßen war dieses 3:0 Sinnbild des Leverkusener Abends gegen die Pariser. Selbst mit Fouls waren die ballsicheren Franzosen nicht zu stoppen. Für Ibrahimovic reichte es mit links, Bayer zu deklassieren. "Wir hatten bereits einen guten Start ins Spiel", analysierte der Matchwinner, "nach drei Minuten treffen wir das Tor." Ausgerechnet ein Fehler des Kapitäns und Routiniers Simon Rolfes leitete einen Gegenstoß ein, den Initiator Matuidi am Ende eiskalt zur frühen Führung selbst verwertete. "Danach können wir unser Spiel durchziehen. Wir hatten viel Platz", so Ibrahimovic. "Tor zwei (39. Ibrahimovic, FE) und drei (42.) schießen wir noch vor der Pause. Bayer sieht auch noch Gelb-Rot - dann wird es natürlich schwer für sie. Wir haben unser Ding durchgezogen und noch ein viertes Tor erzielt (Cabaye, 88.)."

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"Ein bisschen undankbar" war es, nach einer Stunde in die Partie eingewechselt zu werden, sagte Reinartz nach Abpfiff. Er war einer der wenigen, den die Niederlage nachhaltig zu wurmen schien und nicht gleich zu den üblichen Phrasen vom Fokus auf das nächste Spiel auswich. Mit der Faust auf den Tisch haute niemand von Seiten der Werkself, nicht einmal Rudi Völler. Spahic - der zweite Bayer-Routinier mit Black-out an diesem Abend - flog nach 58 Minuten mit Gelb-Rot vom Platz, als das Achtelfinale de facto schon gelaufen war. "Dann wird das schon sehr heftig, weil Paris sehr ballsicher ist", so Reinartz. "Dann war nichts mehr zu retten. Man läuft hinterher, wie die Hasen. Dann sieht es auch noch so aus, als würde man nicht kämpfen oder nicht laufen. Ab da ging es nur noch um Schadensbegrenzung."

Im DFB-Pokal gegen Zweitligisten ausgeschieden

Ein Verein, der das ganze Jahr über tiefstapelt, muss sich über solche europäischen Lehrstunden nicht wundern. Das internationale Image Leverkusens hat nach den herben Pleiten in der Königsklasse gelitten. Immerhin bettelte diesmal niemand öffentlich nach Ibrahimovics Trikot so wie bei Messi 2012. Aktuell hat man nämlich andere Sorgen unterm Bayer-Kreuz, die Formkrise wiegt schwer. Binnen weniger Tage hat sich Leverkusen um den Lohn einer guten Hinrunde gebracht: Im DFB-Pokal schied man vergangenen Mittwoch daheim gegen den Zweitligisten Kaiserslautern aus, am Samstag unterlag man in der BayArena Schalke 04, die nur noch drei Zähler hinter der "Werkself" rangieren.

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Nach dem 0:4 im Achtelfinal-Hinrundenspiel ist von drei Wettbewerben, auf denen Bayer tanzte, nur noch eine Hochzeit übrig, das Kerngeschäft Bundesliga, in dem am Wochenende der VfL Wolfsburg wartet, der nächste direkte Konkurrent, um den wichtigen Einzug in die Champions League. Sollte auch diese Partie vergeigt werden, könnte nicht nur die Konkurrenz aus Dortmund und Gelsenkirchen vorbeiziehen, sondern der VW-Klub auch bis auf vier Zähler an Leverkusen heranrücken.

Bei Bayer geht die Angst um und noch weiß niemand, welcher Weg aus der fundamentalen Formkrise führen soll. Die Champions League ist abgehakt. "Eine Zielsetzung für das Rückspiel? Ich glaube, darauf müssen wir uns noch eine gute Antwort überlegen", sagte Stefan Reinartz. "Ich glaube, dass wir jetzt andere vor der Brust haben, auf die wir uns konzentrieren müssen."