Sotschi. Es war nur ein Vorrundenspiel, aber eins für die Geschichtsbücher: Das Prestige-Duell zwischen den USA und Russland wurde im 16. Penalty des Shootcuts entschieden - eine bittere Niederlage für den Gastgeber und Präsident Wladimir Putin. Gegen die Slowakei gab es am Sonntag dann wieder einen Sieg.

Als der große Macher der XXII. Winterspiele seinen Tribünenplatz im Bolschoi-Dom von Sotschi verließ, verzog er keine Miene. Diesen Abend hatte sich nicht nur der russische Präsident Wladimir Putin, diesen Tag hatten sich die 11 678 Zuschauer und das gesamte russische Volk ganz anders vorgestellt. Den Namen TJ Oshie wird Putin vorher nicht gekannt haben, aber diesen Timothy Leif Oshie aus dem äußersten Nordwesten der USA wird Putin nach dieser bitteren 2:3 (0:0, 1:1, 1:1)-Pleite der russischen Eishockey-Nationalmannschaft gegen die Auswahl der USA wohl nicht mehr vergessen.

Nach der regulären Spielzeit und der Verlängerung hatte es 2:2 gestanden. Erst nach dem 16. Penalty des Shootouts gab es einen Sieger in diesem Prestige-Duell. Der 27-jährige Oshie vom NHL-Team St. Louis Blues war bei sechs der acht Penalties vom US-Trainer Dan Bylsma ausgewählt worden. Vier verwandelte er, darunter den alles entscheidenden. „Ich bin froh, dass der letzte reingegangen ist und es vorbei war“, meinte der Mann des Tages, „ich habe mich nach meinen Kollegen umgeschaut, ob denn nicht mal ein anderer schießen wollte. Mir gingen nämlich langsam die Trick aus.“

Eishockey als russisches Stimmungsbarometer - Putin forderte Gold

Es war ein Spiel für die Eishockey-Geschichtsbücher, obwohl es in der Gruppenphase eigentlich nur um die Platzierung und nicht ums Weiterkommen ging. Das Duell der Russen gegen die USA hat nicht nur die Eishockey-Fans elektrisiert. Als Oshie den entscheidenden Penalty im Kasten des russischen Torhüters Sergej Bobrowski versenkte, schallte der Star-Spangled-Banner durch das olympische Dorf. Die US-Sportler waren spontan auf ihre Balkons gestürmt und hatten ihre Nationalhymne angestimmt. Und auch der Präsident der Vereinigten Staaten befeuerte das Nationalgefühl. Obama reiste zwar nicht nach Sotschi, doch per Twitter teilte er mit: „Gratulation an TJ Oshie und das US-Eishockey-Team für einen großen Sieg. Hört niemals auf, an Wunder zu glauben.“

Für die russischen Gastgeber ist die Niederlage eine große Enttäuschung, denn Eishockey ist das Stimmungsbarometer für die Winterspiele. Putin hat von der Sbornaja, wie das Nationalteam in Russland genannt wird, Gold gefordert. Wenn Russland Olympiasieger im Eishockey wird, dann würde das selbst über ein schwächeres Abschneiden im Medaillenspiegel hinweg trösten. „Sport ist Sport“, sagte Putin laut Agentur Interfax. „Mir scheint, dass unsere Mannschaft sehr würdig gespielt hat.“ Einen Tag später taten sich die Russen wieder vor Putins Augen schwer. Diesmal reichte es wenigstens zu einem 1:0 nach Penaltyschießen gegen die Slowakei.

Ein Rückblick auf das olympische Endspiel 1980 in Lake Placid

Es gab schon einmal ein noch dramatischeres Eishockey-Spiel zwischen den Vereinigten Staaten und Russland, für das der Begriff Wunder besser passte als für die Begegnung in Sotschi. Als „Miracle on Ice“ ist das olympische Endspiel 1980 in die Sport-Geschichte eingegangen. In der heißen Phase des Kalten Krieges kam es bei den Winterspielen in Lake Placid zum Endspiel zwischen den Staatsprofis der damaligen Sowjetunion und den US-Boys. Da bei Olympia zu dieser Zeit die Großverdiener aus der NHL nicht zugelassen waren, stellten sich College-Boys den als unbesiegbar angesehenen Stars und gewannen mit 4:3 die Goldmedaille.

Keiner der US-Sieger von Sotschi war zum Zeitpunkt des historischen Olympiatriumphs geboren. Einer der damaligen Gold-Helden war Bob Suter. Er gab seinem Sohn Ryan einen klaren Auftrag mit zu den Winterspielen nach Russland. „Hol das Gold und wir sind beide Olympiasieger“, sagte Bob. Ryan Suter jubelte am Samstag entsprechend ausgelassen über den Shootout-Triumph. „Es hat Spaß gemacht, TJ Oshie zuzuschauen“, sagte Suter. „Er hat unglaubliche Tricks drauf. Wir dürfen jetzt nicht abheben, denn wir haben noch nichts erreicht. Ein paar gute Spiele reichen nicht.“

Noch ist alles offen im olympischen Turnier. „Es war ein großartiges Spiel. Leider musste jemand gewinnen und jemand verlieren“, sagte der russische Stürmerstar Alexander Owetschkin, der im Jahr bei den Washington Capitals das stolze Salär von 9,5 Millionen Dollar einstreicht. „Ich hoffe, wir treffen uns im Finale wieder.“ Kommt es dann erneut zum Shootout, steht zumindest ein US-Schütze fest. TJ Oshie, übernehmen Sie!