Essen. . Michael Rösch, Biathlon-Staffel-Olympiasieger 2006, wurde im deutschen Team vom Kronprinzen zum Sorgenkind. Jetzt will er für Belgien starten. „Ich will mithelfen, etwas in Belgien aufzubauen“, sagt der 30-Jährige.
Das Telefon klingelt und klingelt. Kurz vor dem Auflegen meldet sich Michael Rösch doch noch. „Ich bin gerade auf der Toilette“, sagt er, „aber keine Angst, es ist nicht so, wie man denken könnte. Ich komme gerade vom Training und muss noch den Kamin anmachen. Eine Heizung haben wir hier in unserer Hütte im norwegischen Geilo nur auf dem Klo.“
Michael Rösch, Olympiasieger 2006 mit der deutschen Biathlon-Staffel, rennt seit Monaten Kilometer um Kilometer durch den Wald. Immer da, wo Schnee liegt. Mal in Norwegen, mal in den Alpen, mal zu Hause in Altenberg.
Ein bisschen läuft der Frust mit. Denn statt einsam im Training durch die Loipe zu hasten, würde Rösch viel lieber sein Gewehr schultern und im Weltcup um Punkte rennen. Aber der 30-Jährige muss das tun, was er gar nicht liebt: geduldig sein. Sportler wollen sich im Wettkampf beweisen. So wie Rösch. Der Mann aus dem Zinnwald wartet auf seinen Pass. Für Belgien will er jetzt starten. Doch noch fehlt die Unterschrift von König Philippe.
Die Karriere des Michael Rösch ist eine Geschichte mit vielen Höhen und Tiefen. Als Rösch 2006 mit 22 Jahren in Turin olympisches Gold holte und auch im Weltcup zweimal ganz oben stand, galt er als die Versicherung des deutschen Teams für Großtaten auch nach dem Abschied von Ricco Groß und Sven Fischer.
Sohn eines Ex-Weltmeisters
Michael hatte als Sohn des früheren Biathlon-Weltmeisters Eberhard Rösch die richtigen Gene. In der Loipe bestach er mit seiner Dynamik, am Schießstand mit sicherer Hand, bei Interviews mit lockeren Sprüchen. Rösch hatte im olympischen Staffelwettbewerb 2006 die zweitbeste Einzelzeit aller Athleten, nur geschlagen vom norwegischen Biathlon-König Ole Einar Björndalen. Im selben Jahr wurde Rösch Fünfter der Weltcup-Gesamtwertung.
So rasant sein Aufstieg verlief, so abrupt wurde er dann gestoppt. In der Spur verlor er viel Zeit, am Schießstand häuften sich die Fahrkarten. Die Bundestrainer verbannten ihn aus der Mannschaft, die Winterspiele 2010 in Vancouver verfolgte Rösch am Fernseher. Wie ist der tiefe Sturz zu erklären? Rösch gibt zu, dass er einige private falsche Entscheidungen getroffen habe. Ein Haus in Altenberg zu bauen, habe ihn viel Zeit und Energie gekostet. Zeit und Energie, die ihm dann im Training und Wettkampf im Kampf um die Spitze fehlten.
Aus dem Kronprinzen wurde das Sorgenkind der erfolgsverwöhnten deutschen Biathleten. Als Rösch in der Saison 2011/2012 erneut zurückgestuft wurde, entschloss er sich zum harten Schnitt. „Ich hatte nicht das Gefühl, dass mir noch das Vertrauen geschenkt wurde“, sagt Rösch.
Da er seine Karriere nicht beenden wollte, suchte er nach Alternativen. In Belgien wurde er fündig. Doch die bürokratischen Hürden waren nicht so schnell zu überwinden, wie er es sich vorgestellt hatte. Die Weichen, bald für Belgien zu starten, sind gestellt, aber es fehlen noch die Unterschrift des Königs und die Veröffentlichung im Amtsblatt. „Im Januar will ich wieder starten“, sagt Rösch.
Rösch will in Belgien etwas aufbauen
Auch wenn er kein Wort Flämisch, kein Wort Französisch beherrscht, auch wenn er in seinem Leben noch nie in Brüssel war, ist er sich mit dem belgischen Verband einig, dass es kein One-Year-Stand wird. „Ich will mithelfen, etwas in Belgien aufzubauen“, sagt er, „dort gibt es bisher kein Trainingszentrum. Das soll sich ändern. Das Fernziel ist, für Olympia eine Staffel stellen zu können.“
Die Hoffnung auf eine Olympia-Teilnahme bei den Winterspielen im Februar 2014 in Sotschi hat Rösch noch nicht aufgegeben. Aber um dieses Ziel zu realisieren, darf sich die Pass-Ausgabe in Brüssel nicht länger verzögern. Und so trainiert er und trainiert. Meist mit Alexander Os und Lars Berger. „Wir haben uns zusammen getan, nachdem Alex und Lars aus dem norwegischen Team herausgeflogen sind“, sagt Rösch.
Einen Trainer brauchen sie nicht. Ganz falsch scheinen die selbst geschriebenen Trainingspläne der drei Rebellen nicht zu sein, denn Berger gewann in diesem Winter bereits ein Weltcup-Rennen. „Feskslog“ nennt sich selbstironisch das ausgesonderte Trio, das ist norwegisch und heißt „Fischabfall“. Fans können T-Shirts mit einer aufgedruckten Fischgräte kaufen. Den Humor hat Rösch noch nicht verloren.