Essen. Ronald Rengs “Spieltage. Die andere Geschichte der Bundesliga“ begeisterte 2013 nicht nur Sportfans und wurde deshalb zum Sachbuch des Jahres gekürt. Im Interview spricht der Enke-Biograph über das 50. Bundesliga-Jubliäum, seine Buch-Protagonisten, skurrile Lesungen und woran er gerade arbeitet.

Zu "Spieltage. Die andere Geschichte der Bundesliga" gab es eigentlich kaum negative Kritiken. Haben Sie mit diesen Reaktionen gerechnet?

Reng: Das hat alles übertroffen, was ich mir hätte ausmalen können. Ich hatte zwar schon beim Schreiben das Gefühl, das Buch wird so, wie ich es gerne möchte und es wird ein Buch, das viele Fußballfans faszinieren kann, aber mit so einem Erfolg zu rechnen, den "NDR Kultur Sachbuchpreis des Jahres 2013" zu bekommen, das wäre wohl ein bisschen größenwahnsinnig gewesen. Es gibt mittlerweile so viel tolle Besprechungen über des Buch, die passen alle gar nicht mehr in die Pressemappe; alle haben uns lieb und es sind wesentlich mehr Besprechungen als beim Robert-Enke-Buch. Es kann eigentlich nur noch schlechter werden.

Was macht eigentlich Ihr Protagonist Heinz Höher seit der Buchveröffentlichung? Er wird sich doch nicht mehr nur um den Juri-Judt-Fanklub kümmern.

Reng: Der Juri-Judt-Fanklub ist momentan auf standby, weil Juri bei Red Bull Leipzig zuletzt keine so gute Zeit erlebt hat. Aber Heinz Höher kümmert sich deshalb um so mehr um Juri, in der Tat. Das ist seine Hauptaufgabe.

Spürt Heinz Höher auch den Erfolg des Buchs am eigenen Leib?

Reng: Er wird nicht auf der Straße nach Autogrammen gefragt. Aber mein Eindruck ist, dass ihm das Buch sehr gut getan hat. Er hat noch einmal Aufmerksamkeit genießen und seine Geschichte erzählen dürfen.

Brauchte Heinz Höher noch mal die große Bühne?

Reng: Es ist wie bei einem Süchtigen: Wenn jemand so lange in der Öffentlichkeit stand, braucht man diese Aufmerksamkeit, weil man sie so gewohnt ist. In den vergangenen 15 Jahren kam das zu kurz und ich glaube, er hat das etwas vermisst. Es ist einfach ein sehr schöner Nebeneffekt des Buchs, dass Heinz Höher Leute trifft, die mit ihm über sein Leben reden wollen und dass er wieder sehr viel Anerkennung findet. Gerade auf Lesungen ist er ein kleiner Entertainer geworden. Er macht dort auf seine sehr trockene Art sehr viele lustige Sprüche und die Leute gehen immer mit Bauchschmerzen vor Lachen nach Hause. Das ist sehr schön für ihn.

Gab es 2013 eine Lesung, die Ihnen und Heinz Höher ganz besonders in Erinnerung geblieben ist?

Reng: Die Lesungen sind alle unterschiedlich und das macht es wunderbar. Wir hatten bei diesem Buch alles: Vom hochkulturellen Publikum beim NDR in Hannover, über die normale Buchhandlungslesung, bis hin zur schönen, dreckig-schmutzigen Fan-Klub-Kneipe in Leverkusen. Was allerdings tatsächlich herausstach, war unsere Station in Bochum. Höher war fast die kompletten 1970er Jahr Trainer beim VfL und in Bochum waren mit Sicherheit 10 bis 15 ehemalige Spieler von ihm bei der Veranstaltung. Es sind sogar Spieler gekommen, die ihn als Trainer nicht mochten, um sich nachträglich noch mal zu beschweren, wie schlecht sie damals behandelt worden sind.

Tatsächlich?

Reng: Wolfgang Euteneuer, heißt der gute Mann. Er hat erzählt, Höher hätte ihm die Freude am Fußball genommen. Er ist aber trotzdem extra zur Lesung gekommen, um das zu erzählen. Ebenso wie Jürgen Köper, Ata Lameck und Lothar Woelk. Das war ganz amüsant und mitunter sehr bewegend. Auch in München war es sehr schön. Dort kam die Mutter von Mats Hummels zur Lesung. Sie war damals in Bochum Journalistin, wenn ich richtig informiert bin. Das sind einfach tolle Begegnungen. In München kam auch Daniel Adlung vorbei, den er neben Juri Judt als kleinen Jungen großgezogen hat.

Wenn alte Wegbegleiter auftauchen, schwelgt man doch in Erinnerungen.

Reng: In Osnabrück waren Werner Biskup und Uwe Klimaschefski als Überraschungsgäste im Publikum. Mit denen hatte Höher vor 50 Jahren bei Bayer Leverkusen gespielt und sie hatten sich eine halbe Ewigkeit nicht mehr gesehen. Klimaschefski packte direkt die Anekdote aus über einen brasilianischen Spieler, der vor Höhers Augen einen Ball unter der Dusche hochhalten musste, damit der Trainer sieht, ob er auch im Regen spielen könne. Biskup beschwerte sich darüber, dass Scheibenwischer für seinen Jaguar schon wieder teurer geworden sind...

Melden sich häufiger Persönlichkeiten aus der Fußball-Geschichte bei Ihnen, um mit Ihnen über Ihre Erinnerungen zu sprechen - oder war Heinz Höher, der unbedingt mit Ihnen sprechen wollte, ein Ausnahme?

Reng: Nein, er ist nicht die Ausnahme. Aber es ist schon sehr besonders gewesen, dass er so drauf bestanden hat, mich damals in Barcelona zu besuchen. Nach dem Enke-Buch habe ich allerdings sehr viele Briefe von Fußballern bekommen. Spieler, die vielleicht keine Depressionen, aber mentale Probleme haben, meldeten sich und wollten einfach mal reden. Das ist eine eigentlich sehr altertümliche Erfahrung, dass Leute zu einem Schriftsteller kommen, weil sie dort das Gefühl haben, dort werden sie verstanden. Eine tolle Erfahrung.

Heinz Höher haben Sie verstanden.

Reng: Er war definitiv der Extremste. Er rief montags an und sagte, er komme am Donnerstag für vier Tage nach Barcelona. Hartnäckig. Das sagt auch einiges über seinen Charakter aus.

Reng versteht die Faszination Pyrochtechnik - schätzt aber Opernpublikum 

Haben die Zusammenarbeit mit Höher, die Geschichten, die er erzählt hat und letztlich auch das Buch, Ihre Sichtweise auf die Bundesliga in der Gegenwart verändert?

Reng: Mir sind nur Kleinigkeiten aufgefallen. Zum Beispiel, dass der Fußball sicherer geworden ist. Betrügereien, wie beim großen Bundesliga-Skandal 1970/71 wird es in diesen Ausmaßen nicht mehr geben. Das große Geld und der Fokus schützen die Bundesliga jetzt davor. Die Kontrolle ist deutlich größer geworden. Deshalb wird der Betrug wohl leider eher in unteren Ligen stattfinden. Die Kommerzialisierung hat der Bundesliga geholfen, professioneller zu werden - in jeder Hinsicht. Dadurch, dass alles größer geworden ist, ist nicht gleich alles schlechter geworden.

Welche Erfahrungen dieses Buches nehmen Sie mit?

Reng: Das Buch hat mir viel Demut gelehrt vor den alten Zeiten. Damals hatten die Leute auch schon einiges drauf, nimmt man sich zum Beispiel mal die Trainingslehre vor. Oder die Taktik. Man denkt automatisch, in der Moderne ist alles viel wissenschaftlicher, aber gerade taktisch dreht sich der Fußball doch immer sehr im Kreise. Es geht um Strategie und Gegenstrategie, um Spielsysteme und Ideen. Ob ein Stürmer nun ein richtiger Stürmer oder ein falscher Stürmer ist, diese Frage gab es auch schon vor 50 Jahren.

Haben Sie das Gefühl, dass Einzelschicksale in der Maschinerie "Bundesliga" auf der Strecke bleiben?

Reng: Ich glaube, es war schon immer so, dass der Großteil der Fans sich nur für die Emotionen auf dem Platz interessiert. Die Geschichte vom Siegen und Verlieren. Die Leute, die wirklich wissen wollen, wie Fußball funktioniert, wie leben die Sportler, die kleinen Geschichten am Rande, das war immer nur eine kleine Gruppe von Fans. Viele machen sich einfach ihr eigenes Bild von einem Fußballer und der Sport an sich gilt nur als Projektionsfläche für ihre Träume.

Und die Einzelschicksale, wie das von Heinz Höher, fallen hinten rüber?

Reng: Die kleinen Geschichten um den Alltag der Fußballer, die verrückten Typen, die sind immer noch vorhanden. Ich glaube, der lokale Sportreporter vom VfL Bochum oder Borussia Dortmund könnte abends beim Bier schon noch die lustigen Geschichten erzählen, vom Spieler, der an zwei freien Tagen nach China fliegt, um seine Freundin zu besuchen. Oder vom Spieler, der am Bahnhof steht, den Trainer anruft und fragt: Welches Taxi fährt denn zum Trainingsgelände?

Ausgerechnet zum 50-jährigen Jubiläum der Bundesliga stehen sich zwei deutsche Klubs im Champions-League-Finale gegenüber. Ist die Bundesliga auf dem Höhepunkt ihrer Geschichte angelangt?

Reng: Ja, das kann man schon sagen. Die Liga hat sich relativ viel Zeit gelassen, aber damit sind sicherlich wieder ein paar erfolgreichere Jahre für deutsche Klubs eingeleitet worden. Der deutsche Fußball war lange Jahre sehr unbeweglich und hat lange gebraucht, um mit den Fernsehgeldern das Spiel besser zu machen. Das Geld, das in den Fußball gepumpt wurde, kam lange nicht auf dem Platz an. Erst seit 2008 ist es deutlich besser geworden. Es ist schön zu sehen, dass es zum Großteil ein selbstgemachter Erfolg ist. Das Fundament dazu ist die veränderte Nachwuchsarbeit in Deutschland - das hat über zehn Jahre gedauert, dass wir in diesem Land damit ein Problem hatten. Die Generation von Manuel Neuer, Sami Khedira und Mesut Özil abwärts zeigt deutlich, dass wir einen großen Schritt in die richtige Richtung getan haben.

Also hat die Bundesliga England und Spanien eingeholt oder gar überholt?

Reng: Es ist das Ende des römischen Reiches. In England und Spanien hat man zu spät gemerkt, dass man dem Sport geschadet hat, mit all dem Geld, was man versuchte, aus ihm herauszuschlagen. Das sollte eigentlich ein Vorteil für die Bundesliga sein.

Was ist der große Unterschied zwischen der deutschen Liga und dem europäischen Ausland?

Reng: Was wir in Deutschland nicht richtig schätzen, ist, dass hierzulande die Fans noch als solche angesehen werden; nicht als Kunden. Die Fans in England und Spanien, wo ich lange gelebt habe, sind mehr Quälereien ausgesetzt und müssen sich mehr Torturen von den Vereinen gefallen lassen - sei es durch hohe Ticketpreise oder dadurch, wie das Fernsehen den Spieltag verzerrt. Das geht in Deutschland zwar alles in dieselbe Tendenz, Fußball ist eine riesige Unterhaltungsmaschine geworden, aber in Deutschland haben die Vereine und TV-Sender immer noch Gewissensbisse oder - positiv ausgedrückt - ein Gefühl dafür, dass das Spiel immer noch für den Zuschauer austragen wird. Das hat die Bundesliga schon vor langer Zeit als große Stärke erkannt.

Die Stimmung in deutschen Stadien braucht sich also nicht vor der Premier League verstecken?

Reng: Die Stimmung auf den Ränge ist super. Wobei es mir als Zuschauer fast schon auf die Nerven geht. Der Lärm ist zwar toll, aber offenbar reagieren die sogenannten Ultras gar nicht mehr auf das Spiel, sondern singen nur noch ihre Lieder ab - durchgehend. Das ist nicht die Art, wie ich Fußball schaue. Mich interessiert, was auf dem Spielfeld passiert. Es ist irgendwie irritierend und paradox, wenn Schunkellieder gesungen werden, während die eigene Mannschaft zurückliegt.

Im Jahr 2013 wurde so viel über Pyrotechink diskutiert wie selten zuvor. Was ist Ihre Meinung zu dieser Debatte?

Reng: Mit 43 Jahren bin ich jetzt nicht mehr so darauf aus, selbst Feuerwerkskörper in einem Stadion zünden zu müssen. Ich brauche das nicht. Man sagt, in Barcelona sei ein Opernpublikum im Stadion und trotzdem bin ich immer liebend gerne da gewesen. Gerade das fand ich toll. Es ging nur um das Spiel selbst, nicht um den Lärm drumherum. Aber ich war auch mal 19 und habe mit Leuchtpistolen im Stadion rumgeschossen. Es ist schon nachvollziehbar für mich, weil es eine Art Faszination, ein Gefühl der Macht ist. Sich als Teil einer Gruppe und in selbiger stark fühlen, gehört zum erwachsen werden dazu.

Reng entscheidet 2014 über nächstes Buchprojekt 

Sie scherzten eben, nachdem Sie den Titel des „NDR-Sachbuchpreises des Jahres“ gewonnen haben, könne es doch nur noch bergab gehen. Woran arbeiten Sie im Moment?

Reng: Momentan arbeite ich an gar nichts. Nicht aus Angst, weil das nächste Werk nur schlechter werden kann, sondern weil ich vorher das Robert-Enke-Buch geschrieben hatte und zwangsläufig die Zeit danach nicht genießen konnte. Da war ich sehr verkrampft und sehr beschäftigt mit Roberts Geschichte, weil ich zehn Monate intensiv mit einem toten Freund gelebt habe. Jetzt hatte ich mir bewusst vorgenommen, wenn „Spieltage“ erscheint, das genießen zu wollen. Dankenswerterweise habe ich die Möglichkeit, da wir immer noch zu vielen Lesungen eingeladen werden und viele Leute mit mir noch über das Buch reden wollen. Momentan mache ich journalistischen Krimskrams, damit das Konto nicht absackt und im neuen Jahr denke ich nach, was ich vielleicht als nächstes schreiben könnte.

Können wir wieder mit einem Fußballbuch rechnen?

Reng: Im Moment sind achtzig Prozent auf meiner Liste Fußballthemen. Ich denke, es wird wieder eine Art Fußballbuch werden, wobei ich wirklich nicht weiß, was ich wachen werde. Vom Verlag gibt es Überlegungen, ein kommerzielles Buch zu machen. Oder darf ich es mir leisten, nach dem Erfolg ein noch abseitigeres Thema zu machen? Das ist alles noch völlig in der Schwebe.

Was waren Ihre Fußball-Highlights im Jahr 2013?

Reng: Ich schaue Fußball von der Champions League bis zur F-Jugend runter. Pep Guardiola bei Bayern München war auf internationaler Ebene sicher sehr beeindruckend. Doch mehr als Pep Guardiola haben mich die Spieler beeindruckt, die wie selbstverständlichdie hochkomplexe Umstellung umgesetzt haben und mit welcher Eleganz, mit welcher Genauigkeit die jetzt Guardiola-Fußball spielen. Philipp Lahm ist vielleicht das herausragende Beispiel, der ins zentrale Mittelfeld versetzt wurde und man hat das Gefühl, es gäbe auf der Welt keinen besseren zentralen Mittelfeldspieler. Das ist schon atemberaubend schön wie die spielen. Persönlich hat mich fasziniert, Eintracht Frankfurt wieder in der Europa League zu sehen, gegen Bordeaux. Das war so ein Spiel, wo man noch die Illusion haben konnte, sie sind tatsächlich wieder in Europa vorne dabei – da musste man nur die Bundesligatabelle überkleben (lacht). So zieht es sich halt runter. Mein erster Buchheld, Lars Leese, den ich auch für einen überragenden Trainer halte, wurde ganz kurioserweise und meiner Ansicht nach ungerechterweise in Velbert entlassen als er auf dem Weg zum Klassenerhalt war. Der Regionalligist hatte die Größe, ihn zurück zu holen im November. Er übernimmt eine Mannschaft völlig aussichtslos auf dem letzten Tabellenplatz mit sechs Punkten, zwölf Punkte Abstand zum rettenden Ende. Trotzdem habe ich das Gefühl, der wird das noch schaffen. Das ist etwas, worauf ich in 2014 sehr gespannt bin. Wird es ihm gelingen?

Sie haben also noch weiterhin intensiven Kontakt mit dem "Traumhüter" Lars Leese?

Reng: Ja, ich bin als Journalist – auch wenn ich nach Frankfurt schaue - nicht mehr Fan eines Vereins, sondern ich bin Fan von Mannschaften und einzelnen Spielern, die mich faszinieren. Da ist Lars sicher einer der faszinierendsten, weil ich das Gefühl habe, er hat alles, was ein großer Trainer braucht. Lustigerweise denken alle Spieler, die er trainiert hat, die Präsidenten in den Vereinen, auch so. Trotzdem ist er „nur“ in Regionalliga. Das zeigt, wie schwierig es für einen Trainer ist, nach oben zu kommen. Den beobachte ich schon noch mit großer Spannung. Schafft er es irgendwann in den Profifußball?

Heynckes ist für Reng ein rührendes Vorbild 

Wir haben über Pep Guardiola und die Bayern gesprochen. Der Name Jupp Heynckes ist dabei kein einziges Mal gefallen.

Reng: Das hat keinen Grund (lacht). Das ist meine Fixierung auf Guardiola nachdem ich 12 Jahre in der Blase Barcelona gelebt habe, wo es nur Barça gibt. Jupp Heynckes ist natürlich auch nicht nur für Fußballleute, sondern für alle Menschen ein sehr rührendes Beispiel, wie jemand, dessen Karriere eigentlich schon zu Ende ist, durch einen Zufall reaktiviert wird. Er hat fünf Spiele bei Bayern München ausgeholfen und danach hat ihn Leverkusen geholt. Er war eigentlich schon im Ruhestand. Er ist aber auch durch die Ruhe, durch das Nachdenken über sich und seinen Beruf so gelassen geworden, hat so viele Erkenntnisse gewonnen, dass er noch mal einen Quantensprung als Trainer gemacht hat. Ich kenne ein paar Spieler, die ihn vor ein paar Jahren in Leverkusen hatten. Die schwärmen von ihm als menschlich überragenden Trainer. Und Heynckes hat es dann in München geschafft, aus diesen Egoshootern eine Mannschaft zu formen, wo man auf Grund der Vereinspolitik, der bayrischen Seifenoper auf dem Planeten Hollywood, immer das Gefühl hat, sie sei nicht richtig sozialisierbar. Wenn man Arjen Robben jetzt spielen sieht, diese Freude, die er an Fußball hat und diese absolute Bereitschaft, für die Mannschaft zu spielen, dann muss man heute noch immer an Jupp Heynckes denken. Er hat den Grundstein gelegt hat, dass Arjen Robben noch ein wirklicher Teamspieler geworden ist. Er ist ein Beispiel für alle Menschen, was man noch in sich drin hat, was man noch erreichen kann, wenn man vielleicht selber gar nicht mehr daran glaubt.

Was ist Ihre Meinung zu Jürgen Klopp, der als Trainer immer zwei Gesichter zeigt?

Reng: Auch Trainer sind Menschen. Wir brauchen nicht versuchen, die wenigen Schwächen, die ein Jürgen Klopp hat, ihm ins Gesicht zu reiben. Jürgen Klopp hat in der heutigen Zeit der Kommerzialisierung, wo Heribert Bruchhagen gesagt hat, es geht nicht mehr, mit einem niederliegenden Verein in die Weltspitze vordringen. Das hat er geschafft! Watzke hat sich ja auch sehr gemacht, er war vorher auch sehr anstrengend im Verein, weil er immer mitsprechen und seine Transfers reinbringen wollte. Selbst er hat durch Jürgen Klopp verstanden, seine Rolle zu finden – nämlich hinter Jürgen Klopp. Jürgen Klopp, bei allen Helfern, die er hat, Buvac, der ihm in der Trainingsarbeit hilft, ist er der entscheidende Faktor gewesen, etwas Fantastisches zu schaffen und den ewigen Hoffnungsträger wieder zu einem absoluten Spitzenverein zu machen. Seine Direktheit, seine Geradlinigkeit macht Klopp ja auch aus. Dann würde ich ihm nie vorwerfen, wenn er in dieser Direktheit, auch einmal menschlich verletztend oder ungerecht wird. Das war er auch schon bei Mainz 05, wenn man die Leute dort spricht. Dort hat er auch mal seine cholerischen Anfälle gehabt, aber das gehört dazu. Kein Mensch und auch kein Trainer ist emotional eindimensional. Da muss man auch einmal die unangenehmeren Seiten akzeptiert.

Was erwarten Sie vom WM-Jahr, von der Nationalmannschaft?

Reng: Die rudern jetzt schon zurück in der Nationalmannschaft, als hätte man als Europäer in Brasilien keine Chance irgendetwas gewinnen zu können - gegen den Dschungel, gegen die Hitze, gegen die Bedingungen. Ich finde es schon eine tolle Mannschaft und ich sehe in der Welt keine, die wirklich besser ist. Brasilien wird sicher, weil sie zuhause spielen, ein bisschen besser spielen, als sie es sonst tun. Mich regen die eher auf, mit ihrem langsam betulichem Fußball, der von der Qualität einzelner Spieler lebt, die zuschlagen. Ich glaube schon, dass Deutschland zu den drei, vier besten der Welt gehört. Und ich wüsste auch keine Mannschaft, die ich derzeit vor Deutschland bei dem Turnier sehen würde. Ich erwarte nichts von ihnen, aber bin sehr neugierig, ob sie in Brasilien gewinnen können.

Was erwarten Sie vom Turnier an sich, wo es nicht nur Probleme mit dem Stadionbau gab?

Reng: Ich glaube, und das ist durchaus wichtig, dass die Leute so ein Turnier als politische Plattform nutzen. Nachdem das beim Confed Cup passiert ist, wird es wieder passieren. Und das ist sehr begrüßenswert. Fußball hat in der öffentlichen Wahrnehmung solche Dimensionen erreicht, das ist politischer denn je. Das sollen auch auch die Leute in Brasilien für ihre durchaus berechtigten politischen Proteste gegen die Regierungspolitik nutzen. Sicher wird das ein großer Faktor sein. Sportlich: Die EM 2012 war sehr geprägt von diesem Kompaktstehen und Konterland-Fußball, wie Pep Guardiola immer sagt. Ich sehe bisher keine Entwicklung weg davon. Wobei man sagen muss, von der WM in Südafrika habe ich auch nicht viel erwartet und da gab es teilweise richtig schönen, ansehnlichen Fußball, auch dramatischen Fußball. Ich hoffe auf so eine Weltmeisterschaft wie in Südafrika mit einigen Überraschungen und sehr gutem Fußball.

Soziale Netzwerke gehören auch zum modernen Fußball, die das Spielgeschehen begleiten. Sie haben bereits eine Facebook-Seite. Ist Twitter keine Plattform, die Sie reizt?

Reng: Ich mache ja jetzt immerhin schon Facebook, wo ich vom Verlag zu verdonnert wurde. Das ist ja schon ein Quantensprung für mich (lacht). Ich muss sagen, ich habe im Alltag habe nicht die Zeit dafür. Vielleicht ist das auch Gewohnheit. Ich habe immer das Gefühl, immer noch andere Sachen zu tun zu haben. Ich telefoniere tatsächlich noch sehr viel mit Leuten, da geht sehr viel Zeit drauf. Ich weiß immerhin, was Twitter ist. Ich habe mir auch von meinem Freund Raphael Honigstein zeigen lassen, wie ich da auf Twitter nachschaue, was er da zum Beispiel schreibt. Ich habe bei mir immer das Gefühl, da besteht Suchtgefahr. Deshalb mache ich das nicht. Ich habe beispielsweise noch ein altes Handy, eines ohne Internetzugang, weil ich Angst hätte, bei einem Smartphone würde ich die ganze Zeit auf meine Emails schauen. Deswegen versuche ich mich, von Twitter fernzuhalten. Da würde man ja ständig draufschauen. Und gerade als Buchschreiber muss ich mich ja viele Stunden am Stück konzentrieren. Von daher versuche ich mich aus Selbstschutz noch fernzuhalten.