München. Ein Deutscher steht an der Spitze des Internationalen Olympischen Komitees. Befürworter einer Münchner Kandidatur um die Winterspiele 2022 hoffen nun auf einen neuen Schub. IOC-Funktionär Pound ist sich dessen sicher - und verweist auf ein Beispiel von 1992.

Die Wahl von Thomas Bach könnte einer möglichen Münchner Olympia-Bewerbung für 2022 nach Ansicht führender Sportfunktionäre einen neuen Schub versetzen. "Das vermindert Münchens Chancen auf keinen Fall. Im ungünstigsten Fall wäre sein Einfluss neutral. Man muss sich ja nur mal Barcelona 1992 anschauen", sagte IOC-Mitglied Richard Pound am Mittwoch. Damals waren die Sommerspiele an die Heimatstadt von IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch vergeben worden. DOSB-Generaldirektor Michael Vesper zeigte sich sicher, dass Bachs internationaler Aufstieg "keinerlei negative Auswirkungen" auf die angestrebte Kandidatur Münchens hat.

Bach selbst wertete seine Wahl als positives Signal für München. Sein Aufstieg könne gleich in zweierlei Hinsicht positiv wirken, sagte der Jurist in Buenos Aires. "Zum einen ist das Thema Olympia und Olympische Spiele in Deutschland positiv besetzt. Zum anderen werden sich die IOC-Mitglieder im Falle einer Münchner Bewerbung daran erinnern, wie sehr ich mich für München 2018 eingesetzt habe", meinte Bach. Damals war die Münchner Kandidatur nur knapp gescheitert.

Kritiker sehen auch Nachteile

Kritiker sind bei der Beurteilung vorsichtiger - und sehen nicht unbedingt Vorteile. "Die Delegierten des IOC werden künftig bei Entscheidungen vermutlich eher darauf achten, dass ein Land nicht zu dominant wird, wenn schon die Führungsposition nach Deutschland geht", urteilte Clemens Prokop, Chef des Deutschen Leichtathletik-Verbandes, einen Tag nach Bachs Wahl zum Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees (IOC).

Auch das olympia-kritische Bündnis "Nolympia" erkennt keine Vorteile in Bachs Beförderung. "Die Chancen von München sind eher gesunken", sagte Sprecher Axel Doering der Nachrichtenagentur dpa. "Der Herr Bach kann jetzt nicht mehr so offen für die Austragung der Olympischen Spiele in München eintreten", befand er.

Bach nun zur Neutralität verpflichtet

Bach war als Chef des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) beim Münchner Bewerbungsanlauf für 2018 noch einer der populärsten Werbeträger für ein Ringe-Spektakel in Deutschland. Vesper wies die Aussagen der Kritiker zurück: Nach Bachs Wahl sei "das allgemeine Klima sehr positiv. Alle anderen Einschätzungen sind ein Wunschdenken von Gegnern", kommentierte er.

Auch interessant

Offene Unterstützung von Bach für eine mögliche Kandidatur ist mit seiner Wahl am Dienstagabend aber in jedem Fall Vergangenheit. Als neuer IOC-Präsident sei Bach "zur Neutralität verpflichtet, er hat die Interessen des internationalen Gesamtsports zu vertreten", betonte Prokop im Bayerischen Rundfunk. Grundsätzlich komme es bei Olympia-Bewerbungen weiterhin "nicht auf die Kontakte zum Präsidenten, sondern allein auf die Qualität" an. Die bayerische Landeshauptstadt will sich nach ihrem missglückten Versuch für die Winterspiele 2018 nun womöglich um die Austragung für 2022 bemühen.

Allerdings formieren sich allmählich auch namhafte Konkurrenten. Barcelona bereitet sich nach Angaben von Bürgermeister Xavier Trias intensiv auf eine Bewerbung vor, in Oslo hat sich am Dienstag bei einer Volksabstimmung die Mehrheit ebenfalls für eine Kandidatur ausgesprochen. Offiziell beworben hat sich zudem bereits Kasachstans Großstadt Almaty; auch das polnische Krakau und das ukrainische Lwiw haben bereits mehr oder weniger ihr Interesse bekundet.

Oslo als starker Kohnkurrent

Vor allem die norwegische Hauptstadt stelle einen "starken Konkurrenten" dar, wie Münchens Oberbürgermeister Christian Ude betonte. Der SPD-Spitzenkandidat für die bayerische Landtagswahl gratulierte Bach freilich zur Wahl, musste aber eingestehen: "Als neuer IOC-Präsident und fairer Sportsmann wird er nun eine mögliche Münchner Bewerbung natürlich nicht mehr vorantreiben können."

Bei der Kandidatur für 2018 habe Bach noch "in exzellenter Art und Weise" die deutschen sportpolitischen Interessen vertreten, sagte Christa Thiel, DOSB-Vizepräsidentin und Chefin des Deutschen Schwimm-Verbandes. "Ich glaube, dass die Parameter jetzt noch besser sind."

Thomas Bach

Buenos Aires war für Thomas Bach schon einmal eine magische Stadt. Bei der Fecht-WM 1977 hatte er mit dem deutschen Florett-Team nach einem 1:7-Rückstand im Finale gegen Italien doch noch WM-Gold gewonnen. Bachs Lebensmotto: Alles ist möglich. Auch der Sprung ...

Thomas Bach

...an die Spitze einer Weltorganisation für einen Strategen aus der fränkischen Provinz. Am 10. September wird der 59 Jahre alte Wirtschaftsanwalt aus Tauberbischofsheim in der argentinischen Hauptstadt...

Thomas Bach

... zum ersten Deutschen IOC-Präsident gewählt. Die letzten Stunden vor dem Wahlfinale waren zäh. Die Rituale wiederholten sich. Händeschütteln, Nettigkeiten, Schulterklopfen, freundlich sein - der Nächste bitte. Mit einer bemerkenswerten Beharrlichkeit arbeitete er sich durch die Hotel-Lobby, von einem stimmberechtigten...

Thomas Bach

... IOC-Kollegen zum nächsten. Bach kann das im Schlaf. Zielorientierter Funktionärs-Small-Talk. Körperlich präsent, mit den Gedanken zwischendurch weit weg. Heute Buenos Aires, morgen Acapulco - und übermorgen Traunstein.Der Multi-Funktionär ist aus Erfahrung vorsichtig. Zu viel Offenheit ist gefährlich, zu viel Zurückhaltung...

Thomas Bach

... auch. In diesem Spannungsfeld bewegt er sich, seit er als Fünfjähriger mit dem Fechten begann. Den richtigen Moment zu erwischen, zwischen Deckung und Attacke. Die Angriffe seiner Gegner, er habe aus seinen Ehrenämtern berufliche Vorteile gezogen, parierte Bach fast schon routiniert. Im Rahmen der Siemens-Bestechungsaffäre wurde sein lukrativer Beratervertrag mit dem Münchner Weltkonzern durchleuchtet. Anschuldigungen, es gebe einen Interessenkonflikt, wurden laut. Der Präsident...

Thomas Bach

... der deutsch-arabischen Industrie- und Handelskammer vermische Beruf und Ehrenamt. Bach verlor schließlich sein hoch dotiertes Siemens-Mandat, weitere Konsequenzen gab es nicht. Die Compliance-Abteilung von Siemens teilte mit, eine Überprüfung habe zu "keinerlei Beanstandungen" geführt, an Bachs Integrität bestünden "keine Zweifel". Der Konzern war damals für die technische Infrastruktur an zahlreichen...

Thomas Bach

... Wettkampfstätten der Peking-Spiele 2008 verantwortlich. Sein Freund Sebastian Coe nennt den IOC-Vize "Professor". Dr. jur. Bach wägt sehr genau ab, bevor er handelt. Mal ist er Bauchmensch, mal Kopfmensch, manchmal auch beides gleichzeitig, gibt er zu. In den Tagen von Buenos Aires...

Thomas Bach

...wirkte er vor allem zuversichtlich, irgendwie angekommen in seinem persönlichen Koordinatensystem des vermeintlich planbaren Erfolgs. Seine Unterstützer sagen: Der Strippenzieher spiele kein Spiel, das er nicht gewinnt. Dabei waren es gerade die schmerzhaften Erfahrungen, die ihn ...

Thomas Bach

...entscheidend prägten. Der Tod seines herzkranken Vaters, als er 14 war. Bach Jr. musste im elterlichen Textilhandel aushelfen, der Tauberbischofsheimer Fechtpapst Emil Beck kümmerte sich um den strebsamen Teenager. Bach holte 1976 Olympia-Gold mit der Florett-Mannschaft (hier in der Mitte des Bildes). Oder der Boykott der Moskau-Spiele 1980, den er als Athletensprecher nicht...

Thomas Bach

...verhindern konnte. Bundeskanzler Helmut Schmidt bügelte ihn einfach ab. Bach hat seine Ohnmacht bis heute nicht vergessen. Oder die gescheiterten deutschen Olympia-Bewerbungen mit Leipzig, Berlin und München - alle mit ihm verbunden. Sport sei persönlichkeitsbildend, sagte der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Bach hat ...

Thomas Bach

...viele Facetten. Schwache Nerven gehören nicht dazu. Der ambitionierte Advokat konnte schon früh in großen Linien denken. Das gefiel auch seinen weiteren Förderern. Der inzwischen gestorbene IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch (rechts im Bild) berief ihn nach dem Olympischen Kongress 1981 in Baden-Baden in die neu geschaffene Athleten-Kommission. Adidas-Chef Horst Dassler stellte ihn 1985 als Direktor für Internationale Beziehungen ein. Und Willi Daume machte 1991 sogar seinen Platz im IOC für Bach frei. Eine bessere Nachhilfe...

Thomas Bach

... in Sachen Machtpolitik und Kommerzdenken konnte sich der pragmatische Franke nicht wünschen."Jeder hat mir auf seine Weise für mein Leben und meine Laufbahn Impulse gegeben", betonte Bach. Von seinen bisher 22 Jahren im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) hat er bereits 15 Jahre in der Exekutive hinter sich und in bisher 14 Kommissionen gearbeitet. Seit zehn Jahren ist er Vizepräsident. Bach beherrscht das strategische Winkelspiel in der olympischen Familie wie kaum...

Thomas Bach

... ein Zweiter. Egal ob als Vorsitzender der Juristischen Kommission oder als Chef der Disziplinarkammer bei Olympischen Spielen. Auch Vorsitzender der Berufungskammer des Internationalen Sportgerichtshofs CAS war er schon; die europäischen TV-Rechte für Olympia hat er ebenfalls verhandelt. Bach ist...

Thomas Bach

... ehrgeizig und hält das nicht für negativ. Er war früher Messdiener und verkauft sich inzwischen gern als bodenständiger Bewahrer und weltoffener Reformer. Er habe zwei linke Hände, gesteht Bach, der auch Aufsichtsratsvorsitzender der Michael Weinig AG - Weltmarktführer für Holzverarbeitungsmaschinen - ist. Seit Mai 2006 ist er ...

Thomas Bach

...zudem Gründungspräsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) - vielleicht nicht mehr lange. Bach beherrscht viele Rollen und er kann auch mühelos zwischen ihnen hin- und herwechseln. Der Netzwerker legt nach eigener Aussage großen Wert auf Authentizität und Verbindlichkeit. Bach ist analytisch, fintenreich und berechnend, aber vor allem eines: schwer greifbar. (dpa)

1/15

Bis zum 14. November müssen die Unterlagen und eine erste Gebühr beim IOC eingereicht werden. Bereits seit Monaten finden regelmäßig Koordinierungssitzungen mit Vertretern der vier vorgesehenen Olympia-Orte München, Garmisch-Partenkirchen, Ruhpolding und Königssee sowie einem DOSB-Repräsentanten statt. Vier Tage vor Bewerbungsfrist (14. November) sind schon jetzt Bürgerentscheide an allen vier vorgesehenen bayerischen Schauplätzen geplant. Am 31. Juli 2015 entscheidet die IOC-Vollversammlung schließlich in Kuala Lumpur über die Vergabe der Spiele. (dpa)