Essen. . Thomas Bach tritt am Dienstag in Buenos Aires bei der Wahl zum Präsidenten des Internationalen Olympischen Komitees an. Seine Strategie im Vorfeld: Er sitzt die Vorwürfe seiner Konkurrenten aus. Er hat seinen Weg seit über 20 Jahren geplant und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen.

Thomas Bach ist ein Mensch, der seine Karriere konstruiert und aufgebaut hat wie ein Zimmermann einen Dachstuhl: Ruhig und konzentriert. Er arbeitet seit über 20 Jahren auf sein Ziel hin. Bach (59) möchte an diesem Dienstag auf der Vollversammlung des Internationalen Olympischen Komitees in Buenos Aires zum IOC-Präsidenten gewählt werden und damit zum mächtigsten Sportfunktionär der Welt aufsteigen.

Die erstaunlichste Facette in seiner Karriere, in der er es bereits im Jahr 2000 zum IOC-Vize geschafft hat: Thomas Bach zieht seine Fäden in der Sport-Diplomatie im Stillen, und er hat sich nie einen Fehler erlaubt, der ihn zurückwarf.

Schaut man auf die Fotos von 1976 aus Montreal, dann blickt man in das Gesicht eines Mannes, der sich bis heute kaum verändert hat. Bach hatte damals mit den deutschen Fechtern bei Olympia Gold gewonnen. Die 70er waren die Zeit, in der man Crevetten-Cocktails aß, sich die Hemden bis zum Bauchnabel aufriss und Lachsäcke verdammt komisch fand.

Doch Bach hält auf den Fotos die Goldmedaille in die Kamera, seine Frisur liegt ordentlich, er trägt eine Pilotenbrille und lächelt zufrieden. Ausraster auf einer Sieger-Party kamen für den Juristen schon damals nicht in Frage.

Im Schatten von IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch

Im Schatten des damaligen IOC-Präsidenten Juan Antonio Samaranch, der viele Dinge tat, die der Liebe Gott verboten hat, wechselte Bach die Seiten und verwandelte sich in einen geschickten Funktionär. Als der Belgier Jacques Rogge im Jahr 2001 zum Nachfolger des Spaniers Samaranch wurde, hielt Bach still, obwohl ihn einige Kollegen bereits in die erste Reihe schieben wollten. Er wusste: Die Zeit war noch nicht reif für ihn.

Er baute die Führungsstrukturen im deutschen Sport um, machte aus dem Nationalen Olympischen Komitee 2006 den Deutschen Olympischen Sportbund und ließ sich zum Präsidenten küren. Im Sport läuft seitdem nichts mehr ohne den Mann aus Tauberbischofsheim, der sich im Laufe der Jahre international so gut vernetzte, als hätte er gerade mit Auszeichnung die Diplomatenschule absolviert.

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Auftritte in der Öffentlichkeit sind für Thomas Bach wie ein Elixier

Ein Weg, der ihn viel Kraft kostete. 2009, im heißen Sommer der Leichtathletik-WM von Berlin, saß Bach in seinem Büro in der Hauptstadt und wirkte müde wie seit Jahren nicht. Es war ein Nachmittag, seine Worte kamen unkonzentriert, seine Sätze waren kürzer als normalerweise. Am Abend lief dann Jamaikas Sprint-König Usain Bolt im Berliner Olympia-Stadion um WM-Gold. Kurz vor dem Start betrat Bach die Ehrentribüne. In seinem dunkelblauen Anzug sah er frisch und ausgeruht aus. Schwer zu sagen, wie Bach das schafft. Aber Auftritte in der Öffentlichkeit sind für ihn wie ein Elixier.

Seine Worte sind dabei oft lediglich so hart wie Watte. Es fällt schwer, sich darin zu reiben. Bach ist und bleibt der König der Diplomatie. Hat man ihn im Vorfeld der deutschen Olympiabewerbung für 2008 nach den deutschen Chancen gefragt, antwortete er: „Wir haben uns wie ein Athlet auf die Kandidatur vorbereitet, die Form stimmt.“

Die deutsche Bewerbung mit Leipzig scheiterte damals krachend. Doch Bach hatte es geschafft, mit dem Sportler-Vergleich zu betonen: Es ist ein Wettkampf, man kann ihn verlieren. Eine geschickte Taktik, Thomas Bach vermied damit, dass er Schrammen abbekam.

Kampf mit harter Bandagen

In Buenos Aires hat er nun, viele Jahre später, auf die Frage nach seine Wahl-Chancen erneut diese Taktik genutzt und geantwortet: „Ich habe mich wie ein Athlet vorbereitet, die Form stimmt.“

Die Vorwürfe seines Schweizer Gegenkandidaten Denis Oswald prallen an ihm ab: Bach nutze seine sportlichen Kontakte, um wirtschaftliche Interessen durchzusetzen. Im Gegenzug würden seine Wirtschaftspartner aus Kuwait - namentlich Scheich Ahmad al-Sabah - bei der Wahl für Stimmen aus dem arabischen Raum sorgen.

Bach reagiert nicht öffentlich auf diese Vorwürfe. Es ist keine neue Erkenntnis, dass bei Olympia-Wahlen kurz vor der Entscheidung mit harten Bandagen gekämpft wird.

Thomas Bach wusste das, und er wird reagieren. Im Stillen, so wie er es perfektioniert hat. Er wirkt vor der Wahl selbstsicher. Eben wie ein Zimmermann, der weiß: Sein Dachstuhl wird halten.