Essen. . Am Wochenende startet die neue Saison der Handball-Bundesliga. THW-Kiels Erfolgstrainer Alfred Gislason spricht im Interview über den Umbau seiner Erfolgsmannschaft, das Verhältnis von Handball und Fußball und die Ersatz-Oma seiner Kinder aus Essen.
Alfred Gislason ist auf dem Weg zum Training. Im Hintergrund brummt der Motor. Er führe seine Interviews meist aus dem Auto heraus, sagt der 53-jährige Isländer. Zwei Trainingseinheiten am Tag, Sponsorentermine und Pressekonferenzen machen erfinderisch. Ein Gespräch über den Umbau seiner Kieler Erfolgsmannschaft, über die Konkurrenz in der Bundesliga und die Herrschaft des Fußballs über Sport-Deutschland.
Herr Gislason, Sie waren von 1983 bis 1988 Spieler von Tusem Essen. Halten Sie noch Kontakt?
Alfred Gislason: Es gibt eine besondere Frau in Essen, die uns damals viel geholfen hat. Meine Kinder sehen sie als so eine Art dritte Oma. Sie und ihr Mann waren immer für uns da. Noch heute besucht Sie uns.
Nun sind Sie schon seit fünf Jahren Trainer beim THW Kiel. In dieser Zeit haben Sie zwei Mal die Champions-League gewonnen. 2012 haben sie sogar das Triple geholt, und ihr Team hat in der Liga jedes Spiel gewonnen. Was treibt Sie noch an?
Gislason: Ich finde auch einen Umbruch interessant, wie wir ihn gerade in Kiel vollziehen. Wenn man neue Leute bekommt – junge Leute –, denen man noch viel beibringen kann.
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Seit zwei Jahren bauen Sie nun schon ihre Mannschaft um. . .
Gislason: . . .so ist das Leben. Die Spieler sind einfach älter geworden. Man hätte sicher noch ein, zwei Jahre warten können, aber dann wäre der Umbruch noch viel heftiger geworden. Deswegen haben wir im letzten Jahr schon angefangen und nun in zwei Jahren mehr als die halbe Mannschaft ausgewechselt.
Also wurde der Umbruch auch von Ihnen forciert?
Gislason: Junge Spieler sind immer preiswerter. Aber das war nicht Hauptthema. Natürlich hätte ich gerne einen Mann wie Daniel Narcisse behalten. Wir haben ihm einen Einjahresvertrag geboten, da er 34 wird. Er wollte einen Dreijahresvertrag. Den hat er in Paris bekommen.
Am Wochenende ist Bundesliga-Start. Wie war die Vorbereitung?
Gislason: Wir hatten ein paar Verletzungen, das ist nicht ideal. Aber die neuen Spieler sind gesund geblieben. Deswegen bin ich zufrieden. Obwohl man sagen muss, dass wir sicherlich noch nicht unser altes Handballniveau haben.
Glauben Sie denn, dass sie wieder das Niveau der Triple-Saison 2012 erreichen können?
Gislason: Ich glaube nicht, dass jemals wieder eine Mannschaft jedes Ligaspiel gewinnen kann.
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Was sind ihre Ziele diesem Jahr?
Gislason: Wir glauben natürlich, dass wir Meister werden können. Aber auch Flensburg hat gute Karten. Genauso wie Hamburg, die Rhein-Neckar Löwen und die Füchse aus Berlin. Ich denke es wird ein Fünfkampf. Wir wollen die Final Four in Hamburg und Köln erreichen und um die Deutsche Meisterschaft mitspielen.
Handball steht in Deutschland im Schatten des Fußballs. In dieser Saison überträgt Sport 1 sogar lieber die Fußball-Regionalliga als die Handball-Bundesliga. Sind sie neidisch auf den Fußball?
Gislason: Ja, schon. Das Fernsehen wird überflutet mit Fußball. Gerade die Öffentlich-Rechtlichen kommen ihrer Aufgabe zu wenig nach. Sie müssten auch andere Sportarten als Fußball zeigen, auch wenn ich ihn selbst gerne schaue. Ich glaube man könnte ein Super-Produkt machen – Handball ist eine sehr zuschauerfreundliche Sportart.
Und die deutsche Bundesliga gilt als die beste Liga der Welt. Im Vergleich dazu ist die Nationalmannschaft momentan nur Mittelmaß. Was sind Ihrer Meinung nach die Gründe für diesen Unterschied. Haben auch Sie mit dem THW Kiel eine gewisse Verantwortung daran?
Gislason: Wir tragen auch Verantwortung, wie jeder Bundesligist. Wir haben in den letzten Jahren sehr viel im Jugendbereich investiert. Deutschland hat aber sicher das Pech, das die besten Spieler der Welt hier spielen. Sie verdrängen die jungen Spieler. Es kommt aber auch auf die Bedingungen im Land an. Deutschland ist eine Fußballnation, keine Sportnation. Wenn 90 Prozent des Geldes für den Sport in den Fußball gehen, ist es klar, dass es dem gut geht. Die anderen Sportarten kommen aber zu kurz.
Sie haben es schon angesprochen, Sie interessieren sich auch für Fußball und sind als Fan auch im Revier verwurzelt. Sie halten zu Borussia Dortmund. Wie kam es dazu?
Gislason: Das hängt mit dem Tusem Essen zusammen. Damals war ich der einzige Ausländer. Die meisten meiner Mannschaftskollegen waren Schalke-Fans, ein paar BVB-Anhänger. Ich wollte wieder ein Gleichgewicht herstellen. Deswegen bin ich nun Dortmund-Fan.
Wer wird Meister in der Fußball-Bundesliga?
Gislason: Bayern wird es wohl machen.
Und im Handball?
Gislason: Schwer zu sagen, ich denke, Flensburg hat die besten Karten.