Sotschi. Die Wintersport-Nation Russland darf 2014 selbst Gastgeber von Olympischen Winterspielen sein. Angefeuert von Kremlchef Putin plant das größte Land der Erde in Sotschi ein Ringe-Spektakel der Superlative. Die Einwohner selbst sind aber skeptisch.

Explodierende Kosten, Korruption und höllisch lauter Baulärm: Ein Jahr vor den Olympischen Winterspielen 2014 in Sotschi sind viele Einwohner der russischen Schwarzmeerstadt genervt. "Die stecken sich doch das meiste Geld in die eigenen Taschen", schimpft der Ingenieur Wladimir. "Schau doch mal, wie viele Nobelkarossen mittlerweile hier herumfahren." Rund 37,5 Milliarden Euro sollen die teuersten Winterspiele der Geschichte insgesamt kosten, ein Vielfaches der anfangs kalkulierten Summe.

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Zwar wiegeln Offizielle und selbst IOC-Chef Jacques Rogge ab: Grund für die immense Summe sei vielmehr, dass die komplette Infrastruktur neu entstehe. Doch auch Kremlchef Wladimir Putin, der die Spiele fast im Alleingang nach Sotschi geholt hat, platzt angesichts der hohen Mehrkosten bei einem Kontrollbesuch der Kragen.

Russland eröffnet den Countdown für die Winterspiele 2014

Laut knattern die Bohrmaschinen im Zentrum von Sotschi. Der Lärm ist täglicher Begleiter in dem mediterran anmutenden Kurort. "Das macht uns schon zu schaffen", meint Sinaida, die mit ihrer kleinen Tochter in einem Park unter Palmen spazieren geht. Kaum findet sich eine Ecke in der Stadt mit ihren 400 000 Einwohnern, an der nicht gerade Arbeiter an einem neuen Hochhaus werkeln.

Genau ein Jahr vor Beginn des milliardenteuren Ringe-Spektakels eröffnet Russland den Countdown: Putin und Rogge wollten gemeinsam am Abend bei einer spektakulären Zeremonie im neuen Eispalast den offiziellen Startschuss geben. Die Sicherheitsvorkehrungen sind groß, an Tunneln und Bushaltestellen patrouillieren Polizisten.

Über die Meerespromenade flanieren derweil Urlauber im Sonnenschein. "Die milde Luft, der Blick über das Meer, das ist schon toll", schwärmt Maxim aus Moskau. "Ich bin stolz, dass die ganze Welt in einem Jahr auf uns schauen wird", sagt der 37-Jährige.

Für Touristen ist die Anreise bislang aber noch recht umständlich. So gibt es derzeit keine Direktflüge aus Deutschland. Experten fürchten zudem, der Flughafen könnte zu klein sein. Nebel ist immer wieder Grund für Flugausfälle.

Mängel in der Infrastruktur lassen den Verkehr zum Erliegen kommen

Die Zeit bis zur Eröffnungsfeier am 7. Februar 2014 wird nach Ansicht von Experten knapp. Die Sportstätten seien so gut wie fertig, betont zwar OK-Chef Dmitri Tschernyschenko bei jeder Gelegenheit. Doch selbst Putin kritisiert die Verzögerungen von bis zu zwei Jahren scharf. Beim Treffen mit dem IOC, das die Arbeiten an der Skisprungschanze moniert, macht der Präsident dann aber gute Miene.

Noch immer hapert es jedoch an der Infrastruktur. So kommt der Verkehr zwischen Sotschi und dem internationalen Flughafen sowie den Olympiastätten im Stadtteil Adler immer wieder zum Erliegen. Das Merchandising läuft hingegen schon auf Hochtouren. T-Shirts mit dem Sotschi-2014-Logo weisen auf das nahende Mega-Ereignis hin.

In einem Skatepark üben Jugendliche auf BMX-Rädern tollkühne Sprünge. "Die Snowboard-Wettkämpfe würde ich mir schon anschauen. Alles andere finde ich langweilig", sagt der 16-jährige Dmitri.

Noch ist das Interesse der Russen an vielen Disziplinen gering. Beim Weltcup der Nordischen Kombinierer fand sich nur eine Hand voll Zuschauer auf den Tribünen ein, wie Besucher berichten. Sorgen bereitet auch das milde Wetter. Im Skiressort Krasnaja Poljana, etwa 40 Kilometer oberhalb von Sotschi, herrschen am Vortag plus acht Grad Celsius. "Olympia findet bei jedem Wetter statt - egal, ob es schneit oder nicht", beschwichtigt OK-Chef Tschernyschenko.

Am Flughafen deutet jetzt schon alles auf Olympia hin

Ein Großprojekt ist der Bahnhof in Adler, nahe dem Olympiagelände. Die verspiegelte Fassade passt nicht recht zu dem bislang beschaulichen Ort. Schon bald sollen moderne Schnellzüge aus deutscher Produktion Olympiafans und Skitouristen aus dem rund 1400 Kilometer entfernten Moskau herankarren. Vor der Baustelle sitzt Ibrahim mit seinen Kumpels und lässt sich nicht aus der Ruhe bringen. "In einem Jahr ist alles vorbei, dann haben wir wieder unsere Ruhe. Warum aufregen?", sagt er und widmet sich wieder seinen Spielkarten.

Am Flughafen sieht es bereits nach Olympia aus. Vor dem Gebäude empfängt das Ringe-Logo die Gäste. In der Eingangshalle wuseln Freiwillige in blauen Klamotten mit dem Sotschi-Schriftzug herum. Junge Leute in knallroten Jacken eines US-Brauseherstellers stürmen auf die Ankommenden zu und verschenken gekühlte Getränke. "Willkommen in Sotschi. Nur noch ein Jahr bis Olympia", rufen sie. (dpa)