München. Von allen noch so Aufsehen erregenden Wechseln zum Start der 47. Bundesliga-Saison ist einer zwar nicht der schlagzeilenträchtigste, historisch aber der bedeutungsvollste und bemerkenswerteste: Nach dreißig Jahren sitzt Uli Hoeneß (57) nicht mehr auf der Bank, sondern auf der Tribüne.
16 deutsche Meisterschaften hat der FC Bayern München errungen, seit der 74er Weltmeister am 1. Mai 1979 mit 27 Jahren zum „Banker" - durchaus im doppelten Wortsinn - des Rekordmeisters wurde. Künftig wird es ungewohntes Bild für den Fernsehzuschauer sein beim Schwenk der Kamera auf die Bayern-Bank: kein Uli Hoeneß.
Herr Hoeneß, wie ist oder wird Ihnen zumute sein, wenn Sie an diesem Samstag in Hoffenheim erstmals seit dreißig Jahren in Bundesliga nicht mehr auf der Bank sitzen?
Uli Hoeneß: Das kann ich noch nicht sagen, denn bisher waren es ja nur Vorbereitungsspiele und ein Pokalspiel gegen einen unterklassigen Gegner. Da habe ich keine Nervenkraft gebraucht. Wie das am Samstag sein wird, wenn es stressig zugeht, das kann ich jetzt noch nicht beurteilen.
Glauben sie, dass Sie künftig auf der Tribüne die Spiele des FC Bayern entspannter verfolgen und genießen können?
Hoeneß: Die Anspannung wird natürlich genauso sein. Aber man muss seine Gefühle noch mehr unter Kontrolle halten als da unten auf der Bank, wo man ja nicht immer beobachtet werden konnte.
Erinnern Sie sich noch, welches Ihr erstes Spiel als Manager auf der Bank war?
Hoeneß: Kann ich jetzt nicht mehr genau sagen. Ich habe am 1. Mai 1979 angefangen. Das muss danach eines der ersten Spiele gewesen sein.
Haben Sie seitdem überhaupt einmal ein Bundesligaspiel auf der Bank versäumt?
Hoeneß: Einmal waren wir in Südamerika, um Spieler zu beobachten. Ich denke, es waren in den dreißig Jahren nicht mehr als fünf.
Mit welchem der zwölf Trainer an Ihrer Seite haben Sie sich am innigsten oder gar nicht umarmt? Wie war es mit Franz Beckenbauer?
Hoeneß: Es gab mit allen eine sehr gute Kommunikation und Verbindung. Ich kann mich an ein Tor in Hamburg von Adolfo Valencia zum Sieg erinnern, da sind der Franz und ich wie zwei kleine Kinder rumgesprungen und haben uns umarmt.
War von Anfang an die Sitzordnung klar, links direkt neben dem Trainer?
Hoeneß: Das war unterschiedlich. Normalerweise war es so, dass der Cheftrainer ganz links sitzt, dann der Assistent, dann ich. Beim Jürgen Klinsmann war das anders. Der wollte mich direkt neben sich haben. Aber im Normalfall war es immer so, dass ich zwei Plätze neben dem Cheftrainer saß.
Können Sie sich erinnern, welcher Rat an den Trainer der wichtigste und vielleicht spielentscheidende in einem Bundesliga-Spiel war?
Hoeneß: Ich möchte über Inhalte und vertrauliche Dinge auf der Bank nichts sagen. So etwas werde ich nie machen. Das werden Sie auch in zehn Jahren nicht von mir hören.
Welchen Rat geben Sie Ihrem Nachfolger Christian Nerlinger als Sportdirektor mit auf die Bank?
Hoeneß: Man muss total ruhig sein. Man darf nicht eingreifen. Man darf sich freuen, man darf sich ärgern. Man darf keine Sprüche machen, man darf auch in der Halbzeit nichts sagen. Es ist ganz wichtig: stiller Beobachter und Zuhörer sein, ansonsten die Klappe halten.
Wie muss man sich Ihre weitere Zukunft über den derzeit noch stellvertretenden Vorstandsvorsitzenden der FC Bayern München AG vorstellen?
Hoeneß: Da habe ich noch keine konkrete Vorstellungen. Ich denke, dass ich ein sehr aktiver Präsident und Aufsichtsratsvorsitzender sein werde, der sich regelmäßig um die Geschicke des Vereins mit kümmert. Über Einzelheiten kann man aber erst sprechen, wenn das erst einmal losgeht im Januar.
Aus der Sicht des Tribünen-Zuschauers Uli Hoeneß - wer wird deutscher Meister?
Hoeneß: Ich bin ganz sicher, dass wir dieses Jahr wieder dran sind. Wir haben eine Super-Mannschaft. Wir haben einen sehr guten Trainer. Ich bin überzeugt, dass diese Kombination zur Meisterschaft führen wird.