Kiel. Im Prozess um den mutmaßlichen Missbrauch einer minderjährigen Schwimmerin hat das Amtsgericht in Kiel noch kein Urteil gefällt. Am Donnerstag verhörten die Richter in der Verhandlung gegen einen deutschen Olympia-Schwimmtrainer Zeugen. Eine Entscheidung fällt frühestens am Freitag.

Im Missbrauchsverfahren gegen einen Olympia-Trainer des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) hat das Kieler Amtsgericht die Entscheidung erneut vertagt. Nach mehr als achtstündiger Verhandlung und der Anhörung von zwei Zeuginnen unter Ausschluss der Öffentlichkeit am Donnerstag ist mit einem Urteil frühestens bei der Prozess-Fortsetzung am Freitag (11.00 Uhr) zu rechnen. Dann werden bis zu drei neue Zeugen der Verteidigung geladen sein.

"Das ist ein sehr komplexer und schwieriger Sachverhalt", sagte Verteidigerin Annette Marberth-Kubicki nach dem Verhandlungsmarathon am Donnerstag, "ein Urteil ist nicht abzusehen." Die Anwältin war vom Angeklagten kurzfristig als zweite Verteidigerin hinzugezogen worden.

Dem Trainer werden 18 Missbrauchsfälle einer Schutzbefohlenen zwischen August 2004 und März 2006 vorgeworfen. Die im Prozess als Nebenklägerin auftretende Frau war zur Tatzeit minderjährig. Am Donnerstag hatte der Angeklagte die Kieler Rechtsanwältin Annette Marberth-Kubicki als zusätzliche Verteidigerin hinzugezogen.

Der 40-Jährige selbst schweigt bislang zu den gegen ihn erhobenen Vorwürfen. Sein Anwalt hatte die Anschuldigungen allerdings bereits vor Prozessbeginn zurückgewiesen. Der unter Anklage stehende Mann gehörte zum Trainerteam der deutschen Beckenschwimmer bei den Olympischen Spielen in London.

Angeklagter nutzte das Vertrauensverhältnis zu den Eltern des Mädchens aus

Der Angeklagte war seit 2000 Übungsleiter in Kiel und Trainer des Mädchens. Damals war die Schwimmerin zwölf Jahre alt. Der Anklage zufolge nutzte er von 2004 bis 2006 das Betreuungsverhältnis aus und überredete die damals Minderjährige mehrfach zum Sex. Hätte das Betreuungsverhältnis nicht bestanden, wären die Vorwürfe nach Angaben der Ermittlungsbehörde strafrechtlich nicht relevant.

Die damals minderjährige Schwimmerin ließ den Missbrauch laut Anklage zunächst regungslos über sich ergehen. Später weinte sie und schlug den Mann einmal auch von sich. Demnach ereignete sich der erste Missbrauch im August 2004 während eines gemeinsamen Kreta-Urlaubs, an dem auch die damalige Lebensgefährtin des Angeklagten teilnahm. Beide Frauen sollen zu diesem Zeitpunkt stark angetrunken gewesen sein.

Als Trainer kümmerte sich der Mann nicht nur um die Ernährungspläne des Mädchens, sondern reglementierte auch ihr Verhalten und besprach mit den Eltern die psychischen Befindlichkeiten der Schwimmerin. Die Eltern vertrauten dem Mann offenbar und erlaubten auch den Kreta-Urlaub.

Mutmaßlicher Vergewaltiger unterschrieb vor Olympia noch den Ehrenkodex

Der Mann arbeitet mittlerweile für einen Sportverein in Nordrhein-Westfalen. Der Deutsche Schwimm-Verband (DSV) war in London von den Beschuldigungen gegen den Trainer überrascht worden. Der 40-Jährige hatte vor dem Abflug nach London den olympischen Ehrenkodex unterschrieben. Bei einer Verurteilung drohen ihm möglicherweise auch berufliche Konsequenzen. (sid/dapd)