London. . Zwei deutsche Tennisspieler erreichen das Viertelfinale in Wimbledon und krönen damit eine historisch bedeutende Woche. Florian Mayer und Philipp Kohlschreiber, die Trainingskollegen aus Oberhaching, stehen im Viertelfinale der All England Championships.

Platt auf dem Rasen, alle Viere von sich gestreckt, erlebte Florian Mayer ein paar der besten Momente seines Lebens; wortlos, wunschlos zufrieden. Hinter sich ein nahezu perfektes Spiel in mehrere Etappen gegen den Franzosen Richard Gasquet (6:3, 6:1, 3:6, 6:2), über sich nur den Himmel. Acht Jahre nach seinem ersten Coup als schüchterner Debütant erreichte er zum zweiten Mal das Viertelfinale der Championships, aber das war bei weitem nicht alles, was der zweite bemerkenswerte Tag dieser Woche dem deutschen Tennis zu bieten hatte. Keine halbe Stunde später ließ Philipp Kohlschreiber nach dem Matchball gegen den Amerikaner Brian Baker einen Schrei wie Tarzan los und stürmte ebenfalls ins Viertelfinale.

Keine 24 Stunden zuvor der Coup von Sabine Lisicki und Angelique Kerber, nun auch Mayer und Kohlschreiber erfolgreich, wer hätte das für möglich gehalten? Und man sollte es nicht glauben, aber diese Bilanz übertrifft selbst die der gloriosen Jahre des deutschen Tennis, denn nie zuvor landeten bei den Championships je zwei deutsche Männer und zwei Frauen im Viertelfinale.

Bislang sprach Mayer von einer "grottenschlechten Saison"

Das sollte man nur als Zahlenspielerei betrachten, denn kein vernünftiger Mensch kann auf die Idee kommen, Mayers und Kohlschreibers Erfolge mit denen der Altvorderen Becker und Stich auf eine Stufe zu stellen, aber das ändert nichts an der persönlichen Dimension der aktuellen Erfolge.

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Noch vor ein paar Tagen hatte Florian Mayer von einer „grottenschlechten Saison“ gesprochen. Während des gesamten Frühjahrs hatte er sich nicht gut gefühlt, hatte er wieder mal gezweifelt und resigniert zugegeben, wenn’s nicht laufe, dann laufe es halt nicht.

Ohne genau erklären zu können, was dieser Tage in Wimbledon passiert ist, lässt sich der Satz nun im Umkehrschluss verwenden. Oder man nimmt Mayers zu hundert Prozent richtigen Kommentar als Erklärung für die Ereignisse dieser Tage: „Tennis ist einfach ein komischer Sport.“

Mut zum Risiko

Ein solides Spiel zum Beginn des Turniers, glückliche Umstände im zweiten beim Sieg gegen Philipp Petzschner, der schon mit 2:0 Sätzen geführt hatte, eine weitere solide Leistung im dritten und dann gegen Gasquet ein Auftritt wie gemalt. Natürlich sei auch Glück im Spiel gewesen, sagt Mayer, aber man müsse sich ja dieses Glück auch verdienen. Er bezeichnete den Auftritt gegen Gasquet als eines der besten Spiele seiner Karriere. Den Mut zum Risiko zog er auch aus der Tatsache, in diesem Spiel im Gegensatz zu jenen in den Runden zuvor nicht der Favorit gewesen zu sein gegen den ehemaligen Halbfinalisten von Wimbledon und 19. der Weltrangliste.

Bei den Grand-Slam-Turnieren werde das große Tennis gespielt, da wolle man sich beweisen, hatte Mayer vor kurzem gesagt, und vor allem bei diesen Gelegenheiten hatte er ebenso wie der Kollege Kohlschreiber eben nicht überzeugt.

Erstes Viertelfinale

Der Augsburger musste im vergangenen Jahr die schlechteste Bilanz seiner Karriere verkraften mit Erstrunden-Niederlagen in Paris, Wimbledon und bei den US Open, doch seit seiner Rückkehr in die Tennis-Base nach Oberhaching, wo auch Mayer trainiert, geht es aufwärts. Irgendwie habe sich alles zum Guten gewendet, meinte Kohlschreiber nach dem überaus souveränen Sieg gegen den Amerikaner Brian Baker (6:1, 7:6, 6:3).

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Dreimal hatte er in seiner Karriere zuvor das Achtelfinale eines Grand-Slam-Turniers erreicht, zweimal in Australien, einmal in Paris, aber zu einem weiteren Erfolg hatte es nie gereicht. Doch der Sieg zu Beginn des Turniers gegen Tommy Haas machte ihm Mut, in Runde drei behielt er die Nerven gegen den Bezwinger von Rafael Nadal, den Tschechen Lukas Rosol, und gegen Baker spielte er von Beginn an aggressiv.

Mayer und Kohlschreiber, die Trainingskollegen aus Oberhaching, im Viertelfinale der Championships – für diese Prognose wäre einem vor zwei Wochen in den englischen Wettbüros eine attraktive Quote angeboten worden. Für Mayer geht es nun am Mittwoch im Viertelfinale mit einem Spiel weiter, bei dem die Quote ebenso hoch sein dürfte – gegen die Nummer eins, Titelverteidiger Novak Djokovic.