Darmstadt. Nach dreimonatiger Verletzungspause war Andrea Petkovic gerade einmal vier Tage wieder im Einsatz, ehe sie sich Ende April in Stuttgart erneut schwer verletzte. Mittlerweile hat die Darmstädterin den Frust verarbeitet und bereitet sich auf die olympischen Spiele vor - aber nicht um jeden Preis.
Beschwingt eilt Andrea Petkovic ins Darmstädter Cafe „3Klang“. Sie ist mit sich im Einklang, trägt eine neue Pony-Frisur und versprüht Optimismus pur. Nur die klobigen Schuhe, die aussehen wie Skistiefel und die sie gleich herzeigt, erinnern an den Fehltritt von Stuttgart vor rund sieben Wochen.
Der doppelte Bänderriss ist längst operiert, der große Frust nach dem neuerlichen Verletzungspech von „Drama Queen“ Petkovic verarbeitet - und der olympische Traum lebt. „Ich glaube, Olympia ist noch realistisch. Es ist mein größter Traum, einmal an Sommerspielen teilzunehmen, aber ich werde nicht unter allen Umständen spielen“, sagte Petkovic am Mittwoch dem Sport-Informations-Dienst (SID) und meinte: „Rasen ist schwieriger als Sand. Ich muss 100 Prozent sicher sein, dass der Körper hält.“
Über Olympia wird kurzfrsitig entschieden
Über eine Olympia-Teilnahme will die Weltranglisten-18. kurzfristig entscheiden. „Eine Woche vorher muss ich unter Wettkampfbedingungen alles machen können. Nur dann macht es Sinn“, erklärt Petkovic und erzählt von einigen Überraschungen während ihrer neuerlichen Leidenszeit. „Ich habe manchmal Angst vor mir selbst, wie unkaputtbar ich bin. Gib mir einen Genickbruch und eine Schulter-OP, ich komme da raus.“ Mental sei sie durch die Erfahrung „stärker“ geworden. „Ich habe das Selbstvertrauen, dass ich wieder dahin komme, wo ich war“, betonte die Hessin, die während der Fußball-EM bei jedem Auftritt der Nationalelf im DFB-Trikot vor dem Fernseher sitzt.
Ansonsten ist harte Arbeit für das Comeback angesagt: Nach ihrer Operation Ende April absolviert die 24-Jährige derzeit vormittags ein mehrstündiges Reha-Programm in Darmstadt und macht nachmittags bereits leichtes Schlagtraining in der Tennis-University Schüttler/Waske in Offenbach. Vorhand und Aufschlag - noch keine Rückhand. „Gerade in dieser Woche läuft es sehr gut, ich bin sehr optimistisch. Aber das rechte Bein ist schon ziemlich dünn geworden“, sagte „Petko“, die bei den US Open im Herbst 2011 trotz eines Meniskuseinrisses ins Viertelfinale eingezogen war.
Angst um die Karriere
TV-Aufnahmen oder Fotos ihres Fehltritts beim WTA-Turnier von Stuttgart am 26. April, bei dem sie sich neben einem doppelten Bänderriss auch eine Dehnung des dritten Bandes sowie der Syndesmose zugezogen hatte, hat sich Petkovic („Ich habe es knallen hören“) nicht angeschaut.
Erst vier Tage vor dem Malheur hatte die konstanteste Grand-Slam-Spielerin des Vorjahres bei der Fed-Cup-Partie gegen Australien (2:3) ihr Comeback nach dreimonatiger Zwangspause wegen einer Rückenverletzung gefeiert. Petkovic gab jetzt zu, wegen der Blessur „Angst um ihre Karriere“ gehabt zu haben. Sie habe zwar nie den Gedanken gehabt, aufzuhören, aber die Furcht war groß, „dass mein Körper sich selbst Schranken auferlegt.“
Zu allem Überfluss fühlte sie sich in der Zeit der Zukunftsängste nicht ganz fair von den Medien behandelt. „Ich hatte das Gefühl, dass mir mein Verletzungspech selbst in die Schuhe geschoben wurde“, berichtet die trainingsfleißige Petkovic über die schwierige Zeit, in der sie keine Interviews mehr gab und schmollte. Vergessen.
„Will nicht den Anschluss an die Weltspitze verlieren“
In diesen Tagen ist der Eintracht-Frankfurt-Fan, der die French Open vor dem TV verfolgte, bester Dinge. Kleine Zweifel aber bleiben. Petkovic: „Ich habe insgesamt ein halbes Jahr verloren und will nicht den Anschluss an die Weltspitze verlieren.“ Auf die Weltranglisten-Position guckt sie nicht, Ziele sind künftig Erfolge bei den großen Turnieren. Damit die Gedanken nicht nur um den gelben Filzball und das Comeback kreisen, lernt die 24-Jährige derzeit fleißig für die Fernuni.
Das neue Studienfach Philosophie treibt aber auch die Einser-Abiturientin gelegentlich in den Wahnsinn. „Wenn einer meint, er ist einigermaßen intelligent und fängt an, Philosophie zu studieren, wird er eines besseren belehrt“, berichtete Petkovic, nimmt einen Schluck Mineralwasser - und entschwindet beschwingt aus dem „3Klang“. Ganz im Einklang mit sich. (sid)