Duisburg. Karl-Georg Altenburg, Präsident des Deutschen Tennis-Bundes, über Probleme, Perspektiven und die schwierige Suche nach einem neuen Boris Becker.
Der Club Raffelberg in Duisburg hat sich einen neuen Tennis-Ascheplatz gebaut. Zur Einweihung ist Karl-Georg Altenburg gekommen, der Präsident des Deutschen Tennis-Bundes. Basisarbeit. Und Heimatliebe und alte Verbundenheit. Der 49-Jährige hat auf der Anlage des Duisburger Klubs, wo er immer noch „Charly“ gerufen wird, das Tennisspielen gelernt.
Herr Altenburg, anders als die meisten Ihrer Funktionärskollegen sind Sie doch bestimmt noch aktiv in Ihrem Sport?
Karl-Georg Altenburg: Ich spiele jedes Wochenende, trainiere mit meiner Mannschaft. Tennis ist für mich der gelebte Breitensport Nummer eins. Du kannst von 5 bis 85 Jahren spielen. Beim Fußball oder Basketball schauen wir ja irgendwann nur noch zu. Tennis hat mich durch mein Leben begleitet. Ich habe interessante Menschen kennengelernt, Erfahrungen gemacht: Gewinnen, Verlieren, Fairplay, unsportliches Verhalten – man lernt mit allem umzugehen. Und Tennis hat mir immer einen sozialen Anschluss geboten. In den USA, in England. Bei meiner Rückkehr nach Deutschland habe ich erst einen Tennisklub gesucht und dann ein Haus.
Ihre Stärken und Schwächen auf dem Platz?
(lacht) Da müssen Sie meine ehemaligen Trainer Harald und Detlef Kaping fragen. Die sind heute immer noch im Klub. Ich habe gerne ein schnelles Spiel. Diese Mondballfreunde hasse ich. Aber die haben ihre Wohnzimmer voller Pokale. Eine Sache verrate ich Ihnen noch: Mein zweiter Aufschlag bleibt meine wunde Stelle.
Wir schenken Ihnen einen bombigen ersten Aufschlag, ein Ass, also eine Entscheidung des DTB-Präsidenten, die so durchgeht und die etwas bewegt.
(Zwischenruf von Club-Raffelberg-Vorstand Michael Sonnenschein: Wir brauchen einen neuen Boris Becker.)
(lacht) Das auch. Aber ich wünsche mir 20 Prozent mehr ausländische Mitbürger oder Menschen aus sozial schwächeren Gesellschaftsschichten in jedem Tennisklub. Das wäre ein Riesenschritt für die Integration. Und es würde die Wahrscheinlichkeit dramatisch erhöhen, einen neuen Boris Becker zu finden. Es ist absolut wichtig, dass wir uns noch mehr öffnen.
Der einst elitäre weiße Sport soll bunter werden?
Das würde ich mich mir wünschen. Im Vergleich zu meiner Jugendzeit hat sich schon viel getan. Aber wir haben auch noch einen Weg vor uns. Neulich hat mir mein Friseur gesagt, er würde auch mal gerne Tennis spielen. Machen Sie mal, habe ich geantwortet. Zu teuer, sagte er.
Wie kann der Tennis-Bund, wie können Sie die gewünschte Entwicklung anschieben?
Es gibt zwei Richtungen. Wir müssen für unseren Sport werben. In Schulen und in Einkaufsstraßen. Wir brauchen viel mehr öffentliche Tennisplätze, so wie in den USA. Und wir müssen die Vereine stärken, ihnen Mittel an die Hand geben. Denn da spielt sich Tennis ab. Wie zum Beispiel mit der Initiative „Deutschland spielt Tennis“. Wir haben vier Millionen Spieler und im DTB 1,5 Millionen Mitglieder. Und 9000 Klubs. Das ist das Herz des Tennis mit einer wunderbaren Infrastruktur, die an ein paar Stellen einen Schub benötigt.
Einen Schub?
Ideen. Da muss man keine Papiere schreiben oder strategisch groß was erfinden. Es sind die einfachen Dinge. Ein Beispiel: Warum nicht mal ein Ferien-Camp für ausländische Mitbürger? Die besten zwei Spieler erhalten eine Klub-Mitgliedschaft für ein Jahr.
Einen richtigen Schub dürfte Ihnen auch ein deutscher Grand-Slam-Einzeltitel bringen. Erfolge im Spitzensport lenken die Aufmerksamkeit auf den Breitensport. Nur gab es das seit Boris Becker, Michael Stich und Steffi Graf nicht mehr.
Es ist der größte Hebel, einen Spitzenstar zu haben. Das hilft, es ist der leichteste Weg, einen Funken auszulösen, der überspringt und einen Boom entfacht. Aber es ist nicht der einzige Hebel. Wenn wir in den Breitensport investieren, wenn mehr Talente reinkommen, erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass ein Spitzenspieler rauskommt. Unsere Damen, Angelique Kerber, Andrea Petkovic, Sabine Lisicki, Julia Görges und Mona Barthel, haben ja eine enorme Leistungsdichte, schnuppern ganz vorne dran. Und wir haben auch einige Männer in den Top 50. Aber: Du musst früh ansetzen, um am Schluss an der Spitze zu sein. Wir müssen intensiver um die Kinder werben. Da sind nicht nur die vielen anderen Sportarten, sondern auch Computer-Spiele oder Internet. Und viele Alternativen erscheinen cooler und peppiger als wir.
Spielen Ihre Kinder trotzdem Tennis?
Ich habe noch nicht alle überzeugt, aber drei meiner fünf Kinder spielen. Mein Neunjähriger ist schon besser als der Papa in seinem Alter.
In zehn Jahren könnte Ihr Sohn Profi sein. Wo sehen Sie das deutsche Tennis im Jahr 2022?
Ich hoffe, dass sich unser Sport weiter öffnet, dass wir mehr Schichten ansprechen und mehr Talente entdecken. Mein Ziel ist es, künftig auch bei den Herren wieder einen Spitzenspieler zu haben. Der kommt von hier, wo wir unser Gespräch führen, von der Basis. Denn hier beginnt alles.