Paris. . Nach fünf Operationen greift der amerikanische Tennisprofi bei den French Open in Paris wieder an. Die gesamte Familie unterstützt ihn dabei. Baker versichert, es habe in all den Tagen in diversen Krankenhäusern keinen einzigen Moment gegeben, in dem er so weit gewesen wäre, das Handtuch zu werfen.
Am Rande von Court 6 versammelte sich Nashville/Tennessee. Brian Bakers Familie war in Mannschaftsstärke angereist; Bruder, Schwester, zwei Onkel, zwei Tanten, Freundin und Eltern, die am vergangenen Wochenende in Nizza ihren 40. Hochzeitstag gefeiert hatten. Amerikaner reisen bekanntlich gern an die Côte d´Azur, aber in diesem Fall war es weniger um einen romantischen Ausflug als vielmehr um das unglaubliche Comeback ihres Sohnes gegangen.
Brian Baker, 27, spielte in Nizza zum ersten Mal nach acht Jahren wieder bei einem ATP-Turnier. Nach acht Jahren, in denen er fünfmal operiert worden war – zweimal an der rechten, einmal an der linken Hüfte, einmal am rechten Ellbogen bei einem komplizierten Eingriff, der vor allem bei Baseballspielern vorgenommen wird, und einmal lag er mit einem Leistenbruch unterm Messer.
Karriere hatte hoffnungsvoll begonnen
Aber so lang es auch dauerte, bis er wieder auf die Beine kam, so hart es jedes Mal war, wieder von vorn zu beginnen – er verlor das Spiel nie aus den Augen. Er sagt, natürlich habe er manchmal gedacht, es werde wohl kein glückliches Ende geben mit seiner Karriere als Tennisspieler. Einer Karriere, die hoffnungsvoll begonnen hatte, unter anderem beim Juniorenturnier der French Open 2003, bei dem er das Finale erreicht hatte; damals besiegte er Leute wie Novak Djokovic und Jo-Wilfried Tsonga.
Die Erinnerung daran verblasste, aber Baker versichert, es habe in all den Tagen in diversen Krankenhäusern und bei der Rehabilitation keinen einzigen Moment gegeben, in dem er so weit gewesen wäre, das Handtuch zu werfen. Irgendwie hoffte er darauf, dass er noch mal eine Chance bekommen würde. Zwischendurch spielte und trainierte er mit der Mannschaft der Belmont-Universität in Nashville, bei der er sich eingeschrieben hatte, erst Ende 2010 fühlte er sich wieder fit genug, um es mit kleineren Turnieren zu probieren.
„Ein riesengroßes Ding“ für Baker
Und seit ein paar Wochen sieht es so aus, als sei eine geradezu märchenhafte Wende im Gang. Im April gewann er ein Challengerturnier in Savannah/Georgia, dann flog er nach Nizza zum ersten ATP-Turnier seit einer halben Ewigkeit und schaffte es als Qualifikant bis ins Finale. „Das war ein riesengroßes Ding für mich“, sagt Baker, „und natürlich ist das alles umso schöner, weil mir Tennis so lange weggenommen worden war.“ Seine Eltern saßen auf der Tribüne, als er das Finale in Nizza spielte, und weil sie für die Nacht kein Hotelzimmer fanden, flogen sie danach gleich nach Paris. Zum nächsten Termin.
Denn nach dem Sieg in Savannah stand fest, dass ihr Sohn eine Wildcard für die French Open bekommen würde, und nun ist Brian Baker also wieder in Paris gelandet, neun Jahre nach dem Finale im Juniorenturnier anno 2003. Kein Wunder, dass sich die Familientruppe aus Nashville/Tennessee rechtzeitig um gute Plätze bemühte am Rande von Platz sechs. Von vier Spielen bei Grand-Slam-Turnieren in den Anfängen seiner Karriere hatte Baker bis dahin nur eines gewonnen, mit 20 bei den US Open des Jahres 2005.
Bewegter Jubel im Kreise der Familie
In der zweiten Runde verlor er damals gegen den Belgier Xavier Malisse, und irgendwie wirkte es wie eine Klammer der unberechenbaren Ereignisse des Lebens, dass er nun in Paris wieder gegen Malisse spielte und diesen zweiten Versuch gewann. Als der letzte Return des Belgiers im Netz gelandet war, reckte Brian Baker kurz die Arme in den blauen Himmel über dem Stade Roland Garros, der Jubel im Kreise der Familie auf der Tribüne fiel bewegter aus. Die Freude war so groß, dass Schwager Art am Ende seine Tasche mit dem Fotoapparat vergaß, doch sie stand noch da, als er nach einer Viertelstunde zurück kam. Den Verlust der Kamera hätten die Bakers verkraften können, den Verlust der historischen Bilder darin nicht.
Brian, der wunschlos glücklich war, dachte in der Stunde des Sieges auch an die Freunde an der Uni in Belmont, die ihn in den vergangenen Wochen auf vielfachen Wegen unterstützt hatten. „Ich denke“, meinte er lächelnd, „dass es ihnen jetzt nicht mehr so viel ausmacht, dass ich sie damals im Training vom Platz geschossen habe. Jetzt wissen sie, dass ich auch gegen andere Jungs gewinnen kann.“ Aber was noch unendlich besser ist: Er weiß es jetzt auch.