München. . Als Borussia Dortmund 1997 im Münchener Stadion die Champions League gewann, hat Philipp Lahm noch als Balljunge zugesehen. Das Finale gegen den FC Chelsea hat für den Kapitän und den Präsidenten Uli Hoeneß eine große Bedeutung.
Vielleicht muss man zurückgehen ins Jahr 1997, um zu begreifen, was dieses Spiel für Bayern München bedeutet.
Man landet dann bei einem kleinen Jungen, der gar nicht weit vom Olympiastadion entfernt dem Ball nachgejagt ist. Der Bub spielte damals noch für die FT Gern, seine Mama Daniela hat jetzt erzählt, wie sich die großen Bayern mit einer kleinen List ins Herz ihres Philipp geschlichen haben: Er durfte als Balljunge ins Olympiastadion. So stand er auch 1997 am Spielfeldrand, als Borussia Dortmund, ausgerechnet, die Champions League in München gewonnen hat. Am Samstag jagt Philipp Lahm, der Bub von damals, gegen den FC Chelsea (20.45 Uhr im Live-Ticker auf DerWesten) nun selbst dieser größten und wichtigsten Vereinstrophäe nach. Es ist nicht nur ein wichtiges Finale für den FC Bayern und seinen Kapitän. Es ist das Finale dahoam. Im eigenen Stadion, in der eigenen Stadt. Und es ist ein Spiel um die eigene Identität.
Lahm erklärt die Bedeutung des Finales dahoam
Was Philipp Lahm angeht: Er hat an den Abend des Jahres 1997, als die Borussen 3:1 gegen Juventus Turin gewannen, keine besonderen Erinnerungen. „Viel Bohei“ sei damals gemacht worden, aber Lahm erzählt lieber, wie es war, in der Bundesliga einem Markus Babbel den Ball zuwerfen zu dürfen. Lahm wollte damals nicht von der FT Gern weg, aber mit Speck fängt man Mäuse. Nun soll Lahm erklären, was das bedeute: Finale dahoam. Er überlegt einen Moment, dann sagt er: „Heimat. Wir gehören hier hin. Wir sind hier zuhause.“
Sich heimisch zu fühlen, mit sich selbst im Reinen zu sein: Das macht einen Großteil dieses Endspiels für die Bayern aus. Sie haben den 19. Mai seit Monaten mit Bedeutung aufgeladen. „Von uns im operativen Geschäft“, sagt Trainer Jupp Heynckes, „wird es niemand mehr erleben, ein Finale der Champions League im eigenen Stadion mitmachen zu dürfen.“ Heynckes ist 67, Präsident Uli Hoeneß 60.
Aber es steckt mehr dahinter. Kein Verein in Deutschland polarisiert so sehr wie der FC Bayern. Es liegt am dauernden Erfolg, es liegt an der Selbstverständlichkeit, mit der die Bayern Erfolge registrieren. Es gibt Menschen, die die Münchener Lebensart als „leben und leben lassen“ charakterisieren. Zum FC Bayern passt: „leben und die anderen nicht gewinnen lassen.“
Finale ist eng mit Uli Hoeneß verknüpft
Keiner verkörpert das so wie Uli Hoeneß, erst Spieler, dann Manager und jetzt Präsident dieses FC Bayern. Pardon, seines FC Bayern. Mit keinem Spieler ist dieses Finale halb so eng verbandelt wie mit der Kraftzentrale des deutschen Fußballs, diesem Streithansl, der mitunter daher kommt wie ein Barock-Fürst, der bei allem Kalkül oft aus dem Bauch heraus handelt, weil er dann einfach nicht anders kann. Den andererseits unübersehbar viele Weggefährten als Seele von Mensch charakterisieren.
Hoeneß hat es geschafft, dieses Finale zu seinem zu machen. Mit allem Risiko, das dazu gehört. Er hat das Spiel gegen Chelsea aufgeladen mit der ultimativen Bedeutung für sein Lebenswerk, das er angesichts der Entwicklung von Borussia Dortmund vermutlich in viel rauerer See sieht, als er zugeben will. Denn diese Saison, die sein Trainer Jupp Heynckes gestern lächelnd, aber entschieden als „überragend“ verteidigt hat, ist ja in Wahrheit eher trist. Meisterschaft und Pokal sind weg, die letzten Titel der Bayern welken. Und weil sich dieser Verein wie kein anderer über Titel definiert, steht jetzt alles auf dem Prüfstand.
Diese Mentalität ist oft kritisiert worden. Dabei gäbe es zwiespältigere Wege zum Erfolg: Chelseas Weg zum Beispiel.
Der FC Chelsea mit einem anderen Weg
Der Klub hängt auf Gedeih und Verderb am Geldhahn seines Besitzers, des russischen Oligarchen Roman Abramowitsch. Nur er selbst wird wissen, wie viel er in den Verein gepumpt hat, es müssen hunderte von Millionen Euro sein. Verglichen damit kommt der FC Bayern kleinbürgerlich-seriös daher: Der Reichtum fußt auf den Beinen Gerd Müllers und Franz Beckenbauers, später dann hat Uli Hoeneß es geschafft, den Verein Jahrzehnte an der Spitze zu halten. Man könne, hat Campino, Frontmann der Toten Hosen, mal gesagt, mit den Bayern nur unsachlich als Feind umgehen: „Sobald man sich an die Fakten hält, wird es schwer.“
Und nun steht er da, dieser große Verein mit seinem überlebensgroßen Präsidenten, der sich dieses Finale so gewünscht hat wie sein Kapitän als Bub einen Nachmittag als Balljunge im Olympiastadion. Und über allem hängt wie ein Menetekel das Besondere dieses Abends. Wo soll es klappen, wo ist man ganz bei sich, wenn nicht hier: dahoam.