Erfurt. Mindestens 30 deutsche Spitzensportler sind am Olympiastützpunkt Thüringen über Jahre gedopt worden, finanziert aus Steuergeld. Die dubiose Blutbestrahlung, die auch Claudia Pechstein in Anspruch nahm, ist verboten. Das erklären der Sportrechtler Georg Engelbrecht und der Pharmakologe Fritz Sörgel am Mittwoch dem Sportausschuss des Bundestages. Der Bund hat für das Doping wohl eine fünfstellige Summe gezahlt.

Die in Erfurt über viele Jahre praktizierte Methode ist ein Dopingverstoß, falls die Sportler ohne medizinische Indikation behandelt wurden. „Egal ob per Injektion oder Infusion und egal mit welchen Blutmengen“, schreibt Georg Engelbrecht an den Sportausschuss. Engelbrecht ist auch Richter am Weltsportgericht CAS. Das hatte schon 2003 entschieden, dass die UV-Bestrahlung von Eigenblut verboten ist.

Fritz Sörgel bezeichnet die Bestrahlung als klaren Dopingvergehen von Sportlern und Arzt, spätestens seit dem CAS-Urteil im Jahr 2003. „Die Sportler hätten die Behandlung auf den Meldebögen der Nationalen-Anti-Doping-Agentur angeben und eine Ausnahmegenehmigung beantragen müssen“, sagt Sörgel auf Nachfrage dieser Zeitung. Das Bundesinnenministerium sagt dagegen weiterhin, Doping erscheine „zumindest nicht zweifelsfrei“. Dies sei „abschließend durch die WADA, die sich eine Stellungnahme vorbehalten hat, die NADA, die hierzu ein Gutachten in Auftrag gegeben hat, oder die Schiedsgerichte zu klären“, so das Ministerium auf Nachfrage.

Im Berliner Sportausschuss soll nun geklärt werden, wer wann vom staatlich finanzierten Doping wusste und warum niemand diese Praktiken verhindert hat. Andreas Franke war seit 1992 Vertragsarzt des Olympiastützpunktes Erfurt. Stützpunktleiter Bernd Neudert schreibt dem Sportausschuss, Franke habe das Blut verschiedenster Sportler „seit vielen Jahren mit Kenntnis des OSP Thüringen“ bestrahlt. Wie viel kostete das den Steuerzahler?

Franke bestrahlte bis zur Durchsuchung der Staatsanwaltschaft

Franke hat von 2005 bis 2008 etwa 7000 Euro für die Blutbehandlungen erhalten. Eine Bestrahlung kostete knapp 40 Euro. Im November 2008 kennzeichnete Franke die Behandlung nicht mehr in den Abrechnungen, bestrahlte aber offenbar weiter – bis zur Durchsuchung der Staatsanwaltschaft am 11. April 2011. Der Steuerzahler dürfte das Erfurter Doping mit einem fünfstelligen Betrag subventioniert haben.

Nach Informationen des Deutschlandfunks hat Franke in Erfurt ab 2005 das Blut von 14 Radsportlern, je fünf Leichtathleten und Eisschnellläufern, zwei Handballern und einem Ringer bestrahlt. Ob und falls ja wie häufig Franke davor, also von 1992 bis 2005, Blut bestrahlt hat und wie teuer das war, hat bislang niemand beantwortet. Das Bundesinnenministerium verweist an den Olympiastützpunkt und Andreas Franke selbst. Franke äußert sich derzeit nicht und auch Stützpunktleiter Neudert reagierte gestern nicht auf eine Anfrage dieser Zeitung.

Die ermittelnde Staatsanwaltschaft Erfurt untersucht nur die Fälle von 2007 bis 2011, alles davor ist verjährt. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft, die eigentlich im März zum Abschluss kommen sollten, verzögern sich. Ein genaues Datum wollte Staatsanwalt Hannes Grünseisen auf Anfrage nicht nennen. „Aber es sind eher vier Wochen als vier Monate.“

SPD und Grüne fordern umfassende Prüfung

Wie sich der Olympiastützpunkt Thüringen in dieser Affäre verhalten hat, ist so oder so fragwürdig. Bereits 2007 hatte die NADA mitgeteilt, dass sie sich „in der Vergangenheit strikt gegen eine Eigenblutbehandlung eingesetzt“ habe. Statt die Behandlungen zu beenden, bezahlte Stützpunktleiter Neudert seinen Vertragsarzt weiter dafür, Blut zu bestrahlen.

SPD und Grüne fordern im Sportausschuss eine umfassende Prüfung. Außerdem soll die finanziell kriselnde NADA schnelle Sonderzahlungen bekommen, damit sie gegen die dopingverdächtigen Sportler Prozesse führen kann. Die Grünen wollen zudem einen Straftatbestand Sportbetrug einführen, „um zukünftig auch wirksam gegen Sportlerinnen und Sportler ermitteln zu können“. CDU-Sportsprecher Klaus Riegert schreibt auf Anfrage, die Finanzierung der NADA werde „zu Unrecht mit den Vorkommnissen am OSP in Erfurt in einen kausalen Zusammenhang gestellt.“ Rückforderung von Steuergeld könnten zudem „erst nach Klärung des Sachstandes erwogen werden.“