Essen. Auf die Unterwäsche kommt es an: Wie ein Rodler aus Tonga versucht, sich für die Olympischen Spiele zu qualifizieren.
Bruno Banani ist der einzige Rodler der Welt, der seinen Namen auf dem Helm stehen hat und dafür auch noch bezahlt wird. Der Informatik-Student kassiert das Geld nicht etwa, weil er auf dem Ritt durch die Eisrinne eine besonders tolle Figur abgibt. Im Gegenteil. Bruno Banani feierte seinen bisher größten Erfolg bei der WM 2011, als er im italienischen Cesena 36. wurde und immerhin den Slowenen Danej Navrboc hinter sich ließ. Obwohl Banani auch bei der diesjährigen WM nur mit einer hinteren Platzierung rechnen kann, schreibt er vor den Titelkämpfen in Altenberg größere Schlagzeilen als der klare Favorit, Olympiasieger Felix Loch. Weil Bruno Banani als einer der 100.000 Einwohner der Südpazifik-Insel Tonga erst vor drei Jahren bei einem Besuch in Deutschland den ersten Schnee im Leben sah. Und vor allem, weil jetzt kurz vor der WM aufgedeckt wurde, dass Bruno Banani doch nicht Bruno Banani heißt.
Finanzierung durch Unterwäsche-Label
Es war einmal der Sohn eines Kokosnussfarmers, der auf wundersamen Wegen im Sonnen-Paradies Tonga zum Rodeln kam. Da er rein zufällig so hieß wie das deutsche Unterwäsche-Label Bruno Banani, nahm ihn das Unternehmen unter Vertrag und finanzierte den außergewöhnlichen Weg des mutigen Mannes aus dem Pazifik. So begann das Sportmärchen des 21. Jahrhunderts, das in den vergangenen drei Jahren rund um den Globus verbreitet wurde. Aber was viele ahnten, ist jetzt Gewissheit. Der Spiegel enthüllte, dass Bruno Banani in Wirklichkeit als Fuahea Semi, Sohn eines Maniok-Farmers, geboren wurde. Die kalifornische Agentur Makai sei auf die Idee gekommen, den Pass auf Bruno Banani umzuschreiben. Das gleichnamige Chemnitzer Label sei in diese Aktion nicht eingeweiht gewesen, wird der Chef von Makai Europa, Mathias Ihle, im Spiegel zitiert.
Ob sich Fuahea Semi nach drei Jahren schon als Bruno Banani oder immer noch als Fuahea Semi fühlt, darüber spricht der 24-Jährige nicht. Er müsse sich auf die WM konzentrieren, lässt er in Altenberg verlauten. Und auch in der Vergangenheit wurde er wortkarg, wenn er sich zur wundersamen Namensgleichheit äußern sollte. Viel lieber erzählte er von der Faszination des Rodelns: „Mich reizt die Geschwindigkeit nicht nur, ich liebe sie.“
Auch wenn die Geschichte des Bruno Banani nicht mehr ganz so unschuldig ist, bleibt sie eine der außergewöhnlichsten des Wintersports. Wahr bleibt, dass sich im Dezember 2008 die tongaische Prinzessin Salote Mafile’o Pilolevu Tuita in den Kopf setzte, dass es Zeit sei für den ersten Wintersportler von der Insel Tonga bei Olympia. Die Prinzessin hatte beim Skilaufen in der Schweiz die Bekanntschaft mit Monacos Fürst Albert gemacht. Was Albert als Bobpilot mit sieben Olympiateilnahmen schaffte, sollte auch einem Sportler aus Tonga gelingen. In einem Casting wurde der Tonganese mit der größten Begabung für das Rodeln gesucht. Nicht ganz einfach in einem Land, in dem es keinen Schnee, geschweige denn einen Eiskanal gibt. Also bestand die Hauptaufgabe aus einem Schlittenfahren auf goldenem Sand statt auf weißem Eis.
„Kein Eddie the Eagle“
„Er hatte die besten Anlagen“, sagte die mit der Sichtung beauftragte deutsche Ex-Rodlerin Isabel Barschinski. Inzwischen wird der Spätstarter aus Tonga nicht nur von Barschinski betreut, sondern darf regelmäßig mit der deutschen Mannschaft trainieren. „Er ist kein Exot wie früher der Skispringer Eddie the Eagle“, sagt Bundestrainer Norbert Loch, „er betreibt das Rodeln sehr ernsthaft und macht erstaunliche Fortschritte. Er kann die Olympiateilnahme 2014 in Sotchi schaffen.“ 2010 hatte er die Qualifikation für die Spiele in Vancouver um einen Punkt verpasst.
Aber ob Bruno Banani in zwei Jahren wirklich in Sotchi durch die Eisrinne rasen wird, ist möglicherweise nicht nur von seinen weiteren Fortschritten auf dem Schlitten abhängig. Sein Namenswechsel könnte vom Internationalen Olympischen Komitee als Schleichwerbung angesehen werden. Vielleicht gibt es sonst bald einen Skilangläufer Tommy Hilfiger aus Bermuda oder eine Eiskunstläuferin Jil Sander aus Tahiti.