Kairo/Berlin. “Diese Tragödie ist ein Ergebnis vorsätzlicher Zurückhaltung“: Viele erstickten in engem Korridor. Trauer über die Toten, schwere Vorwürfe gegen die Sicherheitskräfte: Nach den tödlichen Ausschreitungen bei einem Fußballspiel in Ägypten haben Politiker haben den Sicherheitskräften Untätigkeit und Versagen vorgeworfen.

Trauer über die Toten, schwere Vorwürfe gegen die Sicherheitskräfte: Nach den
tödlichen Ausschreitungen bei einem Fußballspiel in Ägypten haben Politiker
haben den Sicherheitskräften Untätigkeit und Versagen vorgeworfen. Polizisten
und Soldaten hätten sich am Tod von mindestens 74 Menschen mitschuldig gemacht,
sagte der Abgeordnete der Muslimbruderschaft, Essam el Erian am Donnerstag.
"Diese Tragödie ist ein Ergebnis vorsätzlicher Zurückhaltung von Soldaten und
Polizisten", sagte el Erian.

Nach dem Spiel zwischen der Heimmannschaft
Port Said und dem Kairoer Club Al-Ahly hatten am Mittwochabend Anhänger des
siegreichen Port Said das Feld gestürmt und mit Messern, Knüppeln und Steinen
bewaffnet regelrecht Jagd auf Spieler, Betreuer und Fans von Al-Ahly gemacht.
Viele der Toten seien erstochen worden oder erstickten in einem schmalen
Korridor am Stadionausgang. Für viele Fans erwies sich der einzige Ausgang als
Falle, da am anderen Ende des Korridors die Türen verschlossen
waren.

Rivalität mit langer Tradition

Der Augenzeuge Ahmed
Ghaffar berichtete auf Twitter, dass Menschen "übereinandergestapelt"
versuchten, das Stadion durch Korridore zu verlassen. "Wir hatten die Wahl
zwischen dem Tod, der uns von hinten verfolgte und geschlossenen Türen". Auf
Fernsehbildern ist zu sehen, dass die schwarzgekleideten Sicherheitskräfte meist
untätig umherstanden.

Der frühere ägyptische Nationalspieler Hany Ramzy
geht von einer vorbereiteten Aktion aus. "Das Spiel ging 3:1 für Al-Masri aus.
Welchen Grund hat man, nach einem Sieg aufs Feld zu rennen und Menschen zu
töten?", sagte der ehemalige Bundesliga-Profi der Nachrichtenagentur dapd. "Das
war vorher geplant. Das Stadion war voll, es war ein wichtiges Spiel. Es war ein
guter Anlass, etwas Schlimmes zu tun", sagte Ramzy weiter.

Ramzy sagte,
er wisse nicht, wer für die schlimmen Ausschreitungen verantwortlich gewesen
sei. "Ich weiß nur: Es hatte auf keinen Fall etwas mit Fußball zu tun. Aber wer
hat das getan? Das ist das große Fragezeichen", sagte Ramzy, der das Spiel in
Kairo am Fernseher verfolgte. "Die Atmosphäre ist sehr seltsam. Jeder spricht
über das, was gestern Abend passiert ist."

Ein Fanklub von Al-Ahly warf
Sicherheitskräften und Fans von Port Said vor, sich für die Rolle der Kairoer
"Ultras" während der Revolution, die im vergangenen Jahr zum Sturz von Präsident
Husni Mubarak führte, rächen zu wollen. "Sie wollen uns dafür bestrafen, dass
wir an der Revolution gegen die Unterdrückung teilgenommen haben", hieß es in
einer Erklärung. Viele Sprechchöre der Revolutionäre vom Tahrir-Platz waren
Schmähchören von Fußballfans gegen die Polizei entlehnt.

Die Rivalität
zwischen den beiden Fußballteams hat lange Tradition. Laut Muslimbruderschaft
hinderten Sicherheitskräfte die Fans nicht daran, mit Messern und Knüppeln
bewaffnet ins Stadium zu gehen. Die Aktivistengruppe "6. April" warf den
Sicherheitskräften in einer schriftlichen Erklärung vor, sich mitschuldig
gemacht zu haben: "Ist es logisch, dass eine Truppe, die in der Lage war, eine
Parlamentswahl in neun Provinzen zu sichern, nicht in der Lage ist, ein
Fußballspiel zu sichern, bei dem Scharmützel zwischen den Fans zu erwarten
sind?"

Aufruf zu Blutspenden

Das ägyptische Innenministerium
ging am Donnerstagvormittag von 78 Toten aus, darunter ein Polizist. Weitere 248
Menschen seien verletzt worden. Die Sicherheitskräfte hätten 47 Randalierer
festgenommen. Eine lokale Fernsehstation rief zu Blutspenden auf. Um die
Schwerstverletzten besser in Kairo behandeln zu können, entsandte die ägyptische
Luftwaffe zwei Flugzeuge nach Port Said.

FIFA-Präsident Joseph Blatter
fordert schnelle Aufklärung. In einem von der FIFA veröffentlichten Brief an den
Präsidenten des ägyptischen Fußball-Verbandes (EFA) schrieb Blatter, dass er
"weitere Neuigkeiten die Hintergründe der Tat betreffend erwarte". Auch wies der
Fußball-Weltverband auf die Sicherheitsbestimmungen des Verbandes hin. Es sei
ein schwarzer Tag für den Fußball, erklärte Blatter weiter: "Wir müssen
sicherstellen, dass so etwas nie wieder passiert." (dapd)