Kairo. Nach den Krawallen bei einem Fußballspiel in Ägypten, bei denen am Mittwoch mindestens 74 Menschen starben, wollen sich die betroffenen Spieler aus Kairo offenbar aus dem Sport zurückziehen. Sie wollten “nie wieder Fußball spielen“, sagte der Ahly-Torwart. Mehr als 1000 Menschen, darunter auch Spieler, wurden bei den Ausschreitungen verletzt.

Die Spieler der Kairoer Fußballmannschaft Al-Ahly wollen sich nach den Ausschreitungen mit mindestens 74 Toten bei einer Auswärtspartie in Port Said offenbar aus dem Profisport zurückziehen. "Es ist vorbei. Wir haben alle eine Entscheidung getroffen, dass wir nie mehr wieder Fußball spielen werden", sagte Torwart Scharif Ikrami dem privaten Fernsehsender ONTV.

Tote und Verwundete seien am Mittwochabend in die Umkleidekabine getragen worden. "Da sind Leute vor unseren Augen gestorben", sagte Ikrami, der selbst bei den Krawallen verletzt wurde. Wie könne es möglich sein, da wieder Fußball zu spielen? "Wir können überhaupt nicht daran denken."

Demonstrationen gegen den Militärrat

In der Nacht demonstrierten zahlreiche Menschen in Kairo gegen die Nachlässigkeit der Sicherheitskräfte. Vor dem Gelände des Fußballvereins Al-Ahly skandierten Aktivisten Parolen, in denen der regierende Militärrat kritisiert wurde.

Hunderte versammelten sich zudem vor dem Hauptbahnhof, um aus der Mittelmeerstadt Port Said ankommende Verletzte zu empfangen. Auch in Port Said selbst kam es zu Protesten, in denen die Gewalt nach dem Ende des Erstligaspiels verurteil wurde. Für Donnerstag wurde eine Demonstration vor dem Innenministerium in Kairo angekündigt.

Fifa-Präsident Blatter spricht von "schwarzem Tag für den Fußball"

Bei den Ausschreitungen im Stadion waren nach Regierungsangaben mindestens 1000 Menschen verletzt worden. Auf TV-Bildern war zu sehen, wie Fans den Rasen stürmten und Spieler der Gastmannschaft jagten. Stadionbesucher gerieten in Panik, wurden totgetrampelt oder stürzten von den Rängen. "Das hat mit Fußball nichts zu tun. Das ist Krieg und die Menschen sterben vor unseren Füßen", sagte ein Spieler der Gästemannschaft Al Ahly, einem der erfolgreichsten Teams in dem nordafrikanischen Land. Die Armee setzte Hubschrauber ein, um Spieler und Fans in Sicherheit zu bringen.

Eine kleine Gruppe von Bereitschaftspolizisten versuchte erfolglos, Spieler zu schützen. Fans gelang es, die flüchtenden Sportler zu treten und schlagen. Der Fußballverband verschob einem Bericht des Staatsfernsehens zufolge alle weiteren angesetzten Partien auf unbestimmte Zeit. Fifa-Präsident Sepp Blatter sprach von einem schwarzen Tag für den Fußball: "Solch eine katastrophale Situation ist unvorstellbar und hätte nicht eintreten dürfen."

KrawalleSchiedsrichter bricht Spiel in Kairo ab

Die meisten Verletzten erlitten nach Angaben des stellvertretenden Gesundheitsministers Gehirnerschütterungen und Schnittwunden. Die Unruhen waren gegen Ende der Partie zwischen Al Ahly und der Heimmannschaft al-Masri ausgebrochen, als Fans von Al Ahly Anhänger des Gastgebers beschimpften. Nachdem ein Fan mit einer Eisenstange bewaffnet auf den Rasen lief, stürmte die Menge den Platz. Auch in der Hauptstadt Kairo kam es zu Ausschreitungen. Kurz nachdem der Schiedsrichter von den Tumulten in der Mittelmeerstadt erfahren hatte, brach er das Spiel ab, woraufhin Fans Teile des Stadions anzündeten.

Seit Ausbruch der Revolten in arabischen Ländern vor mehr als einem Jahr hat die Gewalt in Fußballstadien in der Region deutlich zugenommen. Der regionale Parlamentsabgeordnete Albadri Farghali machte Anhänger des durch den Volksaufstand abgesetzten Präsidenten Hosni Mubarak für die Gewalt verantwortlich.

Die Sicherheitskräfte hätten die Zusammenstöße zu verantworten oder sie mindestens geduldet. "Der Kopf des Regimes ist gefallen, aber seine Männer sind noch in ihren Positionen." Etliche Ägypter misstrauen dem regierenden Militärrat, dessen Chef Mohamed Hussein Tantawi zwei Jahrzehnte lang unter Mubarak als Verteidigungsminister gedient hatte. (rtr/dapd)