Oberhof. Obwohl das von ihr selbstbestimmte Karriereende naht, denkt Biathletin Magdalena Neuner noch lange nicht ans Aufhören. Die 24-Jährige will zum Abschluss der Wintersportsaison noch Titel und Medaillen sammeln.

Bevor Magdalena Neuner einen Tag nach ihrer total verpatzten Staffel-Vorstellung beim Biathlon-Weltcup in Oberhof der Hundertschaft von Journalisten Rede und Antwort stand, rieb sie sich erst einmal kräftig die Hände. "Hier ist es wenigstens schön warm", freute sie sich, dem Sturmtief Andrea, das in dem Thüringer Wintersportort mit orkanartigen Böen und dichtem Schneetreiben wütete, ins gut geheizte Pressezentrum entflohen zu sein. Mit insgesamt sieben Fehlern beim letzten Schießen und vier Strafrunden hatte sie den Sieg des deutschen Quartetts verballert. Nur Platz vier. Ausgerechnet in Oberhof, wo die Erfolgsgeschichte der Magdalena Neuner genau vor fünf Jahren, am 5. Januar 2007, mit einem damals sensationellen Triumph begonnen hatte.

Neuners Karriere ein intensiver Roman

Die Biathlon-Geschichte der 24-Jährigen wird kein Wälzer, sondern ein relativ kurzer, aber dafür umso intensiver Roman mit viel mehr Höhen als Tiefen, mit weitaus mehr Tränen des Glücks als der Enttäuschung. Bevor sie am Saisonende mit ihrem Rücktritt das Buch schließt, will sie selbst für das Happy End sorgen. Erst mit einer starken Vorstellung am Freitag (18.30 Uhr/ARD) im Sprint von Oberhof, dann bei ihrer letzten WM (ab 29. Februar) im heimischen Ruhpolding.

Die ungewohnte Fehler-Flut in der Staffel hat sie weggesteckt. "Unzählige Leute haben mir ihren Lieblingssatz zugeworfen, wird schon wieder", erzählt sie, "und die Staffel-Mädels waren auch ganz lieb zu mir. Ich bin auch nur ein Mensch. So etwas ist mir noch nie passiert. Vielleicht musste ich das bis zu meinem Rücktritt unbedingt noch nachholen." Ihre gute Laune hat sie schnell wieder gefunden. Und auch wenn sie den Rummel um ihre Person nicht mag, auch wenn sie in erster Linie zurücktritt, um ein normales Leben abseits des Rampenlichts zu führen, macht Neuner nie einen unwirschen Eindruck. Wie zu Beginn ihrer Laufbahn beendet sie auch heute noch trotz der immens gestiegenen Nachfrage ihre Interviews mit einem Dank an den Gesprächspartner. Nicht floskelhaft, sondern ehrlich.

Neuner sorgte bereits als Teenagerin für Aufsehen

Es ist gerade einmal fünf Jahre her, da reiste Magdalena Neuner zum Biathlon-Spektakel in Gelsenkirchen an. Hoch talentiert, aber völlig unbekannt. Unerkannt ging sie durch die Lobby des Hotels an der Schalker Arena. Dutzende Biathlon-Fans bedrängten die gerade angekommenen Olympiasieger Michael Greis und Kati Wilhelm, die einige Tage zuvor zu Deutschlands Sportlern des Jahres 2006 gekürt worden waren. Weder die Fans noch die unbemerkt am Rande stehende Biathletin selbst konnten damals wissen, dass keine zwölf Monate später die Sportlerin des Jahres 2007 Magdalena Neuner heißen würde. Und der Reporter dieser Zeitung musste sich einige spöttische Bemerkungen von seinen Kollegen anhören, als er den, zugegeben, damals etwas ausgefallenen Themenvorschlag machte. Du willst etwas über, wie heißt die noch, schreiben, fragten sie. Der Termin mit Neuner war exklusiv, weil kein anderer mit ihr sprechen wollte.

"Die Frühreife" lautete damals die Überschrift in unserer Zeitung. Einige Tage später ging mit dem Sieg im Weltcup-Sprint von Oberhof der Stern der Magdalena Neuner auf. Der Teenager aus dem Wallgau, das damals 19-jährige Nesthäkchen des deutschen Biathlon-Teams, wurde über Nacht zum Star. Zwei Monate später holte sie drei Goldmedaillen bei ihren ersten Weltmeisterschaften. Sieben weitere folgten, zwei Olympiasiege und ein zweiter Platz in Vancouver, 38 Weltcup-Erfolge, zwei Triumphe im Gesamt-Weltcup.

Bis zum Saisonende sollen noch der ein oder andere Weltcup-Sieg und die ein oder andere WM-Medaille hinzukommen. Im Moment denkt Magdalena Neuner noch gar nicht so oft an die Heim-WM in Ruhpolding. "Alle reden nur davon, dass ich bald aufhöre", sagt sie, "jeder braucht noch ein Interview. Jeder benötigt noch ein Autogramm. Alle denken anscheinend, ich sei ab April nicht mehr existent." Und dann fügt sie mit dem typischen Lächeln der Magdalena Neuner hinzu: "Ich existiere weiter." Auch ohne Biathlon.