Oberhof. . Die Olympiasiegerin und Weltmeisterin Magdalena Neuner ist der Star, um den sich in den nächsten fünf Tagen beim Biathlon-Weltcup in Oberhof alles dreht. Die Veranstalter erwarten 100 000 Zuschauer an der Strecke. Der Weltcup ist die Generalprobe für die Heim-WM.

Das Auffälligste an Gerald Hönig ist seine Woll-Mütze. Grell-grün leuchtet sie, am Mittwochabend (18 Uhr/ARD) wird sie Millionen von Biathlon-Fans ins Auge stechen, wenn der Bundestrainer zum Auftakt des Heim-Weltcups in Oberhof am Schießstand die Vorstellungen der deutschen Staffel-Läuferinnen prüfen wird. Hönig ist trotz seiner markanten Mütze alles andere als ein bunter Hund. Der 53-Jährige ist ein Mann der leisen Töne, der seine Worte nicht den Waffen seiner Sportart entsprechend abfeuert, sondern sorgsam abwägt.

Und wenn er sich dann doch einmal aus der Reserve locken lässt und über mögliche Beweggründe für ein späteres Comeback der Öffentlichkeits-müden Magdalena Neuner philosophiert, dann fühlt er sich bei einer Illoyalität ertappt und bittet um die Streichung seiner Worte. Und noch ist Magdalena Neuner gar nicht in den Ruhestand getreten. Ehe die beste Biathletin der Welt im März mit dann gerade einmal 25 Jahren ihre Karriere beenden wird, will sie ihrer einzigartigen Titelsammlung bei der WM in Ruhpolding (29. Februar bis 11. März) weitere Trophäen hinzufügen. Entsprechend groß ist die Bedeutung der Weltcup-Rennen in Oberhof, denn das Spektakel am Rennsteig mit über 100 000 Zuschauern an den nächsten fünf Tagen ist die Generalprobe für die Heim-WM.

Personifizierte Versicherung auf Edelmetall

„Der Weltcup in Oberhof ist unheimlich wichtig für uns“, sagt Hönig, der seit einem Jahr gemeinsam mit dem viermaligen Olympiasieger Ricco Groß als Bundestrainer für die Biathletinnen verantwortlich ist, „hier ist der Druck genauso groß wie in Ruhpolding. Jeder Schuss wird von Tausenden Zuschauern mit einem Buuuh oder Aaaah kommentiert.“ Bei der ersten Staffel des Winters gab es mehr Buuuhs als Aaaahs – das DSV-Quartett landete auf einem enttäuschenden sechsten Platz. „Da haben wir in Oberhof noch etwas gutzumachen“, sagt Magdalena Neuner, die auch in diesem Winter schon wieder die Weltcup-Gesamtwertung anführt.

Neuner ist die personifizierte Versicherung auf Edelmetall. Mit ihr das ohnehin schon mit einer Millionen-Fangemeinde verwöhnte Biathlon in den vergangenen fünf Jahren noch populärer geworden. Neuners Beliebtheit und Erfolge werden dem deutschen Team nach ihrem Rücktritt zum Saisonende fehlen. „Sie ist nicht zu ersetzen. Das Loch können wir nicht stopfen“, gesteht Bundestrainer Gerald Hönig. Wird es einen Rückschritt geben? Hönig überlegt, dann sagt er: „Von Rückschritt zu reden, erscheint mir zu krass. Aber wir müssen erst einmal durch ein Tal.“

Wenn Neuner aufhört, fehlt dem deutschen Frauen-Team die beste Biathletin der Welt. Aber ihr angekündigtes Karriere-Ende ist nur ein weiterer Rückzug einer überragenden Athletin. In den vergangenen Monaten haben bereits Kati Wilhelm, Simone Hauswald und Martina Beck, die unzählige WM- und Olympia-Medaillen gewonnen haben, Ski und Gewehr gegen Kinderwagen und Milchfläschchen eingetauscht. Ob die 34-jährige Andrea Henkel noch bis zu den Winterspielen 2014 in Sotchi weiter machen wird, ist gut möglich, aber keineswegs sicher.

Gössner als Nummer 1

Somit bleiben aus der WM-Goldstaffel des vergangenen Jahres sicher nur Tina Bachmann und Miriam Gössner. Aber ausgerechnet die 21-jährige Gössner, nach Neuner das größte deutsche Talent der vergangenen Jahre, schwächelt in diesem Winter. „Miriam ist eine Wundertüte“, sagt Hönig, „das Schießen ist eine Kopfsache bei ihr. Im Training klappt es viel besser als im Wettkampf. Aus der Staffel werden wir sie erst einmal heraushalten. Aber wir setzen weiter auf sie, denn wenn sie gut beim Schießen durchkommt, läuft sie ganz vorne herein.“

Wie Magdalena Neuner. Und diese Ausnahmeathletin hat das Zielen und Treffen auch nicht über Nacht erlernt.