Frankfurt am Main. Als Journalist ging Wolfgang Niersbach einst zum Deutschen Fußball-Bund. Sollte Niersbach tatsächlich gewählt werden, käme dies der Krönung seiner 23-jährigen Tätigkeit gleich. Wird der Generalsekretär der nächste DFB-Präsident, übernimmt er die Verantwortung für 6,8 Millionen Mitglieder.

Wolfgang Niersbach eilte beschwingt durch den Frankfurter Nieselregen, bevor er am Morgen in der Drehtür der DFB-Zentrale verschwand. Wie er die letzten Treppenstufen hinaufstieg, war eine Szene mit enormem Symbolgehalt, denn als er Stunden später wieder herabkam, war aus dem Generalsekretär der kommende Präsident des Deutschen Fußball-Bundes geworden - Niersbach, der 1988 'nur' als Journalist zum größten Sport-Fachverband der Welt gewechselt war, ist seit Mittwoch (fast) ganz oben.

Starke Worte

Dort muss er sich, seine Wahl zum Nachfolger des DFB-Präsidenten Theo Zwanziger im Oktober 2012 vorausgesetzt, an seinen starken Worten von einst messen lassen. 'Der DFB ist in ruhigen Tagen ein Tanker', hatte der 61-Jährige mal erklärt, und hinzugefügt: 'Er kann bei Bedarf aber zum Schnellboot werden!' 2012 wird er nach jetzigem Stand ein Schiff im Sturm übernehmen, das ruhigeres Fahrwasser nötig hat. Denn die Wellen schlagen hoch: Gewalt, Pyrotechnik, eine Schiedsrichter-Steueraffäre, der leidige Kempter/Amerell-Skandal.

Da trifft es sich ziemlich gut, dass dem ehemaligen Fußball-Chef beim Sport-Informations-Dienst (SID/1973 bis 1988) und langjährigen Mediendirektor des DFB ein Ruf als Macher vorauseilt. Gestalten, nicht verwalten, so sieht der starke Mann beim Verband seit jeher seine Aufgabe.

Niersbach der Konservative

Er sei dabei zwar auch immer 'ein Stück weit konservativ, aber in dem Sinne, dass ich das Gute bewahren möchte', sagt Niersbach. 'Und da haben meine Vorgänger im DFB unter der ehrenamtlichen Führung außergewöhnlicher Präsidenten hervorragende Strukturen aufgebaut. Der DFB ist ein zuverlässiger Partner, der von manchen zu Unrecht als Behörde dargestellt wird.'

Dass er dieser 'Nicht-Behörde' einmal als Präsident vorstehen und die Interessen von 6,8 Millionen Mitgliedern vertreten würde, hätte er sich nicht träumen lassen. 'Das war weder mein Ziel noch meine Lebensplanung', sagte er am Mittwoch fast ein wenig ungläubig, 'ich bin ja schließlich einst als Journalist gekommen. Aber es war auch nicht meine Lebensplanung, einmal Generalsekretär zu werden...'

Seit 23 Jahren beim DFB

Niersbach, seit 23 Jahren beim DFB, kennt den Verband inzwischen aus dem Eff-Eff, ist aber auch international gut vernetzt. Zum FIFA-Präsidenten Joseph S. Blatter pflegt der Düsseldorfer ebenso guten und freundschaftlichen Kontakt wie zum UEFA-Boss Michel Platini, der besonders zu schätzen weiß, dass er mit Niersbach auch Französisch parlieren kann.

Doch Niersbach ist nicht nur sprachgewandt, sondern auch sonst ein Kommunikator. Der Fan von Fortuna Düsseldorf stieg nach seiner Zeit als geschäftsführender Vizepräsident und Verantwortlicher für die Medien im Organisationskomitee der WM schließlich 2007 zum Generalsekretär auf - damit war er der Chef von 210 Angestellten.

'Das funktioniert aber alles nur, weil wir ein ganz tolles Team sind. Darauf darf man stolz sein, weil es eine gewachsene und grundsolide Mannschaft ist', sagte Niersbach. Bald wird er die Belange von Millionen Mitgliedern unter einen Hut bringen müssen.

WM 1990 war das "sportliche Highlight"

Als Mediendirektor hatte Niersbach den WM-Triumph 1990 unter dem Teamchef Franz Beckenbauer in Rom hautnah miterlebt, diese Tage bezeichnet er als sein 'sportliches Highlight'. Jedoch: 'Auf mindestens derselben Stufe steht die WM 2006, die ich von der Idee der Bewerbung bis hin zur Abschlussdokumentation in einem tollen Team begleitet habe. Es war grandios, wie das ganze Land mitgemacht hat', betont Niersbach stets.

Lange wurde ihm eine sehr starke (und fast ausschließliche) Nähe zum Profi-Bereich im Verband nachgesagt. Inzwischen kann er sich aber auch der Unterstützung breiter Teile der Basis sicher sein, wie am Mittwoch auch Hermann Korfmacher, Erster Vizepräsident der Amateure im DFB, versicherte.

'Er hat sich seit Jahrzehnten auch mit den Fragen des Amateurfußballs befasst', sagte auch DFB-Vizepräsident Hans-Dieter Drewitz. 'Es wird von ihm aber auch erwartet, dass er als Signal nochmal ein klares Bekenntnis zum Amateurfußball abgibt.'

Den prominentesten aller Fürsprecher im deutschen Fußball wusste Niersbach bei seinem Aufstieg übrigens stets neben sich: Franz Beckenbauer persönlich.