Essen. . Die fünfmalige Eisschnelllauf-Olympiasiegerin Claudia Pechstein startet nach Doping-Sperre im Weltcup. Ihr Fall polarisiert die Wintersport-Szene, doch die 39-Jährige lässt sich von ihrem großen Ziel nicht abbringen. Sie will bei Olympia im Jahr 2014 eine Medaille holen.

Erstmals seit 2008 bestreitet Eisschnellläuferin Claudia Pechstein, Deutschlands erfolgreichste, aber auch umstrittenste Wintersportlerin, wieder eine komplette Weltcup-Saison. Ab Freitag startet die 39-Jährige im russischen Tscheljabinsk. Der Weltcup-Auftakt soll nur eine Zwischenstation auf dem Weg zu ihrem großen Ziel sein. Die Berlinerin will am 22. Februar 2014 ihren 42. Geburtstag feiern. Nicht irgendwo, sondern bei den Olympischen Winterspielen in Sotschi. „Da will ich meine zehnte olympische Medaille gewinnen, die ich eigentlich schon in Vancouver holen wollte“, sagt Pechstein, „sie wurde mir gestohlen. Jetzt muss ich sie mir eben in Sotschi wiederholen. Und das mache ich sehr gerne.“

Seit drei Jahren kämpft Pechstein gegen die Sperre

Wer mit Claudia Pechstein ein Interview führen will, muss sich nicht nur, wie es mittlerweile normal ist bei prominenten Sportlern, an ihren Manager Ralf Grengel wenden. Wer die fünfmalige Olympiasiegerin sprechen will, muss erst einmal auf dem Handy von Matthias Große anrufen. Große ist Pechsteins neuer Lebensgefährte. Der Unternehmer und Betreiber einer Imbiss-Kette, der früher in Minsk Militärpolitik studierte, kümmert sich nicht nur um das private Glück der Claudia Pechstein. Die Eisschnellläuferin lernte Große während ihrer zweijährigen Dopingsperre kennen. „Das Positivste in dieser Zeit war, dass ich meine neue Liebe für mein Leben gefunden habe“, sagt sie, „Matthias hat mich zunächst mit seinen Mails unterstützt. Mittlerweile sind wir ein glückliches Paar.“

Seit drei Jahren führt Claudia Pechstein einen Kampf gegen ihre Sperre. Erbittert und verbittert. Gegen Politiker, Funktionäre, Ärzte und Verbände. Ihr Fall ist nicht nur einzigartig, weil sie als erste Sportlerin mittels eines indirekten Beweises gesperrt wurde, sondern auch weil er so komplex und kompliziert ist.

Mit dem Training nie ausgesetzt

Im Februar 2009 wurde in einer Blutprobe ein erhöhter Retikulozyten-Wert festgestellt. Erst im Juli 2009 folgte eine zweijährige Sperre für Pechstein. Für die Anti-Doping-Agenturen war die erhöhte Zahl von Retikulozyten (junge rote Blutkörperchen) ein indirekter Beweis für ein Doping mit Epo oder anderen Substanzen. Während Pechstein Einspruch einlegte und vor die Gerichte zog, stritten sich Wissenschaftler über ihren Fall. Im März 2010 erklärte Gerhard Ehninger, der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Onkologie, dass eine vererbte Blut-Anomalie für die veränderten Blutwerte verantwortlich sei. Trotzdem entschied das Schweizer Bundesgericht, dass der Internationale Sportgerichtshof die Sperre nicht aufheben muss.

Pechstein hat nie ganz mit dem Training ausgesetzt. „Es war sofort klar, ich höre definitiv nicht auf“, erklärt sie, „deswegen habe ich hart an mir gearbeitet, auch wenn durch die vielen Anwalts-, Gerichts- und Arzttermine ein ganz normales Training nicht möglich war.“ Der Kampf durch die Instanzen hat sie viel Kraft gekostet. „Ich bin unschuldig verurteilt worden. Ohne Beweis“, klagt sie, „das ist das Schlimmste, was einem passieren kann.“

Der Fall Pechstein polarisiert

Der Fall Pechstein polarisiert auch weiterhin – und bleibt eine Glaubensfrage. Die einen schätzen sie, weil sie nie aufgegeben und kompromisslos um ihren Ruf gekämpft habe. Die anderen halten sie weiterhin für eine Betrügerin. „Den Doping-Stempel werde ich immer auf der Stirn tragen“, sagt sie. „Wie eine Tätowierung. Selbst bei einer vollständigen Rehabilitierung durch den Weltverband ISU. Deshalb werde ich auf Schadensersatz klagen.“

Pechstein wird also weiterhin nicht nur auf dem Eisoval gegen ihre Konkurrenten kämpfen, sondern auch vor Gericht. Ihre Retikulozyten-Werte, die nach ihren eigenen Angaben weiterhin erhöht sind und die sie im Internet veröffentlicht, scheinen die ISU nicht mehr zu interessieren. Inzwischen hat die Eisschnellläuferin sogar eine Selbstanzeige eingereicht. Ohne Folgen.

Es ist nicht das einzige Kuriosum in der Geschichte der Claudia Pechstein.