Molekularbiologe und Dopingexperte Werner Franke glaubt trotz fehlender Doping-Schlagzeilen nicht an eine saubere Tour: "Wer glaubt denn das noch? Das ist ein korrupter Haufen."

Die große Schleife in Frankreich befindet sich bereits auf der zehnten Etappe und noch kam kein positiver Dopingbefund ans Licht. Von einer sauberen Tour zu sprechen, ist für den Molekularbiologen und Dopingexperten Prof. Werner Franke aber ein Unding. Im Gespräch mit dem Sport-Informations-Dienst (SID) holt Franke zum Rundumschlag gegen die Radsportszene aus und hat auch eine Meinung zum Fall Pechstein.

SID: "Bei der Tour de France bleiben die Skandale überraschenderweise aus. Es ist bereits von einer sauberen Tour die Rede. Wie wahrscheinlich ist das?"

Werner Franke: "Das ist doch ein Witz. Wer glaubt denn das noch? Die haben 30, 40 Jahre lang gelogen und immer behauptet, die Tour wäre sauber. Das ist ein korrupter Haufen."

SID: "Wie meinen Sie das?"

Franke: "Diejenigen, die kritisch waren, wurden doch entlassen. Man schaue nur auf die L'Equipe oder Het Laatste Nieuws in Belgien, wo die verantwortlichen Leute, die Wahrheiten in Form von Geständnissen aufgedeckt haben, entfernt wurden. Das sieht man doch daran, dass Doping-Dinge wie die von Patrik Sinkewitz oder Jörg Jaksche keiner mehr haben will. Das ist ein Krieg, der von General Armstrong angeführt zu sein scheint."

SID: "Lance Armstrong ist in Frankreich der umjubelte Star ..."

Franke: "Was soll ich noch über die Dummheit der Bevölkerung reden. Das passt doch alles zusammen."

SID: "Wie sind denn die Kontrollen in diesem Jahr bei der Tour zu bewerten?"

Franke: "Die Kontrollen bei der Tour de France sind denkbar unintelligent. Außerdem geht doch keiner mehr aufs Rad, der nicht vorgecheckt ist. Die Fahrer werden doch durch ihre Doping-Doktoren und durch die ganzen Anti-Doping-Programme bestens eingestellt."

SID: "Das heißt, der Anti-Doping-Kampf des Radsport-Weltverbandes ist in Ihren Augen auch nur ein Muster ohne Wert?"

Franke: "Das ist nur eine höhere Stufe der Volksverdummung. Das Ganze hat außerdem schon einen mafiösen Charakter, wenn Fahrer, die vor der Justiz zur Aufklärung von Verbrechen beigetragen haben, kaltgestellt werden und keine Chance mehr haben, ihren Beruf auszuüben."

SID: "Sie sprechen damit Sinkewitz, Jörg Jaksche oder Bernhard Kohl an?"

Franke: "Richtig. Die Fahrer haben wertvolle Aussagen vor der Justiz gemacht. Und was ist passiert? Nichts. Alles ist doch eingestellt worden, übrigens ganz anders als beim DDR-Doping."

SID: "In Deutschland sorgt derzeit der Fall Pechstein für Schlagzeilen. Wie ist Ihre Meinung dazu?"

Franke: "Da wird viel über eine erbliche Erkrankung gequatscht. Ich habe bisher aber noch keine intelligente Aussage gehört, die ihre Retikulozytenwerte anders als durch Manipulation erklären könnte."

SID: "Das heißt, ein Dopingfall ist der wahrscheinliche Fall?"

Franke: "Sehen Sie. Bei der WM in Hamar lag der Wert bei 3,5 Prozent (die zulässige Grenze beträgt 2,4 Prozent, d. Red.). Dann ist Frau Pechstein abgereist. Und eine Woche später war der Wert normal, so bei 1,0. Das sagt doch alles. Das soll mir doch mal einer erklären. Ich beschäftige mich ja auch beruflich mit solchen Zellen (Franke ist Professor für Zell- und Molekularbiologie, d. Red.)."

SID: "Der Fall wird vermutlich vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS landen. Wie wird die Geschichte ausgehen?"

Franke (lacht): "Den CAS nehme ich auch nicht ernst. Ich habe da mal im Fall Hondo (der frühere Radprofi hatte wegen eines positiven Tests auf extrem niedrige Werte von Carphedon geklagt, d. Red.) als Experte gesessen. Das war ein Präparat, das damals in der früheren UDSSR hinter Zäunen als militärische Geheimdroge für die Luftwaffe und die Raumfahrt produziert worden war. Und der zuständige Rennarzt von Hondo war zuvor bei der russischen Luftwaffe. Alles sehr lustig. Da haben die mich nur mit großen Augen angeguckt. Naturwissenschaft gilt beim CAS wenig."