Essen. DFB-Zentrale und Wohnungen durchsucht - auch Top-Schiedsrichter sollen Zusatzeinnahmen nicht versteuert haben. Schiri-Boss Herbert Fandel mahnt zur Gelassenheit und möchte zunächst “die Ermittlungen abwarten“.
Menschen können, wenn sie sich nahe waren, später durchaus grausam zueinander sein. Sie können auf Rache sinnen, und manchmal gelingt es ihnen nicht, loszulassen. Vielleicht haben gestern sogar genau deswegen fünf Steuerfahnder die Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes in Frankfurt durchsucht.
Sie waren auf der Spur von rund zwei Dutzend Schiedsrichtern, darunter auch Unparteiischen, die in der Bundesliga pfeifen und die im Verdacht stehen, jahrelang Steuern hinterzogen zu haben. Dem DFB droht damit ein neuer Schiedsrichter-Skandal, und eine pikante Note dieser Geschichte könnte sein, dass sie wegen des vorherigen Skandals überhaupt erst aufgeflogen ist.
Dazu muss man für einen Augenblick zurück gehen. 2009 ist der frühere Fifa-Referee Michael Kempter aus Sauldorf wegen Steuerhinterziehung in mehreren Fällen zu einer Geldstrafe in Höhe von 23 750 Euro verurteilt worden. Die Sache ist abgeschlossen, eine andere, in der Kempter eine von zwei Hauptrollen spielt, nicht: Vor gut einem Jahr schreckte ein Sex-Skandal zwischen Kempter und dem ehemaligen DFB-Schiedsrichter-Obmann Manfred Amerell den DFB auf. Die beiden Beteiligten zogen ver- und erbittert vor Gericht, die juristischen Auseinandersetzungen um angebliche oder tatsächliche sexuelle Nötigung hält an.
Umfeld Amerells
In Zusammenhang mit dieser Geschichte verlor Amerell beim Fußballbund sein Amt und sein Ansehen, und nun, so beschrieb es gestern zumindest der Sport-Informationsdienst, „verdichten sich die Anzeichen, dass die ursprüngliche Anzeige möglicherweise aus dem Umfeld Amerells kommt“.
Das mag ein allzu menschliches Detail dieser Geschichte sein, doch den DFB müssen die Verdachtsmomente beunruhigen: Über 20 Schiedsrichter, darunter Top-Kräfte der Branche, stehen im Verdacht, Steuern hinterzogen zu haben.
Der Verband ist dabei außen vor: „Es gibt keinerlei Vorwürfe gegen den DFB“, stellte Generalsekretär Wolfgang Niersbach klar, „die korrekte Versteuerung seiner Einnahmen obliegt jedem Schiedsrichter selbst.“ Stimmt: Es gibt selbst in der Bundesliga keine Profi-Schiedsrichter, alle Unparteiischen müssen ihre Aufwandsentschädigungen als Zusatzeinnahmen selbst versteuern.
"Wir warten ab"
Was sie, so der Verdacht der Steuerfahnder, nicht immer getan haben. Es geht offenbar vor allem um nicht angegebene Einnahmen aus Freundschaftsspielen oder um doppelt abgerechnete Fahrtkosten. Schiedsrichter-Boss Herbert Fandel zeigte sich gestern völlig überrascht: „Wir warten die Ermittlungen ab.“
Was dabei erstaunt: Die einzelnen Summen, um die es vor allem bei Freundschaftsspielen geht, sind gering. Finanziell lohnt sich das Pfeifen nur im Profi-Bereich: Für jedes Bundesligaspiel kassiert ein Schiedsrichter 4000 Euro vom DFB, dazu kommen 500 Euro von einem DFB-Sponsor. In der 2. Bundesliga liegt der Satz bei 2000, in der 3. Liga bei 750 Euro. Assistenten bekommen jeweils die Hälfte, der vierte Offizielle jeweils ein Viertel.
Was darunter in den Amateurklassen oder bei Freundschaftsspielen gezahlt wird, ist ein Bruchteil – und Sache der Verbände. In der Regionalliga West liegt die Aufwandsentschädigung für Schiris zum Beispiel bei 160 Euro, in der Landesliga gibt's an Rhein und Ruhr noch um die 20 Euro. Fahrtkosten werden pauschal oder mit bis zu 30 Cent pro Kilometer erstattet.
Im Fokus: 35 Euro
Etwas lukrativer sind die Testspiele der Bundesligisten, bei denen der Schiedsrichter ebenfalls vom DFB angesetzt wird. Beispiel: Als die Sportfreunde Siegen vor einigen Wochen gegen Meister Borussia Dortmund gespielt haben, lagen die Kosten für die Unparteiischen bei 195 Euro. Dem Münchener Bundesliga-Schiedsrichter, dessen Wohnung gestern durchsucht wurde, wird unter anderem vorgeworfen, Fahrtkosten für ein Frauenfußballspiel in Unterhaching nicht versteuert zu haben: Es geht um 35 Euro.