Shanghai. Michael Phelps hat sich in den Vorläufen zum Finale der 200-Meter-Freistil geschont. Der erfolgreichste Olympia-Teilnehmer aller Zeiten will Revanche für die WM-Niederlage von vor zwei Jahren.

Wenn sich in der Mixed Zone eine Hundertschaft von Reportern um die beste Position streitet und nicht davor zurückschreckt, dem Nebenmann auf die Pelle zu rücken, obwohl dieser angesichts einer Außentemperatur von über 35 Grad und einer immens hohen Luftfeuchtigkeit vor Schweiß klebt, dann kann nur Michael Phelps hinter der Absperrung stehen. Phelps ist der Megastar des Sports, der mit 14 Goldmedaillen erfolgreichste Athlet der olympischen Geschichte.

Phelps ärgert sich

Drei Starts hat der 25-Jährige bei der Schwimm-WM in Shanghai schon absolviert – kein einziges hat er als Sieger beendet. Und doch dreht sich alles um ihn. Als Startschwimmer der US-Freistilstaffel wechselte er als Zweiter und ärgerte sich hinterher über die Bronzemedaille, die er mit seinen Teamkollegen hinter Australien und Frankreich gewann. "Diese Niederlage wurmt mich", gab er zu, "ich liebe es nicht zu verlieren." Und deshalb hat er sich für den Höhepunkt der Titelkämpfe von Shanghai am Dienstag (12 Uhr MESZ) im Finale über 200 Meter Freistil vorgenommen, Revanche für die WM-Niederlage vor zwei Jahren in Rom zu nehmen. Es wird der große Showdown, denn es geht nicht nur um die Revanche zwischen Titelverteidiger Paul Biedermann und Phleps.

Mit dem südkoreanischen Weltmeister über 400 Meter Freistil, Tae Hwan Park, dem französischen Europameister Yannick Agnel und vor allem dem dreifachen Olympiasieger Ryan Lochte aus den USA werden drei weitere heiße Sieganwärter auf den Blöcken stehen. Im Vorlauf begnügte sich Phelps mit der fünftbesten Zeit, und im Halbfinale landete er hinter Biedermann (1:45,93 Minuten) und Lochte (1:46,11) nur auf Rang drei (1:46,91). "Das wird ein ganz enges Finale", sagte Phelps, nachdem die Hälfte der Reporter ihre Erinnerungsfotos mit dem Handy auf die SD-Karte gespeichert hatte, "einige Jungs sind vorne ganz schön schnell und lassen hinten kaum nach."

Paul Biedermann lächelte über die Worte des erfolgreichsten Schwimmers der Geschichte. "Ich weiß genauso viel wie vor der WM", sagte er, "hier hat noch keiner ausgepackt, was er wirklich draufhaut."

Phelps ist nicht mehr der Überschwimmer

Michael Phelps ist sich bewusst, dass auch am Dienstag alle Blicke auf ihn gerichtet sein werden. "Das ist mein Leben", sagt er, "ich habe gelernt damit umzugehen." Phelps ist gereift. Er ist nicht mehr der kleine Junge aus Baltimore, der früher wie ferngesteuert von seinem Trainer Bob Bowman wirkte. Früher geriet er des öfteren ins Stottern. Heute hält er souverän vor der Weltpresse Hof. Keine Frage ist ihm zu brisant oder zu naiv. Er schaut den Gesprächspartnern offen in die Augen und meistert souverän das Frage-und-Antwort-Spiel. Mal streut er kleine Scherzchen ein, mal gibt er Einblick in seine lebensphilosophischen Erkenntnisse. Phelps hat sich arrangiert mit dem Leben als Megastar.

Phelps ist aber nicht mehr der Überschwimmer, der Unbesiegbare, der nach seinen acht Siegen 2008 in Peking von seinen Fans schon fast als Außerirdischer bewundert wurde. Dass es nicht nur an den High-Tech-Anzügen lag, dass er ein schlagbarer Schwimmer wurde, zeigte sich im vergangenen Jahr, als er auch in der Badehose einige Niederlagen kassierte. Es war ein schweres Jahr für Phelps. "Ich habe mit dem Gedanken gespielt, meine Karriere zu beenden", gibt er zu, "aber jetzt habe ich wieder richtig Spaß und fühle mich auch in guter Form."

Phelps hat sich wieder dem harten Regime von Bob Bowman untergeordnet. Aber es ist nicht mehr das Lehrer-Schüler-Verhältnis, das ihre Beziehung prägt, die beiden sind Partner. Und Phelps weiß, dass er sich quälen muss. "Golf ist nicht wirklich für gut für die 200 Meter Schmetterling", sagt Bowman. Phelps nickt, aber erzählt dann kurze Zeit später: "Ich liebe, was ich tue. Auch eine 18-Loch-Runde auf dem Golfplatz." Nach den Olympischen Spielen 2012 in London wird er endgültig die Badehose in den Schrank legen. Darauf ist alles ausgerichtet, die WM ist nur ein Schritt auf dem Weg dorthin. Neue Motivation hat ihm die Comeback-Ankündigung von Ian Thorpe gegeben. Der Australier wird in London dabei sein. "Gegen ihn habe ich noch kein großes Rennen gewonnen", sagt Phelps. Die 200 Meter Freistil von London werden ein Höhepunkt der Spiele. Aber erst einmal steht heute das WM-Highlight an.