Shanghai. . Schwimm-Star Britta Steffen konnte sich über die Bronze-Medaille mit der Staffel nicht freuen. Sie ist auf der Suche nach der verlorenen Zeit. Ihr Freund Paul Biedermann war mit seinem dritten Platz zufriedener - und musste Trost spenden.

Als sich die Essenerin Lisa Vitting, die Pforzheimerin Silke Lippok und Daniela Schreiber vor ausgelassener Freude über die WM-Bronzemedaille in der 4-x-100-Meter-Freistil-Staffel in den Armen lagen, da saß einige Meter entfernt die vierte deutsche Schwimmerin auf einem schwarzen Stuhl. Sie blickte starr ins Leere und schüttelte immer wieder ihr langes blondes Haar. So fassungslos hatte die Schwimm-Welt die Vorzeigefigur ihres Sports in Deutschland schon lange nicht mehr gesehen.

Britta Steffen, die seit Jahren an großen Erfolg gewöhnte Berlinerin, die Doppel-Olympiasiegerin von 2008, die Doppel-Weltmeisterin von 2009, die Weltrekordlerin versuchte in diesem Moment zu verstehen, dass sie wieder auf dem Boden angelangt ist. Und sie spürte, wie weh solch ein tiefer Fall tun kann.

Mehr als die Bronzemedaille hätte für die deutsche Staffel (3:36,05 Minuten) nicht herausspringen können, dafür war der Abstand zu den Weltmeisterinnen aus den Niederlanden (3:33,96) und den US-Amerikanerinnen (3:34,47) zu groß. Doch Britta Steffen konnte sich über diese Bronzemedaille nicht freuen, weil sie als Startschwimmerin in 54,51 Sekunden weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben war. Vor allem den eigenen.

Trost vom Freund

Und so musste sich die 27-jährige Berlinerin von ihrem Freund Paul Biedermann trösten lassen. Es war keine einfache Stunde für das goldene Paar des deutschen Sports, das an diesem Abend vor 17 000 Zuschauern in der Schwimmhalle Crown zum Bronze-Duo wurde. Auch Biedermann, der Doppel-Weltmeister der Titelkämpfe vor zwei Jahren in Rom, wurde Dritter. Aber der Hallenser absolvierte nach seinen 400 Meter Freistil mit einem zufriedenen Lächeln den Frage-und-Antwort-Marathon der Journalisten aus der ganzen Welt. Der Gesichtsausdruck war nicht aufgesetzt, Biedermann freute sich wirklich über diesen dritten Platz, obwohl er in Shanghai den ersten seiner beiden Titel nicht verteidigen konnte.

Gegen den Koreaner Tae Hwan Park (3:42,02 Minuten) und den Chinesen Sun Yang (3:43,24) hatte er an diesem Abend mit seiner Zeit von 3:44,14 Minuten keine Chance. Aber immerhin hatte er den hoch eingeschätzten US-Amerikaner Peter Vanderkaay und das französische „Wunderkind“, Europameister Yannick Agnel, hinter sich gelassen. „Mehr war nicht drin“, sagte Biedermann, „nach 250 Metern habe ich gesehen, der Titel ist weg. Aber ich bin zufrieden und freue mich, dass ich meinen Weltrekord behalten habe.“ Den hat Biedermann vor zwei Jahren mit 3:40,07 Minuten in Rom aufgestellt. Allerdings im Einteiler aus Polyurethan, den die einen „Wunderanzug“, die anderen „Wurstpelle“ nannten.

Biedermann hat in Shanghai bewiesen, dass er nicht nur, wie einige Kritiker schon unkten, von seinem schnellen Beinkleid profitierte, sondern auch in der herkömmlichen, knielangen Textil-Badehose zur Weltklasse zählt. Rechtzeitig zur WM scheint Biedermann, der nur als Zehnter der Weltjahresbestenliste gen China gereist war, zur Topform gefunden zu haben, auch wenn es gegen die beiden überragenden Asiaten nicht reichte. „Ich weiß jetzt, dass ich für Olympia in London noch mehr trainieren muss“, sagte der 24-jährige Biedermann, „erst einmal freue ich mich auf die 200 Meter am Montag und Dienstag.“

"Dachte, ich hätte mich verguckt"

Die Freude auf die aktuellen Herausforderungen scheint seiner Lebenspartnerin dagegen schon nach dem Auftakttag vergangen zu sein. „Ich habe beim Blick auf die Anzeigetafel zunächst gedacht, ich hätte mich verguckt“, erzählte Britta Steffen, die mit 52,07 Sekunden den Weltrekord über 100 Meter Freistil hält. Die Studentin lieferte eine schonungslose Selbstdiagnose ab. „So viel kann ich mich gar nicht steigern, als dass ich hier im Einzel noch um die Medaillen schwimmen könnte. In dieser Verfassung komme ich noch nicht einmal ins Finale.“

Ihre Staffelkollegin Lisa Vitting hat den Glauben an ihre prominente Teamkollegin noch nicht verloren. „Britta sollte sich ihrer alten Stärken bewusst werden und daran glauben, dass sie sich in den drei Tagen Pause steigern kann“, riet die Studentin der Wirtschaftspsychologie. Aber Britta Steffen wollte zumindest am Sonntag davon nichts wissen. „Es ist schwer, von einem Superauto zurück zu einem Trabi zu kommen“, sagte sie und fügte mit schonungsloser Offenheit hinzu: „Und Britta Steffen ist im Moment nicht mehr als ein Trabi.“