Aachen. . Das Millionen teure Pferd Totilas und Reiter Matthias Rath haben beim CHIO in Aachen eine Glanzleistung vollbracht. Das Duo leistete sich keinen Fehler im Viereck.

Das also ist der Wunderhengst? Totilas trabt mit gesenktem Kopf über den Trainingsplatz neben dem Dressurstadion. Eine Dreiviertelstunde ist es noch hin bis zum Auftritt von Totilas und seinem Reiter Matthias Alexander Rath beim Dressur-Nationenpreis.

Es ist der Auftritt, auf den beim Aachener Chio alle hinfiebern. Der Auftritt, der mit Erwartungen beinahe überfrachtet ist. Der Auftritt, der durch Totilas’ Vorgeschichte als Pferd des Niederländers Edward Gal das ohnehin brisante deutsch-niederländische Favoriten-Duell noch weiter angeheizt hat.

Die Ordner haben den Platz vor der Übungsarena abgesperrt; der Andrang ist zu groß. Totilas scheint von all dem nichts mitzubekommen. Und auch sein Reiter Rath, gibt sich alle Mühe, entspannt rüberzukommen. Am Morgen ist Deutschlands erste Starterin Anabel Balkenhol ausgefallen, weil sich ihr Pferd Dablino auf dem Abreiteplatz vertreten hat. Das Team Deutschland hat jetzt keinen Streichkandidaten mehr, der Druck ist nicht geringer geworden. Aber Rath lächelt. Nur von Zeit zu Zeit zuckt das jugendliche Gesicht des 26-Jährigen. Konzentration? Oder doch Anspannung?

Startschuss für Totilas

Totilas Verwandlung erfolgt eine halbe Stunde vor dem Start. Dagmar, Totilas schwedische Pflegerin, kommt ins Karré und nimmt dem Rappen die Decke ab. Für Totilas scheint das der Startschuss zu sein. Er reckt den Kopf in die Höhe, bläst die Nüstern auf und schnaubt. Es wirkt, als wollte er sagen: Jetzt geht’s los. Auch Matthias Rath zieht die rote Trainingsjacke aus.

Vor den Tribünen des Dressurstadions haben die Ordner derweil Mühe, den Einlass zu moderieren. Einlassstopp trotz langer Schlangen. Gäste in feinen Anzügen werden pampig. Sie sehen nicht so aus, als würden sie oft pampig.

Als Rath und Totilas in die Arena kommen, wird es still. Nur das Klicken zahlloser Fotoapparate ist zu hören. Totilas, der Medienstar.

Der Auftritt im Viereck ist eine Demonstration. Was bei anderen Pferden angestrengt wirkt, macht er spielerisch. So viel Eleganz und so viel Leichtigkeit, gepaart mit so viel Kraft und so viel Siegeswillen hat das Dressurreiten noch nicht gesehen.

Totilas schrumpft auf Normalmaß

Als die Dressur vorbei ist, reißt sich Rath den schwarzen Hut vom Kopf. Drei mal reckt er die rechte Faust in die Luft, drei mal klopft er Totilas auf den Hals. Viele Zuschauer erheben sich. Das Urteil der fünf Richter lautet: 82,149 Prozent. Fünf Starter folgen noch. Aber jeder weiß: Das ist nicht mehr zu toppen. Der Tagessieg ist Rath und Totilas nicht mehr zu nehmen. Und auch in der Teamwertung liegt Deutschland uneinholbar vorn.

Die Fernsehkameras folgen dem siegreichen Paar in die Ausreitzone. Raths Stiefmutter Ann Kathrin Linsenhoff, die Totilas gemeinsam mit Züchter Paul Schockemöhle für zehn Millionen Euro gekauft hat, fällt ihrem Stiefsohn um den Hals. Dann kommt Dagmar und legt Totilas die Decke über. Der Rappe senkt den Kopf. Es wirkt, als wenn man die Luft aus einem Ballon lässt. Totilas schrumpft auf Normalmaß. So, als wollte er sagen: Geschafft!

Später, Totilas ist längst im Stall und hat zwei Extraäpfel bekommen, steht Rath vor den Journalisten. Er muss erst noch seinen Müsliriegel aufessen, bevor die Interviews starten können. Sein bislang bester Ritt auf Totilas sei das gewesen, sagt Rath. „Und das in Aachen, das ist schon etwas ganz Besonderes.“ Ob Totilas ein Show-Hengst sei, fragt eine Reporterin. „Ja, er mag das sehr gerne“, sagt Rath und sieht sehr glücklich aus.