Düsseldorf. .

Es ist spät geworden nach diesem 4:2 über die Französinnen. Und im Düsseldorfer Hilton wartete, Mitternacht war vorbei, noch ein Bufett und eine lange Rede. Die unvermeidliche Claudia Roth hatte sich zum Besuch beim Frauen-Nationalteam angemeldet und ausführlich gratuliert, wie Inka Grings am nächsten Morgen erzählte. „Uns kam es schon etwas länger vor“, sagte Grings, und beinahe entschuldigend setzte sie hinzu: „Wir waren ja alle sehr müde.“ Aber so funktioniert das nun einmal: Die deutschen Fußballerinen stehen im WM-Viertelfinale, Grings, Team und Turnier nehmen Fahrt auf – und schon ist die Politik zur Stelle.

Die grüne Frau Roth war ja nicht die erste, die sich gemeldet hatte. Unmittelbar nach dem dritten Sieg im dritten Vorrundenspiel klingelte das Handy der Bundestrainerin: „Die Kanzlerin hat gratuliert“, sagte DFB-Pressechef Ralf Köttker, und irgendwie sah er mächtig stolz dabei aus.

Wie viel Angela Merkel und Claudia Roth vom Frauenfußball verstehen, ist dabei gar nicht die Frage. Beide haben Sinn fürs Timing, und jetzt ist der Moment gekommen, in dem man sich mit Glückwünschen an das Team vorwagen kann. Nach dem 4:2 über Frankreich wirkt das Ensemble von Silvia Neid tatsächlich erstmals so, als sei es im Turnier angekommen.

Klarer Favorit gegen Japan

Natürlich gilt Deutschland im Viertelfinale am Samstag in Wolfsburg gegen Japan als klarer Favorit. Inka Grings ist wie so viele andere Spielerinnen ausführlich zu den Japanerinnen befragt worden, es folgten dann die üblichen Respektbezeugungen. Aber zwischen den Zeilen wird deutlich, dass das Team eine Einstellung entwickelt, die sagt: Wir lassen uns dieses Turnier nicht aus der Hand nehmen.

So ein Abend, so ein 4:2 bringt, so kurios es klingt, niemals nur Gewinnerinnen hervor. Vielleicht ist es die reine Ironie, dass sich die Lebenslinien zweier älterer, erfahrener Spielerinnen gerade kreuzen. Die eine Linie, die von unten nach oben führt, gehört zu Inka Grings. Die andere, die von oben kommt und nach unten zeigt, zu Birgit Prinz.

Dabei ist es nicht so, als wisse Grings nicht, was harte Zeiten sind. Sie hat in den ersten beiden Spielen auf der Bank gesessen, und das musste sie, die Impulsive, die Bundesliga-Torschützenkönigin, ja bis ins Mark treffen. Es gab Phasen, in denen Inka Grings nicht so professionell darauf reagiert hätte wie in den letzten Tagen.

Turbulentes Privatleben

Sie ist jetzt 32 Jahre alt, sie hat ihre Lektionen im Leben gelernt, und sie ist an ihnen gewachsen. Ganz sicher haben die persönlichen Rückschläge und die eine große Tragödie im Leben von Inka Grings dazu beigetragen.

Unter Rückschlägen finden sich die vielen Verletzungen, die sie eine WM und einmal Olympische Spiele gekostet haben. Man findet eine turbulente Zeit, in der sie sich verstrickt hatte zwischen einem Mann und einer Frau, als sie nach fünf Jahren Freundschaft ihre Mitspielerin Linda Bresonik wegen Ex-Profi Holger Fach verließ – der dann nach kurzer Zeit Grings gegen Bresonik tauschte.

Mit Linda Bresonik, mit der sie im Verein und im Nationalteam Seite an Seite spielt, ist längst alles gerade gezogen. Aber Inka Grings hält noch heute, sechs Jahre danach, ihr Privatleben so sorgfältig unter Verschluss, wie es geht.

Was ihr viel mehr zu schaffen gemacht hat: der Krebstod ihres Vaters. Deutschland feierte 2006 sein Sommermärchen, als Inka Grings mit einer persönlichen Tragödie zurecht kommen musste. Und lange nicht wusste, wie. Sie habe damals, sagt sie rückblickend, nicht die Menschen um sich herum gehabt, die sie hätten führen können. Vielleicht, ergänzt sie, habe sie sich auch nicht führen lassen. Sie machte Fehler, auch im Nationalteam, sie überwarf sich mit Bundestrainerin Neid und verpasste deshalb nach der WM 2003 auch das Turnier 2007.

Ein kleines Drama

Deshalb bedeutet Grings diese WM so viel, deshalb hat sie unter ihrer Versetzung auf die Bank so gelitten, deshalb hat sie nun den Anspruch, nicht nur Tore zu schießen, sondern das Team zu führen: „Ich versuche, auf dem Platz klare Worte zu setzen. Wir Älteren müssen voran gehen.“

Die Älteren. Es bleiben außer Grings gar nicht mehr so viele, die die Mannschaft leiten könnten. Das 4:2 hat eine Elf gezeigt, die schneller gespielt und besser kombiniert hat als vorher, die sich rechtzeitig vor den Alles-oder-nichts-Spielen gefunden zu haben scheint. Eine Elf ohne Birgit Prinz.

Es ist schon ein kleines Drama, das sich da vollzieht. Birgit Prinz wird jetzt bestimmt irgendwo die Formulierung von der großen alten Dame des Frauenfußballs über sich lesen müssen. Das ist dann respektvoll gemeint und zeigt doch unbarmherzig, dass die Zeit abläuft. Gegen Frankreich fühlte sich Prinz, die bis zur Schmerzgrenze selbstkritisch ist, nicht in der Lage zu spielen. Nicht einmal ihre Einwechslung stand an. „Es lief doch gut, warum hätte ich das tun sollen?“, fragte Neid.

Was da mitklingt: Warum sollte sie Prinz gegen Japan in die Startelf zurückholen? Prinz schweigt dazu, das Reden hat Inka Grings übernommen. „Es ist ganz sicher nicht leicht für Birgit.“ So sprechen neue Anführer über alte.