Durban. Es hat nicht gereicht für München. Trotz einer starken Bewerbung der bayerischen Landeshauptstadt hat das Internationale Olympische Komitee die Winterspiele 2018 an das südkoreanische Pyeongchang vergeben. Das Votum sorgte für Frust und Enttäuschung.

Kurz nach fünf Uhr verliert der Himmel über München am Mittwochnachmittag endgültig seine blauweiße Farbe. Auf der Videowand, die vor dem Rathaus am Marienplatz steht, erscheint das Gesicht von Jacques Rogge. Der Präsident des Internationalen Olympischen Komitees öffnet in Durban einen Umschlag, dann verkündet der Herr der Dinge den Ausrichter der Olympischen Winterspiele 2018: „Pyeongchang“. Südkorea hat München geschlagen, auf dem Dach des Rathauses explodieren dennoch vorschnell ein paar Böller des geplanten Jubel-Feuerwerks. Ein Versehen.

Und dann kippt die Stimmung lautlos wie ein Tuch, das zu Boden gleitet, in den Keller. Der Tölzer Knabenchor, der nach der Wahl Münchens auf der Bühne die „Ode an die Freude“ singen sollte, schwenkt innerhalb eines Augenblicks um auf Volkslieder.

Der frühere Skispringer Dieter Thoma, der mit der Mannschaft Olympia-Gold gewonnen hat, quält sich als einer der Ersten ein Lächeln ab: „Da müssen wir wohl den Südkoreanern gratulieren und es beim nächsten Mal einfach besser machen.“

Im Namen des Katers

Ein paar Meter weiter räumt Barkeeper Thomas das Feld. Er hat seit dem Vormittag den „Olympiadrink 2018“ gemixt. Ananas, Wodka, Kokosnuss und ein Schuss Brombeer-Sirup zur Abrundung. Ein Cocktail, der bei 30 Grad in der Sonne in der Kombination mit ein paar Hellen schon mal das Licht ausknipsen kann. Das Wahlergebnis folgt für seine Kunden dann im Namen des Katers.

Zerrissene Fahnen auf dem Münchner Marienplatz zeugen von der Enttäuschung. Foto: dapd
Zerrissene Fahnen auf dem Münchner Marienplatz zeugen von der Enttäuschung. Foto: dapd

Aber schon eine Stunde vor der Bekanntgabe gehen die Gerüchte im Prunkhof des Rathauses bereits Gassi. Dort, wo die VIP-Gäste eigentlich an den Tischen mit den weißen Damastdecken auf einen Wahlsieg und die Olympia-Stadt München anstoßen wollten, werden die Gesichter lang und länger, als im südafrikanischen Durban nach einem Wahlgang bereits alles vorbei ist. Die ehemalige Skirennläuferin Martina Ertl hat keine große Lust mehr, bis zum Ende zu bleiben. „Wenn das stimmt, was wir aus Süd­afrika hören, dann war es das wohl mit unserer Bewerbung.“

Mit Bier und Brezel

Richtig. Doch auf der Bühne bemühen sich zwei Rockbands weiter um Stimmung. Kein unmögliches Unterfangen, denn die Tausenden von Zuschauern auf dem Marienplatz sind nicht ausschließlich Olympia-Fans. Während der Sommerferien treffen sich dort jeden Tag Massen von Touristen aus aller Welt. Und wenn es dazu noch Live-Musik, Brezel, Bier und Promis am laufenden Band gibt, bleiben auch viele hängen, die nichts mit Olympia 2018 am Hut haben.

Viele feiern einfach sich selbst und ihre Ferien, dennoch läuft der Tag zwischendurch etwas zäh, schließlich hat das Programm am Rathaus schon morgens um halb neun begonnen. Als man nach gefühlten fünf Stunden auf die Uhr schaut, ist es gerade einmal zehn Uhr. Über die Videowand flimmern die Präsentationen der drei Bewerberstädte München, Annecy und Pyeongchang. Männer, die dunkle Anzüge tragen und die Einzelheiten ihres 50. Geburtstages vergessen haben, preisen in Floskeln die Vorzüge ihrer Städte. Ein Stimmungskiller für eine Party.

Verwirrung auf dem Marienplatz

Felix Neureuther hat an diesem Vormittag alles richtig gemacht. Die Eltern des Skirennläufers – Rosi Mittermaier und Christian Neureuther – gehören zur deutschen Delegation in Durban und sorgen per Fernsehübertragung für Verwirrung auf dem Marienplatz. Rosi findet in der Aufregung sogar den Einsatz des Bundeskanzlers lobenswert, ihr Mann verkündet schon einmal vorschnell: „Glückwunsch Korea!“ Ein Missverständnis, am Ende aber auch wieder nicht.

Sohn Felix bleibt dagegen cool. Am Morgen, als die Präsentationen liefen, schaltete er zuhause in Garmisch-Partenkirchen im Kraftraum den Fernseher ein, sah nebenbei zu und nutzte die Zeit zum Training. Erst danach tauchte er in den Rummel ein. „Ich habe kurz mit dem Papa telefoniert“, sagt er. „Aber der war in Durban gerade mitten im Trubel, deshalb haben wir gar nicht richtig miteinander gesprochen.“

Während die Sportler und Funktionäre gratulieren, gibt es auf dem Marienplatz sogar Pfiffe. Allerdings nur kurz, denn es ist Sommer. Die Touristen bestellen am „Schlemmerhaus“ und den anderen Buden am Rande ein paar neue Helle, dann geht die Party weiter. Eine Olympiaparty ist es allerdings nicht mehr.