Hamburg. . Nach der Niederlage gegen Wladimir Klitschko behauptete David Haye, er habe mit gebrochenem Zeh gekämpft. Der Brite brachte den Sieger des Kampfes aus dem Gleichgewicht - und nervte auch Vitali Klitschko.

Um 2.27 Uhr wurde es in der Nacht zum Sonntag dann doch noch spannend. Während sich die Fotografen noch beharkten, um möglichst schnell eine gute Position zu finden, war David Haye bei der Pressekonferenz in den Katakomben der Hamburger Fußball-Arena schon auf den Tisch geklettert. Er habe sich vor drei Wochen den kleinen Zeh seines rechten Fußes gebrochen, sagte der Brite zwei Stunden nach seiner klaren Punktniederlage (109:117, 108:118, 110:116) gegen Wladimir Klitschko im Kampf um die Schwergewichts-Weltmeistergürtel der drei wichtigen Weltverbände WBA, WBO und IBF. Er hasse es, wenn Boxer nach verlorenen Kämpfen nach Entschuldigungen lechzen, aber er sei durch die Verletzung gehandicapt gewesen und hätte nicht wie gewohnt mit Unterstützung des rechten Beines seine Rechte explodieren lassen können.

Kleiner Zeh, große Klappe. Was Haye im Ring mit seinen Fäusten nicht gelang, nämlich den jüngeren Klitschko-Bruder aus dem Gleichgewicht zu bringen, schaffte der 30-Jährige mit den Ausführungen über seinen leicht geschwollenen Zeh. „Hast du ein medizinisches Attest?“, warf ihm Klitschko eine Frage an den Kopf. „Schau dir meinen Fuß an“, konterte Haye und zeigte auf seinen digitus minimus pedis. „Ich bin kein Doktor“, sagte der genervte Wladimir Klitschko, der sich ansonsten sehr gern als Doktor (der Sportwissenschaft) ansprechen lässt und sich selbst im Ring als „Dr. Steelhammer“ vermarktet.

Auch Dr. Vitali, dem großen Bruder von Dr. Wladimir, ging die Zeh-Schau auf die Nerven. „Ich bin seit vielen, vielen Jahren im Geschäft“, erzählte Vitali und stellte dann die rhetorische Frage: „Habt ihr schon mal davon gehört, dass die Schlagkraft eines Boxers aus dem kleinen Zeh kommt?“ Der WBC-Weltmeister wollte viel lieber über die sporthistorische Einzigartigkeit der Klitschko-Regentschaft plaudern. „Ich bin stolz“, sagte der 39-Jährige, der am 10. September seinen WBC-Titel in Breslau gegen den polnischen Herausforderer Tomasz Adamek verteidigen will, „zum ersten Mal haben zwei Brüder alle Titel der wichtigen Weltverbände. Es ist schön, wenn man etwas erreicht hat, was vorher kein anderer geschafft hat.“

Haye hatte nie eine Siegchance

Mit David Haye hat sich auch der vermutlich stärkste Boxer, dessen Kampfpass nicht auf den Namen Klitschko ausgestellt ist, an den ukrainischen Brüdern verhoben. Haye ist schnell, Haye ist technisch gut, doch eine Siegchance hatte er nie. Um den fast zwei Meter großen Wladimir Klitschko in Gefahr zu bringen, hätte Haye, der erst vor zwei Jahren den Sprung vom Cruiser- ins Schwergewicht wagte, den Mut haben müssen, den Olympiasieger von 1996 viel öfter direkt anzugreifen. Doch Haye gab sich damit zufrieden, die zwölf Runden ohne massive Einschläge zu überstehen. So unbeschadet wie Haye ist lange kein Konkurrent der Klitschkos aus dem Ring geklettert. So offen hat noch nie ein Gegner einem Klitschko gegenüber gestanden, mit so guten Reflexen ist noch kein Widersacher den Schlägen eines Klitschkos ausgewichen, doch für einen Punktsieg oder gar einen Knockout reichen solche Fähigkeiten nicht aus.

Die großspurigen Ankündigungen, er würde das Boxen vom Langweiler Wladimir Klitschko befreien und ihm in einer Schlacht den Kopf weghauen, konnte Haye vor den 40.000 Zuschauern im Dauerregen von Hamburg nicht umsetzen. Haye ist ein Sprücheklopfer, doch trotz seiner großen Ausführungen über seinen kleinen Zeh ist er kein schlechter Verlierer. In der WM-Nacht beschimpfte er seinen Bezwinger nicht länger als „beschissenen Esel“, sondern zog seine schwarze Mütze: „Wladimir ist ein würdiger Weltmeister. Er hat einen perfekten Kampf gezeigt.“

Im Gegensatz zu seinem Manager Bernd Bönte, der stets zu Überhöhungen seiner Klienten neigt, war Wladimir Klitschko nicht ganz zufrieden: „Ich wollte meinen 50. K.o-Erfolg perfekt machen. Jetzt muss ich es verschieben.“ Ob David Haye dann eine zweite Chance erhalten wird, weiß Klitschko noch nicht. Haye wäre bereit. Wahrscheinlich mit intaktem kleinen Zeh, aber garantiert mit großer Klappe.