Berlin. . IOC-Vizepräsident Thomas Bach will in Durban die Olympischen Winterspiele 2018 nach Deutschland holen. Wir haben mit dem Präsidenten des Deutschen Olympischen Sport-Bundes (DOSB) geredet.
Thomas Bach hat einen vollen Terminkalender. Am 6. Juli entscheiden die Mitglieder des Internationalen Olympischen Komitees im südafrikanischen Durban, welcher der drei Kandidaten die Olympischen Winterspiele 2018 ausrichten darf: München, Pyeongchang (Südkorea) oder Annecy (Frankreich). Bach befindet sich bereits seit Monaten auf Werbe-Tour, gerade kommt der Präsident des Deutschen Olympischen Sport-Bundes (DOSB) von der japanischen Botschaft in Berlin, wo er natürlich über die Vorzüge Münchens geredet hat.
Den größten Ärger rund um die deutsche Bewerbung gab es um ein Grundstück am Zielschuss der Kandahar-Skiabfahrt in Garmisch-Partenkirchen. Sind Sie die Kandahar eigentlich mal selbst hinunter gefahren?
Thomas Bach: Nein, das traue ich mir nun wirklich nicht zu. Mir wird ja schon beim Zusehen am Fernsehschirm leicht schwindelig. Während meiner aktiven Zeit als Fechter durfte ich auch nie Skifahren, das Verletzungsrisiko war zu groß. Umso mehr bewundere ich diejenigen, die sich solch einen Hang herunter stürzen.
Waren die Grundstückseigner in Garmisch, die ihre Felder zunächst behalten wollten, nicht ein Gottesgeschenk für die Olympia-Bewerbung? So konnte die Welt sehen, dass die Probleme demokratisch gelöst werden.
Bach: Ich glaube nicht, dass irgendjemand auf der Welt daran gezweifelt hat. Wir Deutsche sind ein diskussionsfreundliches Völkchen, und jede große Planung wird eben fünfmal hin und her gewendet, bevor eine Entscheidung fällt.
Bei anderen Bewerbungen wie zuletzt denen von Peking oder Sotschi hatte man nicht diesen Eindruck…
Bach: …aber es ist nicht meine Aufgabe, über andere Länder und Bewerbungen zu reden.
Nach außen wirken Sie immer korrekt, nie ein falsches Wort. Haben Sie bei der Diskussion über die Grundstücke hinter verschlossener Tür auf den Tisch gehauen?
Bach: Sie überschätzen die Grundstücksfrage. Sie hat die Bewerbung zu keinem Zeitpunkt gefährdet. Im Zweifel hätten wir Alternativen gehabt.
Gilt man als naiver Romantiker, wenn man bedauert, dass kleine Wintersport-Orte wie Lillehammer keine Chance mehr auf die Ausrichtung der Spiele haben?
Bach: Siegt bei Ihrer Erinnerung nicht vielleicht die Nostalgie über die Realität? Die Spiele haben doch nicht nur in Lillehammer stattgefunden, sondern auch in Hamar, in Gjövik und in Kvitjell. Viele Zuschauer mussten in Oslo übernachten und jeden Morgen zweieinhalb Stunden mit dem Zug nach Lillehammer fahren und abends wieder zurück.
Aber hatten die Spiele nicht trotzdem mehr Charme als Winterspiele in Salt Lake City oder Turin?
Bach: Es waren sicherlich mit die stimmungsvollsten Spiele der letzten Jahrzehnte. Aber es geht bei Olympia auch um die Nachhaltigkeit. Was machen Sie in einer kleinen Stadt später mit riesigen Hallen oder mit einem Medienzentrum für Tausende von Journalisten?
Wieder abbauen?
Bach: Das ist nur bedingt möglich. Daher ist das Zwei-Park-Konzept der Spiele, wie es München anbietet, eine gute Lösung. Wir haben auf der einen Seite mit München eine Stadt mit olympischem Flair, Hotelkapazitäten und Infrastruktur. Auf der anderen Seite haben wir in Garmisch-Partenkirchen die traditionelle Wintersport-Atmosphäre eines Städtchens in den Alpen.
Was würden Sie sagen, wenn Sie jeweils in einem Satz Ihre Mitbewerber aus Südkorea und Frankreich loben müssten?
Bach: Die Regeln des IOC verbieten es mir, über Mitbewerber zu sprechen.
Auch kein Lob?
Bach: Ich halte mich an Regeln.
Versuchen wir es andersrum. Wo liegt denn die Schwachstelle der Münchener Bewerbung?
Bach: Auch hier kommen Sie nicht weiter. Wenn ich eine erkennen sollte, dann würde ich sie sicherlich nicht über die Medien verbreiten.
Was geschieht im Falle des Scheiterns in Durban? Ist die Bewerbung dann erledigt, oder wird es einen neuen Anlauf geben?
Bach: Es ist wie vor einem großen Wettkampf im Sport. Wir stehen gerade in der Umkleidekabine und wollen jetzt unbedingt aufs Spielfeld. Wer in so einem Moment ans Scheitern denkt, braucht gar nicht erst anzutreten, sondern kann direkt unter die Dusche gehen. Sollte es tatsächlich nicht klappen, haben wir immer noch genug Zeit, um über die Zukunft nachzudenken.
Fliegt denn Bundeskanzlerin Angela Merkel als Joker mit nach Durban?
Bach: Bundespräsident Christian Wulff wird mit nach Durban kommen, also die höchstmögliche Besetzung.
Bei IOC-Wahlen hat der Zuschauer oft das Gefühl, dass es weniger um Inhalte als um Taktik geht. Ein richtiges Gefühl?
Bach: In Durban wird es auf eine Grundsatzentscheidung herauslaufen, es gibt zwei klare Alternativen. Die eine Möglichkeit bedeutet, die Spiele in ein Land zu geben, das noch nie Winterspiele ausgerichtet hat. Damit würde das IOC ein neues Territorium erschließen. Die andere Möglichkeit ist die Vergabe der Spiele in eine Region, in der der Wintersport zu Hause ist und in der es eine olympische Atmosphäre geben wird, die weltweit herausragt. So viele Zuschauer wie in Deutschland finden Sie beim Wintersport in kaum einem anderen Land – und zwar in den Stadien und an den Fernsehschirmen.
Sie sind Vize-Präsident des IOC, 2013 wird ein neuer Präsident gewählt. Glauben Sie, dass sich das IOC bei zwei wichtigen Wahlen hintereinander für Deutschland entscheiden wird?
Bach: Diese Frage stellt sich im Moment überhaupt nicht. Ich bin 2010 als Vize-Präsident des IOC wiedergewählt worden. Damals bin ich mit dem Ziel angetreten, Präsident Jacques Rogge zu unterstützen. Dabei bleibt es. Darüber hinaus hat Jacques Rogge bereits mehrfach öffentlich erklärt, dass die beiden Wahlen unterschiedliche Dinge sind und absolut nichts miteinander zu tun haben.
Wollen Sie 2013 antreten?
Bach: Ich konzentriere mich momentan auf Durban – und auf nichts anderes.
Also sollten wir in anderthalb Jahren noch einmal nachfragen?
Bach: Gute Idee, machen Sie das.